Protokoll der Sitzung vom 09.04.2020

Ich habe gerade ein bisschen geschmunzelt, als Sie in Richtung Schulministerin Yvonne Gebauer gesprochen haben. Dass ausgerechnet die Grünen einer liberalen Schulministerin Unterstützung zusagen, hat schon ein Geschmäckle; das hat schon einen bestimmten Charme. Das würde ich mir bei vielen inhaltlichen Punkten öfter wünschen, liebe Grüne, liebe Monika Düker.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das wollen wir auch nicht übertreiben!)

Das habe ich bisher nicht so richtig wahrgenommen. Deswegen sage ich: Vorsichtig bei solchen Aussagen; vielleicht darf man sie auch nicht überbewerten.

Ich habe an diesem Rednerpult vor einer Woche die Bedenken der FDP-Fraktion zum Pandemiegesetz geäußert. Das waren insbesondere vier Punkte:

Der erste Punkt war der Parlamentsvorbehalt.

Der zweite Punkt war die Befristung, bei der wir uns auf ein vernünftiges Ergebnis geeinigt haben. Grundrechte und Gewaltenteilung sind das Fundament unseres Rechtsstaates. Das soll auch so bleiben; dafür haben wir gemeinsam gesorgt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der dritte Punkt war die Dienstpflicht; wir sprachen heute schon darüber. Die Formulierungen im Gesetzentwurf waren missverständlich. Sie wurden so gedeutet, wie sie nicht gemeint waren.

Es gibt viele Mediziner, die heute in anderen Berufen tätig sind und sich längst freiwillig gemeldet haben, weil sie helfen wollen, gemeinsam aus der Krise zu kommen. Deshalb haben wir uns in diesem Punkt auch auf einen konstruktiven Weg geeinigt.

Es war auch schon das Ziel meiner Rede letzte Woche, dass wir von der Dienstpflicht wegkommen. Ich gebe gerne zu, dass das Freiwilligenregister nicht die Idee der Liberalen war. Ich habe von diesem Wort in

diesem Zusammenhang zum ersten Mal am Samstag in einem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden von Bodo Löttgen gehört. Alle haben gesagt: Das ist eine gute Idee. Den Weg können wir gemeinsam gehen.

Der vierte Punkt war medizinisches Material, das in einer Krise von enormer Bedeutung ist. Wichtig ist nur, dass der gut gemeinte § 14 die Menschen nicht verunsichert; er ist unverhältnismäßig und berücksichtigt die Rechte des Parlaments nicht. Deshalb haben wir auch § 14 geändert und kommen so zu einem guten konsensualen Ergebnis.

Nach der Debatte am vergangenen Mittwoch gab es die Expertenanhörung vor zwei Tagen, in der diese Argumente deutlich bestätigt worden sind. Ich freue mich wirklich über den breit getragenen Konsens zu diesem Gesetz.

Die Grundrechtseingriffe sind gering, und die Landesregierung ist im schlimmsten Fall gut gewappnet. Dieser Konsens hier im Hohen Haus ist schon ein wichtiges und gutes Signal an die Menschen in Nordrhein-Westfalen, obwohl alle hoffen, dass das Gesetz, das wir gleich beschließen werden, gerade in seinen kritischen Passagen niemals angewendet werden muss.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass die Landesregierung in sehr vielen Bereichen vorbildlich gearbeitet hat: Notbetreuung an Kitas und Schulen, Kita-Gebühren ausgesetzt, die bestmögliche Unterstützung der Schülerinnen und Schüler in einer schwierigen Zeit, wobei wir die Gesundheit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Die Prüfungstermine für das Abitur sind festgelegt. Wir sind davon überzeugt, dass unter den jetzigen Umständen Abiturprüfungen der fairste Weg für alle Schülerinnen und Schüler und das gesamte Schulsystem sind.

Nicht zuletzt hat die Landesregierung die Wirtschaft vorbildlich unterstützt: Kleinstbetriebe, Mittelständler und große Unternehmen. Bundesweit gilt NordrheinWestfalen als Vorbild in diesem Bereich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Landesregierung braucht sich also in keinster Weise zu verstecken – im Gegenteil: Sie macht einen guten und vernünftigen Job.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns sehr viele Gedanken über einen möglichen Tag X gemacht, an dem unser Gesundheitssystem gesprengt wird. Das ist gut.

Solche Gedanken müssen wir uns genauso über den Weg machen, mit dem wir wieder das normale Leben erreichen. Deshalb ist die Studie, die uns heute Morgen vorgestellt worden ist, sehr hilfreich.

Wir wollen, dass die Gesundheit an erster Stelle steht, aber wir dürfen dabei die Zukunft nicht aus den Augen verlieren.

Händler, Mittelstand, die Menschen in allen Bereichen, die Familien – alle sind auf eine schrittweise Rückkehr zur Normalität angewiesen.

Die Verhaltensweisen der Menschen haben gezeigt: Sie nehmen die Situation sehr ernst. Sie sind den Konzepten und Maßnahmen, die wir bestimmt haben, voller Überzeugung gefolgt.

Jetzt müssen wir genau diese Konzepte eben auf weitere Geschäfte und weitere Lebenslagen ausweiten, indem wir zum Beispiel Abstandsgebote, Hygienevorschriften und kreative Lösungen, die es in vielen Bereichen ganz individuell gibt, so übertragen, dass wir Schritt für Schritt zu einer möglichst breiten Öffnung und zu einem normalen Leben zurückkehren.

Das gilt für den Handel, aber natürlich auch für die gastronomischen Betriebe, von denen leider viele auch um ihre Existenz bangen.

Das ist aber nicht alles: Den Menschen in NordrheinWestfalen fällt die Decke auf den Kopf. Sie fühlen sich nicht mehr wohl, sie fühlen sich eingeengt. Das macht krank oder zumindest fast krank.

