Protokoll der Sitzung vom 12.03.2020

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Ott, wir verhandeln in dieser Frage übrigens über Bundesrecht.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Unsere landespolitischen Einflussmöglichkeiten sind hier außerordentlich begrenzt. Ich argumentiere hier als für den Bereich Verkehr zuständiger Abgeordneter für Nordrhein-Westfalen,

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

und ich habe eben die Bedeutung des Flughafens Köln/Bonn für Nordrhein-Westfalen und insbesondere die Möglichkeit, hier nachts abzufliegen und anzukommen, unterstrichen, und dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Herr Kollege Klocke, wenn Sie sich jetzt eindrücken, gebe ich Ihr Mikrofon frei. Bitte, Sie haben 1:30 Minuten.

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Middeldorf, ich möchte Ihnen ein Erlebnis aus meinem Leben erzählen, und zwar aus dem

Wahlkampf 2012. Damals war ich in Köln Kandidat und hatte an einer Podiumsdiskussion beim Arbeitgeberverband teilgenommen.

Ihr FDP-Kollege Christian Lindner, damaliger Landtagsabgeordneter, Fraktions- und Parteivorsitzender, heute als Partei- und Fraktionsvorsitzender in Berlin aktiv, hat damals in Köln bei dieser Podiumsdiskussion mit großer Geste – das ist sicherlich in den Dokumenten und Presseberichten zu dieser Veranstaltung nachzulesen – davon gesprochen, die Passage am Flughafen Köln/Bonn müsse abgeschafft werden. Für den Frachtflug zeigte er weiterhin eine Offenheit, aber den Passagiernachtflug sollte man verbieten.

Das war im Wahlkampf 2012. Jetzt sind acht Jahre vergangen. Ich weiß nicht, wie groß der Einfluss Ihres früheren Vorkämpfers bei Ihnen in der Fraktion noch ist. Jedenfalls ist seine Positionierung diametral zu der Position, die Sie uns hier vorgetragen haben.

(Jochen Ott [SPD]: Genau!)

Ich erinnere mich auch an die Plakatierung der damaligen FDP-Direktkandidatin, Landtagsabgeordneten und heutigen Schulministerin, Frau Gebauer, die in ihrem eigenen Wahlkreis im rechtsrheinischen Köln für mehr Lärmschutz und ein Verbot des Passagiernachtflugs gekämpft hat. Das ist eine Kollegin von Ihnen.

Also, wenn Sie uns Grünen immer Zweizüngigkeit, Wirtschaftsfeindlichkeit und Rückwärtsgewandtheit etc. vorwerfen, obwohl Sie solche Leute in den eigenen Reihen haben – das Gleiche gilt natürlich auch für die CDU –, rate ich Ihnen, erst einmal Ihre Hausaufgaben zu machen. Anschließend können wir hier über ein vernünftiges Luftverkehrskonzept diskutieren.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Jetzt hat Herr Kollege Middeldorf Gelegenheit, darauf zu antworten.

Herr Kollege Klocke, es gibt keinen Flughafen oder nur wenige Flughäfen in Deutschland, die in den letzten Jahren so viele Bemühungen in Sachen Lärmschutz unternommen haben wie der Flughafen Köln/Bonn, und zwar in jeder Hinsicht.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das stimmt!)

Das gilt für die Kommunikation mit den Anwohnerinnen und Anwohnern in Flughafennähe. Das gilt für den passiven Lärmschutz. Das gilt für Investitionen in den aktiven Lärmschutz. Das gilt für die

Reduzierung des Einsatzes von lauten Maschinen in der Nacht usw. usw.

(Jochen Ott [SPD]: Richtig! Korrekt!)

Ausgerechnet nach diesen Bemühungen den Nachtflügen in Köln/Bonn jetzt von grüner Seite den Rest zu geben, halte ich für falsch.

(Gordan Dudas [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Das war doch Frau Gebauer!)

Das halte ich als Verkehrspolitiker der FDP-Fraktion für falsch, auch wenn es andere irgendwann einmal im Wahlkampf anders intoniert haben. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das ist mal eine klare Ansage! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Strotebeck das Wort.

(Unruhe – Glocke – Josefine Paul [GRÜNE]: Der beste Liberale ist heute Jochen Ott! – Ge- genruf von Jochen Ott [SPD]: Ja, vielen Dank! – Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Abgeordneten welcher Bundestagsfraktion steigen am häufigsten ins Flugzeug? Sie wissen es, da es Herr Lehne bereits verraten hat: natürlich die Abgeordneten der Grünen. Dem Bürger dagegen soll das Fliegen madig gemacht werden.

Aktuell macht das Coronavirus den Flughäfen und Fluggesellschaften immer mehr zu schaffen. Der Lufthansa-Konzern plant, seine Kapazitäten um bis zu 50 % zu reduzieren. Es kommt zu Einstellungsstopps, und Zwangsurlaub muss genommen werden.

Flughäfen können zwar den Flugbetrieb herunterfahren, die Fixkosten laufen aber weiter. Gleichzeitig fehlen Einnahmen aus Gebühren, und auch der Einzelhandel und die Gastronomie verzeichnen erhebliche Ausfälle.

Die Bundesregierung hat ihr Versprechen gebrochen, die Luftverkehrsteuer zurückzunehmen. Für eine Mehrwertsteuerreduzierung bei der Bahn hätte man die Steuer halbieren können. Tatsächlich aber kommt es im April zu einer deutlichen Anhebung. Diese Wettbewerbsverzerrung wollen Sie jetzt auch noch vergrößern. Das ist absolut verantwortungslos.

