Protokoll der Sitzung vom 12.03.2020

Es kann aus verschiedenen Gründen zu Lieferengpässen kommen, diese sind aber in der Regel nicht regional begrenzt. Daher wäre ein Lösungsansatz auf Landesebene in Form eines Ausbaus zusätzlicher Strukturen nicht zielführend. Die Kompetenz liegt nun einmal primär beim Bund, ganz genau beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, kurz BfArM. Dieses ist inzwischen für die wissenschaftliche Bewertung sowie für die Kommunikation mit den betroffenen pharmazeutischen Unternehmen zuständig.

Auch auf Bundesebene wurde schon gehandelt. Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Kompetenz, einen Versorgungsmangel festzustellen und damit Ausnahmeermächtigungen im Arzneimittelgesetz zu nutzen. Beim BfArM wurde ein Jour fixe zum Thema „Lieferengpässe“ unter Beteiligung der Vertreter der obersten Landesbehörden und der Fachkreise eingerichtet.

Im Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb, das aus FDP-Sicht auch kritische Punkte enthält, ist vorgesehen, dass für versorgungskritische Arzneimittel künftig Vorgaben zur Lagerhaltung bei Herstellern und Großhändlern erteilt werden können. Weiterhin sollen im Fall von drohenden oder bestehenden Lieferengpässen Arzneimittel mit Kennzeichnungen in anderen Sprachen genutzt werden können. Zudem soll ein Expertenbeirat mit Fachvertretern beim BfArM eingerichtet werden.

Auch die Länder haben sich über den Bundesrat für die Versorgungssicherheit eingesetzt und entsprechende Anträge eingebracht. So wurde zum Beispiel in dem ersten Durchgang der Beratungen des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung ein Änderungsvorschlag verabschiedet. Dieser sah vor, in das SGB V eine Regelung aufzunehmen, wonach bei den Rabattverträgen europäische Produktionsstandorte und die Vielfalt der Anbieter berücksichtigt werden sollen, um die pharmazeutische Lieferfähigkeit zu verbessern. Die vorgeschlagene Regelung wurde jedoch vom Bundesgesetzgeber leider noch nicht übernommen.

Zum letzten Punkt: Wir haben schon gestern in der Debatte zu Corona gehört, wie hier versucht wird, aktuelle Probleme mit der generellen Kritik an einer weltweiten Vernetzung und an offenen Grenzen zu verknüpfen. Sicherlich wäre es sinnvoll, in einer globalen Wirtschaft auch stärker über eine Redundanz von Strukturen und über eine Vielfalt von Produktionsstandorten nachzudenken. Aber wir sollten dabei nicht vergessen, welche gesellschaftlichen und ökonomischen Gewinne mit der Globalisierung verbunden sind.

Wir Freien Demokraten wollen die Chancen der Globalisierung nutzen. Kultureller und wissenschaftlicher Austausch, Kreativität, Potenziale für mehr Wohlstand durch globale Wertschöpfungsketten und Freihandel sind eine Bereicherung für unser aller Leben. Abschottung und Protektionismus können nicht der richtige Weg sein. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Nun spricht für die Grünenfraktion Herr Mostofizadeh.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kurz zu dem Antrag der AfD-Fraktion. Die AfD hat es nicht einmal für nötig gehalten, die vorige Debatte, die noch nicht so lange her ist, zu erwähnen. Am 18. Oktober ist unser Antrag zum Thema „Medikamentenversorgung“ im AGS diskutiert worden, wozu es auch eine ausführliche Antwort des Sozialministeriums gegeben hat. Darin haben wir auch die Medikamentenversorgung,

die Situation in Nordrhein-Westfalen und die Punkte, die dahin gehend anstehen, thematisiert.

In Sinne einer seriösen Antragstellung wäre es das Mindeste gewesen, das in den Blick zu nehmen. Sie haben es noch nicht einmal nötig gehabt, das in Ihrem mündlichen Vortrag zu erwähnen.