Sie wollen raus – nicht in großen Runden debattieren, diskutieren und plötzlich wieder stärker Nähe zu anderen Menschen haben, sondern vielleicht draußen in einem Biergarten sitzen und einfach nur erleben, dass sich Menschen auch mit Abstand wieder normal verhalten, um einfach wieder ein anderes Gefühl zu spüren, zu spüren, dass man sich bei uns in Nordrhein-Westfalen eben wohlfühlt, andere Menschen zumindest wieder dabei beobachten kann, was sie tun, wie sie sind, wie sie lachen und was sie so machen.

Es ist äußerst wichtig, dass uns die Decke nicht auf den Kopf fällt. Deswegen müssen wir auch in diesem Bereich zu anderen Lösungen kommen.

Die aufgebrachte Geduld der Menschen war klasse. Diese aufgebrachte Geduld der Menschen sollten wir auch belohnen.

Lassen Sie mich abschließend sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Diese Krise hat bisher auch viele positive Aspekte gehabt: Gemeinschaftsgefühl, Hilfsbereitschaft, Wertschätzung der sogenannten Alltagshelden. – Wenn wir aus dieser Krise herauskommen – ich hoffe, möglichst schnell –, dann sollten wir diese positiven Aspekte auf keinen Fall vergessen, sondern in unser zukünftiges Leben integrieren.

Die Krise ist bei Weitem noch nicht zu Ende, und die Krise ist unberechenbar. Sie wird leider so bleiben. Überraschungen werden uns erreichen. Wir sind gefordert, immer angemessene, schnelle und konsequente Entscheidungen zu treffen. Das machen wir

heute. Das werden wir auch in Zukunft tun. Der Landtag in Nordrhein-Westfalen lebt mit uns allen. Das ist gut so, und das passt auch in Krisenzeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Wagner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürger unseres Landes hören seit Wochen fast nur noch eines: Corona. Ihre Zeitung – ob online oder print – und ihr Fernsehprogramm von ARD bis ntv kennen fast nur noch eines: Corona. – Dabei gibt es zum Teil widersprüchliche Einschätzungen von Virologen. Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen durch die Politik. Es gibt Differenzen zwischen den Staaten der Welt, und dann sind die Bürger noch ganz persönlich betroffen.

Der Job findet jetzt für den, der Glück hat, im Homeoffice statt, oder aber plötzlich muss die Friseurin ohne Trinkgeld und mit 40 % weniger Lohn auskommen. Das gilt für die Kellner, die Verkäufer, die Taxifahrer und für viele andere auch.

Gleichzeitig gilt das für die vielen kleinen Selbstständigen, die zwar zum Teil Einmalzahlungen und Kredite beantragen können – wir haben dem hier selbstverständlich auch zugestimmt –, die aber trotzdem Angst um ihre Zukunft haben, Angst davor, ihre nächste Miete oder die Stromkosten oder die Handyrechnung oder gar alles drei nicht bezahlen zu können. Es ist vorhersehbar, dass sich diese persönliche Furcht auch statistisch in einer erhöhten Zahl von Insolvenzen manifestieren wird.

In dieser Kette steht dann auch der Vermieter, dem die Einnahmen ausbleiben, von denen er das Haus und dessen Instandhaltung abbezahlt. Am Ende stehen die Banken, die das auffangen sollen.

Ich kann an dieser Stelle die volkswirtschaftlichen Folgen leider nicht vertiefen,

(Zuruf von der CDU: Lösung!)

obschon sie von entscheidender Bedeutung sind. Sicher ist aber, da wird auch kein weiterer Nullzins und da werden erst recht keine Eurobonds helfen. Ganz im Gegenteil.

Wir haben auch menschliches Leid. Da ist die Tochter, die ihre Mutter nicht mehr im Altenheim besuchen darf, und da ist die Mutter, die keinen Besuch mehr von ihrer Tochter oder ihrem Sohn erhalten darf. Da sind die Paare und Familien, die nun neu lernen müssen, sich 24 Stunden an sieben Tagen der Woche

auszuhalten. Trotzdem bleiben die Menschen, bleibt die ganz große Mehrheit der Bürger ruhig und besonnen. Fast alle halten sich an die veränderte eingeschränkte Lebensweise.

Aber während wir dankbar aufs Volk blicken, fragt man sich schon, lieber Herr Laschet: Was hat Sie eigentlich dazu getrieben? Wird Ihnen der Druck, der Wettbewerb um den CDU-Vorsitz, der Streit um die Kanzlerkandidatur zu viel? – Und das alles noch in Zeiten von Corona, in denen sich die jeweils Regierenden in einem Überbietungswettbewerb in Sachen tatsächlicher oder angeblicher Handlungskompetenz sehen.

Nicht nur Ihr verunglückter, ja verfassungswidriger Gesetzentwurf, den wir hier später debattieren, nicht nur Ihr kleines PR-Desaster mit dem falsch angelegten Mundschutz, nein, auch Ihr letztes Video war wieder mal mehr als skurril. Da feiern Sie sich doch allen Ernstes dafür ab und geben sich geradezu beseelt, dass Sie gegen den Bundesinnenminister Grenzkontrollen und Untersuchungen auf Corona an der NRWWestgrenze zu Belgien und den Niederlanden verhindert hätten.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Das ist wahr!)

Während Sie das EU-trunken feiern, meldet das Auswärtige Amt zu Belgien – ich zitiere –:

„Die Ausbreitung der Atemwegserkrankung

COVID-19 führt auch in Belgien zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen mit Temperaturmessungen und Einreisesperren.“

Das ist echt ein Erfolg, Herr Laschet. Das muss ich Ihnen sagen.