(Beifall von der AfD)

Wir fordern stattdessen eine sofortige und dauerhafte Aussetzung der Luftverkehrsteuer.

Ihr Antrag lässt jegliche wirtschaftliche Vernunft und jegliches Verantwortungsbewusstsein für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen vermissen. Im Gegensatz zu Ihnen sprechen wir uns dafür aus, der beantragten Erweiterung der Betriebsgenehmigung am Flughafen Düsseldorf zuzustimmen; das haben wir hier schon vorgetragen.

Des Weiteren basiert der Antrag auf der Annahme, dass Deutschland das Weltklima retten könne, frei nach dem Motto „Am deutschen Wesen soll die Welt mit grüner Ideologie genesen“.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das passt Ihnen ver- kehrspolitisch überhaupt nicht, Herr Strotebeck!)

Im Jahre 2018 wurden weltweit 38 Millionen Starts durchgeführt und 4,3 Milliarden Fluggäste befördert. Der deutsche Anteil daran betrug 2,9 %, der NRWAnteil 0,5 %. Da für Europa ein eher unterdurchschnittliches Wachstum erwartet wird, tendiert der Einfluss Nordrhein-Westfalens gegen null. Zudem gibt es mit CORSIA bereits ein globales CO2Kompensationssystem für den Luftverkehr. Das Wachstum des internationalen Luftverkehrs soll ab 2050 CO2-neutral sein. Die Luftverkehrsteuer ist insofern eigentlich überflüssig.

Kommen wir zum Thema „Fluglärm“. Sie lassen völlig außer Acht, dass die beste, wirtschaftlich sinnvollste Methode der Lärmreduktion modernes Fluggerät ist. Mit jeder Flugzeuggeneration gibt es in dieser Hinsicht einen Quantensprung. Moderne Flugzeuge sind nicht nur leiser, sondern bekanntermaßen sinkt auch der Kerosinverbrauch. Wenn Sie die CO2-Emissionen tatsächlich reduzieren wollten, wären folglich nicht Verbote oder eine Gängelung der Fluggäste angesagt. Vielmehr wäre es entscheidend, den Fluggesellschaften nicht die notwendigen Finanzmittel für die Neuanschaffung von Flugzeugen zu nehmen.

Bei allem Verständnis für die von Fluglärm Betroffenen: Haben Sie die Opfer von Straßen- und Bahnlärm vergessen? Von einer Nachtruhe von 23 bis 6 Uhr oder subventionierten Schallschutzmaßnahmen können beispielsweise die von Bahnlärm geplagten Anwohner im Rheintal nur träumen.

Auch die von Ihnen geforderte Verlagerung auf die Schiene geht doch an der Realität vorbei, da es sich bei Flügen nach London, München, Amsterdam oder Paris oftmals um Umsteigeflüge handelt, die eben nicht in Konkurrenz zur Bahn stehen. Bedenken Sie auch, wie lange es dauert, Bahninfrastrukturprojekte zu realisieren. Auch hier gehören die Grünen zu den größten Bremsklötzen.

Zudem haben Sie noch nicht verstanden, dass der Kunde entscheidet, wo er abfliegen möchte. Das ist der Unterschied zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft, zwischen Freiheit und Sozialismus.

Um mit etwas Positivem zu schließen: In Brüssel ist gestern als kurzfristige Maßnahme eine temporäre Aussetzung der 80/20-Regelung bei der Slotvergabe beschlossen worden. Ein weiterer Schritt wäre die Übernahme der Luftsicherheitsgebühren durch das Land. „Hilfe statt Schikane“ – das sollte nicht nur momentan die Devise sein.

Der Überweisung stimmen wir zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Strotebeck. – Für die Landesregierung hat jetzt Minister Wüst das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für den Antrag. Ich möchte hier jetzt nicht die Differenzen der ehemaligen Koalitions- und heutigen Oppositionsfraktionen kommentieren, aber vielleicht die Frage stellen, wie wohl all jene diese Debatte verfolgen, die sich gerade in diesen Tagen Sorge um ihren Arbeitsplatz machen. Ich meine die Beschäftigten der Airlines.

Die Lufthansa hat eine dreistellige Anzahl von Flügen gestrichen; gestern waren es über 300. Da die momentane Situation äußerst dynamisch ist, sind es heute vielleicht noch mehr. Die anderen Airlines werden es ähnlich machen.

Die 80/20-Regelung ist ausgesetzt, das ist eben schon gesagt worden, damit die Airlines nicht leer fliegen. An den Flughäfen hinterlässt das natürlich auch Schleifspuren in der Auslastung. Die Menschen machen sich Sorgen, und dann führen wir hier eine solche Debatte.

Der Antrag ist vor der Zeit gestellt worden; das muss man den Antragstellern zugutehalten, so viel Fairness muss sein. Aber vielleicht sollten wir auch einen Moment an all die Menschen, die sich da jetzt große Sorgen machen, denken.

Wir sind uns einig, dass dieses Land NordrheinWestfalen insbesondere aufgrund der dezentralen Flughafenstruktur Anspruch auf eine aktive Luftverkehrspolitik hat. Deswegen warten wir im Übrigen nicht auf den Bund. Ich nehme nicht an, dass der Bund noch eine neue Luftverkehrskonzeption macht, darauf habe ich keine Hinweise. Als wir den Koalitionsvertrag unterschrieben haben, hatten wir das noch angenommen. Ich hätte also sagen können: Wegfall der Geschäftsgrundlage, wir lassen das jetzt, der Bund hat ja auch keine. Wir machen trotzdem eine Luftverkehrskonzeption, weil ich der Auffassung bin, dass das klug und richtig ist.