Zu den Inhalten Ihres Antrags. Einige Befunde, die Sie mündlich vorgetragen haben, sind absolut zutreffend. Auch dazu haben wir uns im Bundestag geäußert und konkrete Vorschläge gemacht, nämlich unter anderem – das ist auch die richtige Stelle –, eine Meldepflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einzuführen, von dort den Markt beobachten zu lassen, nachzusteuern und Forschungsmittel auf den Weg zu bringen, wenn Medikamente nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. Welchen Sinn macht es, wenn das der Landesgesundheitsgesundheitsminister macht, die Dinge in Deutschland aber nicht auf den Markt zu bringen sind?

Insofern können wir die Punkte Ihres Antrags nicht nachvollziehen. Das ist beim Bund richtig angesiedelt. Von dort müsste es gesteuert werden, allerdings durchaus mit der klaren Zielsetzung, Anreize auf EUEbene zu setzen, um die Wirkstoffproduktion wieder in der EU anzusiedeln. Wir halten es auch für richtig, Vergütungsmodelle nach einer Risikoanalyse zu entwickeln. Und zentraler Punkt ist, den Markt zu beobachten und eine Meldepflicht darüber einzuführen, wo die Medikamente sind.

Damit komme ich zu Corona, Herr Gesundheitsminister. Ich habe gestern schon vorgeschlagen, mindestens 50 % der Hygienemittel zu bevorraten, die wir in den Krankenhäusern, in den Arztpraxen brauchen. Entweder machen wir das über den Markt oder durch eine Anordnung. Auch Letzteres ist vorstellbar. Dann müssen es die Krankenhäuser entsprechend bevorraten. Ich halte es für absolut denkbar, das so durchzusetzen.

Der Überweisung des Antrags stimmen wir natürlich zu. Zu der Struktur und der Art und Weise, wie Sie es vorgetragen haben, haben die Kollegen etwas gesagt.

Noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Kollegen Serdar Yüksel soeben: Wenn das die Position der sozialdemokratischen Fraktion wäre, dann hätte ich erwartet, dass ihr das gestern bei der Unterrichtung beantragt und klar positioniert auf den Tisch gebracht hättet. Das habt ihr nicht getan. Insofern kann ich nur sagen: Einfach das rauszuhauen, was ich immer schon mal gedacht habe, finde ich der Sache nicht angemessen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

(Gordan Dudas [SPD]: Gut, dass die Grünen so gut Bescheid wissen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Egal, von wem der Antrag ist: Wir haben heute wieder eine Debatte, die wir in den letzten Monaten schon sehr oft geführt haben. Es geht um die Sicherheit der Arzneimittelversorgung bei uns in Nordrhein-Westfalen bzw. in Deutschland. Wahr ist, dass wir immer häufiger hören, dass bestimmte Medikamente nicht zu jeder Zeit verfügbar sind. Wahr ist allerdings auch, dass fast in allen Fällen wirkstoffgleiche Alternativmedikamente zur Verfügung stehen – nicht immer, aber fast in allen Fällen.

Wegen des Virus und der derzeitigen Situation führen wir eine Debatte über Hilfsmittel: Schutzbekleidung, Masken usw. Ich komme gerade aus einem Gespräch mit nordrhein-westfälischen Textilunternehmen, in dem es darum ging, was man denn machen kann. Demnach hat es zwei Entwicklungen gegeben.

Zum einen: Die Krankenhäuser bzw. das Gesundheitssystem insgesamt sind vor Jahren von Mehrweg, also von mehrfach verwendbaren Systemen, die noch bei uns hergestellt wurden, auf Systeme umgestiegen, die man einmal nutzt und dann wegwirft. Selbst wenn wir jetzt ganz schnell wieder auf Mehrwegsysteme gingen, hätten wir nicht mehr die Kapazitäten, die Dinge in dem Umfang zu reinigen, wie man sie in einem solch gewaltigen System bräuchte. Das alles ist gar nicht so einfach.

Jetzt sehen wir: Wir sprechen Exportverbote aus, andere Länder ebenso. Sie kriegen heute keine einzige Maske mehr aus Polen heraus. Sie kriegen keine einzige Maske mehr aus Tschechien heraus. Selbst die Produkte von Herstellern, die hier ihren Sitz haben und dort nähen lassen, werden von den Staaten festgehalten – genauso wie auch wir Produkte festhalten.

