Protokoll der Sitzung vom 12.03.2020

Auch den anderen Fraktionen sind nun allerlei Dinge eingefallen, die man an dem Entwurf aussetzen kann. Vor allem aber hört man, wir würden die parlamentarische Demokratie nicht hinreichend würdigen oder gar ganz infrage stellen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre eigenen Versprechen ernst nehmen und gleichzeitig die parlamentarische Demokratie so hochhalten, dann wäre doch dieser Entwurf genau die Gelegenheit für parlamentarische Arbeit gewesen. Dann hätten Sie doch, wie es sich für ein Parlament gehört, Änderungsanträge oder eigene Gegenvorschläge einbringen müssen. Aber Fehlanzeige, meine Damen und Herren!

(Beifall von der AfD)

Natürlich ist dieser Entwurf nicht perfekt. Natürlich kann man über diesen oder jenen Punkt streiten, aber dafür sind wir schließlich auch hier. Das ist doch parlamentarische Demokratie.

Aber Sie sind nicht konstruktiv, Sie sind destruktiv; denn in Wahrheit wollen Sie gar nichts am Status quo ändern.

Artikel 3 unserer Verfassung sieht vor, dass die Gesetzgebung von Volk und Volksvertretung ausgeht, gleichberechtigt. – Herr Hagemeier, das ist Verfassungsauftrag.

Nun wird die NRW-Verfassung bald 70 Jahre alt. Aber nicht ein einziges Gesetz ist jemals durch einen Volksentscheid entstanden. Wer glaubt, dass das daran liegt, dass die Menschen so zufrieden sind mit der Politik im Lande, wie es eben und auch in der

Ausschussberatung teilweise anklang, den lade ich ganz herzlich ein, zurück auf unseren Planeten zu kommen.

Noch im letzten Jahr hat ausgerechnet die FriedrichEbert-Stiftung ermittelt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen mit der konkreten Gestalt unserer Demokratie wenig bis gar nicht zufrieden ist. Das wundert einen gerade vor dem Hintergrund dieser Debatte nicht. Wie sollten die Bürger zufrieden sein mit Repräsentanten, die sie fortlaufend hinter die Fichte führen und über ihre wahren Absichten täuschen?

Für meine Partei kann ich jedenfalls eines versprechen: Egal wer es beantragt, egal wo, egal wie und wann, wer die direkte Demokratie in unserem Land stärken will, der bekommt auch unsere Stimme. Darauf mein Wort!

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Herr Abgeordneter Tritschler, Sie haben eben gegenüber der Fraktion der Grünen eine Wortwendung verwendet, die nicht dem parlamentarischen Gebrauch hier entspricht. Dafür darf ich Sie nichtförmlich rügen.

Als weiterem Redner erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Herbert Reul das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Aus Sicht der Landesregierung ist der Gesetzentwurf der AfD nicht geeignet, die Demokratie zu stärken. Im Gegenteil, hier werden konkurrierende Legitimationsstränge geschaffen. Das Ergebnis sind dann Durcheinander und Unsicherheit. Die Frustration auch bei den Befürwortern stärkerer direktdemokratischer Elemente wäre groß. Gewinnen würden nur die Politik- und Demokratieverdrossenheit.

Gerade weil wir eine starke Demokratie behalten wollen, kann die Landesregierung nichts anderes tun, als den Gesetzentwurf abzulehnen. Denn – darauf habe ich im Sommer schon hingewiesen – mit dem Gesetzentwurf würde sich das Verhältnis zwischen der parlamentarisch-repräsentativen und der direkten Demokratie erheblich verändern. Hierzu bedürfte es einer verfassungsändernden Mehrheit, die in diesem Hause für mich nicht erkennbar ist.

Mit der repräsentativen Demokratie, die wir in den letzten Jahrzehnten praktiziert haben, sind wir sehr gut gefahren. In dem Antrag wird auf die Schweiz verwiesen nach dem Motto: Was da funktioniert, kann auch für uns nicht schlecht sein. Allerdings sind die Voraussetzungen ganz andere. Die historischen und politischen Verhältnisse sind nicht ohne Weiteres auf Nordrhein-Westfalen übertragbar.