Das macht deutlich, dass wir uns eines vornehmen sollten, wenn die Sache wieder in ruhigerem Fahrwasser ist – ich bin nicht dafür, jetzt in der Krise wer weiß welche Gesetze zu verabschieden, sondern das sollten wir vernünftig angehen –: Diese Debatte muss geführt werden. Und es müssen Entscheidungen getroffen werden, wie wir in diesem Zusammenhang mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten bei uns in Deutschland erreichen können, damit wir über eine gewisse Unabhängigkeit verfügen.

Zum anderen war ich heute Morgen bei einer großen Universitätsklinik, um mal ein Beispiel zu nennen.

Dort sagte man mir, dass sie einen Jahresbedarf an Schutzbekleidung auf Lager gehabt hätten. Es hieß aber auch: Wenn der Verbrauch in dem Tempo weitergeht, haben wir in vier bis fünf Wochen ein Riesenproblem, wenn nichts nachkommt. – Die Klinik hat also einen Vorrat im Umfang eines Jahresverbrauchs vorgehalten. Das ist nicht Just-in-Time. Dann kann man ihr auch keinen Vorwurf machen.

Daran sehen Sie – zumindest ich, ich lerne jeden Tag dazu –, dass einiges dafür spricht, dass es in den rechtsstaatlichen Ländern Europas für systembedingte Produkte auch gewisse Produktionskapazitäten geben muss. Es geht nicht nur mit Depots, mit Bevorratung, sondern wir brauchen auch ein Stück weit Unabhängigkeit. Ich hoffe, dass wir nach der Krise gemeinsam – Bund und Länder – unsere Möglichkeiten nutzen, um das auf der europäischen Ebene durchzusetzen.

Bitte verbreiten Sie das Märchen nicht weiter, dass die sogenannten Festbeträge daran schuld seien. Ich sage Ihnen: Schon vor den Festbeträgen fand der größte Teil der Entwicklung woanders statt. Auch ohne Festbeträge bin ich nicht sicher, dass das Geld verwendet worden wäre, um die Produktion in Deutschland oder Europa zu finanzieren, sondern es wäre wahrscheinlich trotzdem woanders investiert worden.

Im System der gesetzlichen Krankenkassen bekommt jeder Mensch jedes notwendige Hilfsmittel. Aber wir müssen natürlich auch grundsätzlich ressourcenschonend vorgehen und unsere Beiträge im Auge haben. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/8773 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung finden dort in öffentlicher Sitzung statt. Gibt es Gegenstimmen? – Nein. Enthaltungen? – Nein. Dann ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

9 Verantwortungsvolles Miteinander von Motor

radfahrern und Anwohnern

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/8775

Für die CDU-Fraktion begründet Herr Kollege Voussem diesen Antrag.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Motorradfahren hebt Grenzen auf: Mensch und Maschine, Natur und Technik, alles wird eins. – So lautet ein bekannter Bikerspruch in Anlehnung an den Poeten Hubert Hirsch, der das Empfinden eines Fahrers widerspiegelt.

Es heißt, beim Motorradfahren sei das Fahren wichtiger als das Ankommen. Die Fahrt, gerne über kurvige Straßen, bestimmt das Ziel. Ausflugsziele, die landschaftlich schön gelegen sind und auch Touristen aus Nachbarländern anziehen – das ist das Ziel.

Bald beginnt wieder die Motorradsaison. Von März bis Oktober verbringen viele Biker ihre Wochenenden und Feiertage im Bergischen Land, in der Eifel und im Hochsauerland.

Allerdings ist inzwischen die Belastung der Anwohner durch den entstehenden Motorradlärm in zahlreichen Regionen ein großes Problem. Immer wieder kommt es zu zahlreichen Beschwerden von Bürgern über zu aggressives und zu lautes Fahren von Zweirädern. Diese Geschwindigkeitsüberschreitungen oder das Fahren auf extra laut getunten Motorrädern bedeuten für die ortsansässigen Bürger eine massive Lärmbelästigung.

Wir sprechen hier ausdrücklich nicht von den sogenannten Genussbikern, die sich an unserer Landschaft erfreuen. Problematisch sind die Motorradfahrer, die sich auf Kosten der Bürger und Gäste in den betroffenen Regionen austoben. In meinem Wahlkreis beispielsweise gibt es eine Strecke, wo an den Wochenenden die Anwohner nicht mehr in ihren Gärten sitzen können, da der Lärm der Maschinen um sie herum unerträglich ist. Dem müssen wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenwirken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dieser Motorradlärm nimmt zeitweise ein Maß an, das nicht mehr hinnehmbar ist. Insbesondere die Eifel ist aufgrund ihrer Landschaft und Streckenführung ein beliebtes Ausflugsziel für Motorradfahrer, das seit einiger Zeit aber auch schwarze Schafe anzieht. So werden einige der kurvigen Strecken zwischenzeitlich auf Zeit gefahren und die Videos der halsbrecherischen Fahrten bei YouTube online gestellt, quasi als digitale Trophäe. Selbst die Polizei kommt bei diesen Fahrten nicht mehr hinterher, weil die Beamten ihr eigenes Leben nicht gefährden können.

Auf Bestrebung einiger betroffener Kommunen hat sich die Initiative Silent Rider gegründet. Diese Initiative will mit der Öffentlichkeitsarbeit die Motorradfahrer sensibilisieren und zu einer angemessenen Fahrweise bewegen, um Motorenlärm zu vermindern. Ziel ist die Verschärfung der Gesetze.

Meine Damen und Herren, niemand will vorschreiben, wer, wie, wann und wo seinen Weg zurücklegt. Es geht vielmehr um ein rücksichtsvolles Miteinander, um die bestehenden Interessenkonflikte zukünftig zu verhindern und beiden Seiten gerecht zu werden.

Allerdings werden überhöhte Geräuschemissionen durch Krafträder meistens durch Manipulationen verursacht. Diesen kann man nur durch verstärkte Kontrollen begegnen.

Die nordrhein-westfälische Polizei legt bei der Verkehrssicherheitsarbeit einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung ordnungswidriger technischer Veränderungen an Motorrädern. Auf Bundesebene muss dafür die Straßenverkehrsordnung angepasst werden.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Landesregierung den Ball aufgenommen und bereits für den morgigen Freitag eine Entschließung des Bundesrates zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm auf den Weg gebracht hat. Nur ein gemeinsames Vorgehen der Länder in Richtung Bund kann zukünftig dazu führen, dass die Fahrzeuge nicht nur bei der Typprüfung, sondern auch im normalen Fahrgeschehen leiser werden.

Einen weiteren Schwerpunkt aus verkehrspolizeilicher Sicht stellen die riskanten Fahrweisen dar, die zu schweren und schwersten Unfällen führen können. Die nordrhein-westfälische Polizei schöpft aktuell die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verfolgung festgestellter Verstöße aus. Sie setzt auf verstärkte Kontrollen von März bis Oktober und auch auf zahlreiche Präventionsveranstaltungen.

Allerdings gibt es hier noch Handlungsbedarf zur Erweiterung der Strafmaßnahmen. Bußgeldregelsätze für Verkehrsverstöße mit besonderem Gefährdungspotenzial müssen deutlich angehoben werden, sonst verfehlen sie ihr Ziel. Zur Kontrolle und Ahndung mit gegebenenfalls Stilllegung des Motorrads durch die Polizei muss es ihr möglich werden, Fahrzeugmessungen einfacher durchzuführen. Dafür bedarf es eines angepassten rechtlichen Rahmens.

Die NRW-Koalition setzt sich für eine einfachere, transparente Prüf- und Zulassungsregelung von Kraftfahrzeugen ein, die einen Grenzwert von maximal 80 Dezibel für alle Nutzfahrzeuge über alle Betriebszustände sicherstellen, um unnötige Geräuschemissionen von Fahrzeugen zu verhindern.