Weitere Argumente, die gegen den Gesetzentwurf sprechen, habe ich bereits ausführlich anlässlich der

Einbringung im Plenum vorgetragen. Ich will mich deshalb auf einen wichtigen Punkt beschränken, den ich allerdings auch schon im Sommer angesprochen habe.

Der Landtag als gewählte Volksvertretung ist der Ort, an dem man auch darüber entscheidet, wie die Steuermittel ausgegeben werden. Er hat als Gesamtverantwortlicher für den Haushalt über eine ausgewogene Verteilung der begrenzten staatlichen Ressourcen zu entscheiden. Die Komplexität der Materie und die andernfalls mögliche Überbetonung von Sonderinteressen sprechen dafür, diesen Status quo nicht anzutasten.

Professor Decker hat dazu in der Anhörung am 12. Dezember richtigerweise vorgetragen. Ich zitiere:

„Eine Öffnung der Volksgesetzgebung für Abgabengesetze und Besoldungsregelungen würde den Primat der parlamentarischen Repräsentation beseitigen und hätte damit eine ‚systemverändernde‘ Wirkung.“

Warum haben wir es hier mit einer systemverändernden Wirkung zu tun? – Weil die Budgethoheit zentrales Vorrecht des Parlaments ist. Die Budgethoheit gehört zur Steuerungs- und Kontrollfunktion des Parlaments. – In einer Enquetekommission in diesem Hause finden Beratungen über die Zukunftsfähigkeit der Demokratie statt. Darum halte ich nichts davon, wenn jetzt mit Einzelvorschlägen vorgeprescht wird.

Abschließend aus der Sicht der Praxis das Entscheidende: Die Regelungen zur direkten Demokratie, also Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid, funktionieren in Nordrhein-Westfalen. Die Instrumente werden genutzt, beispielsweise bei den Volksinitiativen „Straßenbaubeitrag abschaffen“ und „Aufbruch Fahrrad“ oder beim Volksbegehren zu G8/G9. Mehr Demokratie e. V. NRW hat übrigens im Anhörungsverfahren zu Recht darauf hingewiesen, dass direkte Demokratie auch als gut anwendbares Gesamtkonzept gedacht werden muss.

Um es kurz zu machen: Die Sicht der Landesregierung hat sich während der parlamentarischen Beratungen nicht verändert. Es haben sich keine neuen Aspekte ergeben, die für die Annahme des Gesetzentwurfs sprechen. Deshalb bleibt es dabei, dass wir die Ablehnung empfehlen.

(Beifall von der CDU und der FDP )

Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8701, den Gesetzentwurf Drucksache 17/6586 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/6586 selbst und nicht über die

Beschlussempfehlung. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind die Fraktion der AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP. Wer enthält sich? – Das ist der fraktionslose Abgeordnete Vogel. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/6586 abgelehnt.

Ich rufe auf:

6 Investitionen für NRW – Bedarfe ermitteln, um

zu handeln

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/8780

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Zimkeit das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns einig: Investitionen in die Zukunft sind notwendig. Wenn wir uns die Tagesordnung dieser Plenartage angucken, dann stellen wir fest: Es gab eine ganze Reihe von Diskussionen, die das deutlich gemacht haben. Wir brauchen – ich denke, auch darin besteht weitgehend Einigkeit – Investitionen, um eine Wirtschaftskrise zu verhindern, die wegen des Virus droht.

Wir haben über notwendige Investitionen im Bereich der Krankenhäuser, der Schulen und der Kindertagesstätten diskutiert. Wir werden über die Frage der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur diskutieren. Es gibt zahlreiche Bereiche, in denen nach unserer Einschätzung zusätzliche Investitionen notwendig sind.

Wir sind aber der Auffassung, dass es im Sinne aller – der Regierung, der Opposition, der regierungstragenden Fraktionen – vernünftig ist, Entscheidungen dazu nicht aus dem Bauch heraus zu treffen, sondern auf der Grundlage von vorliegenden Daten.

Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat deshalb seit einiger Zeit einen Investitionsbericht, der die Investitionsbedarfe des Landes und der Kommunen erfasst.

Besondere Bedeutung dabei hat für uns die Situation der Kommunen. Wir wissen, dass der Investitionsstau in diesem Bereich besonders groß ist. Ich spreche für meine Heimatstadt Oberhausen, die seit vielen Jahren aufgrund der Haushaltslage einen Investitionsdeckel hat, der dazu führt, dass gerade in den angesprochenen Bereichen Schulen, Kindertagesstätten, Straßen und anderen hohe Investitionsbedarfe bestehen.

Wir schlagen deshalb vor, diese zu erfassen, um dann gemeinsam in einer politischen Diskussion auf Grundlage dieser Fakten über die erforderliche Höhe von Investitionen und notwendige Prioritätensetzungen zu beraten. Ich gehe davon aus, dass dieses Anliegen alle teilen, denn wir alle gemeinsam sollten ein Interesse daran haben, auf Grundlage solcher Fakten Entscheidungen zu treffen.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen heraus nehme ich an, dass sich die regierungstragenden Fraktionen und die Landesregierung in Selbstbeweihräucherung auf die Schulter klopfen und sagen werden, wie toll sie alles gemacht haben, wie gut alles läuft und wie hervorragend alles ist.

(Martin Börschel [SPD]: Dann braucht der Mi- nister gar nichts mehr zu sagen!)

Das kann man ja glauben. Aber gerade wenn man es glaubt, sollte man doch ein Interesse an einem solchen Bericht haben, um das objektiv feststellen zu können. Denn wenn alles gut ist, dann kann dabei nicht herauskommen, dass es noch große Investitionsbedarfe gibt. Deswegen kann ich mir eigentlich nichts anderes vorstellen, als gemeinsam eine solch gute Datengrundlage zu beschließen, um dann in eine weitere politische Debatte über die Notwendigkeit von Investitionsprogrammen zu kommen. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Plonsker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Zimkeit, ich erfülle das sehr gerne, was Sie jetzt gleich als meine Rede vorbereitet haben.

Denn ich muss als Erstes feststellen, dass Ihre Rede mich insofern bestätigt hat, als dass in ihr genauso wenig drinsteht wie im Antrag. Den größten Teil der Redezeit haben Sie darauf verwendet, zu sagen, was ich sagen werde. Von daher fand ich die Rede sehr bemerkenswert.

Ich frage mich, wie wir alle das in den Haushaltsdebatten tun – denn das ist ja Grundlage so einer Planung und einer Bedarfsermittlung, wie das Finanzministerium oder wir als Fraktionen Entscheidungen vorbereiten –, ob wir Schnick, Schnack, Schnuck spielen oder ob wir uns sinnvolle Gedanken darüber machen, welche Investitionen wir tätigen wollen.

Gerade bei den Themen „Sicherheit“, „Bildung“ und „Verkehr“ gibt es viele Beispiele, wie der Bedarf ermittelt worden ist, wie man langfristig vorgeht, um die Themen, die uns wichtig sind und die Ihnen wichtig sind, vorzubereiten und anzugehen.

Ich will hierzu zwei Beispiele nennen und beginne mit dem Thema „innere Sicherheit“. Wie man Bedarfe ermittelt, haben wir und der Innenminister Herbert Reul gezeigt, als wir über das Thema „Einsatzfahrzeuge“ gesprochen haben. Wir haben den Bedarf ermittelt und hierzu die Polizisten gefragt, was ihnen wichtig ist. Die Polizisten durften mitreden: Was brauchen wir an Sitzbreite, Ablagemöglichkeiten, Platzangebot? Auf Grundlage des Bedarfs der Polizei ist die Entscheidung gefallen, welche Wagen angeschafft werden.

Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus Reihen der SPD.

Ich möchte gerne meine Rede fortführen. Vielen Dank.