Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Oder ist der Grund Ihrer Tatenlosigkeit im Falle thyssenkrupp nicht genau jene Industriekultur, Herr Laschet, die Sie vorgeben zu schützen: Mitbestimmungsrechte, starke Gewerkschaften, ein hoher Organisationsgrad in der Belegschaft? Fällt diese Burg der Sozialpartnerschaft in Nordrhein-Westfalen, dann ein weiteres Hindernis für Ihre Marktentfesselungsideologie aus dem Weg geräumt. Ist das der wahre Grund, Herr Kollege Laschet? Herr Ministerpräsident, ist das der wahre Grund? Wenn nicht, dann beweisen Sie es! Handeln Sie jetzt! Noch ist es nicht zu spät.

Draußen auf dem Rhein demonstrieren die Beschäftigten für ihre Arbeitsplätze und ihre Mitbestimmungsrechte. Sie sind wütend, weil sich ihr Ministerpräsident bisher nicht für ihre Interessen eingesetzt hat. Und dabei ist doch sein Motto: Zuhören. Entscheiden. Handeln.

Was ist denn dieses Motto tatsächlich wert? Wenn Ihren Worten, Herr Ministerpräsident, keine Taten folgen, dann werden die Menschen in NordrheinWestfalen schon bald Ihre Floskelungeheuer unter einer Platte aus Argwohn und Nichtbeachtung begraben und vermodern lassen. Das ist so Herr Laschet; Sie werden das erleben.

Noch ist es nicht so weit. Die Arbeiterinnen und Arbeiter von thyssenkrupp haben sich auch deshalb zu einer Demonstration auf einem Schiff auf dem Rhein aufgemacht, weil sie die Hoffnung nicht aufgegeben haben. Sie hoffen immer noch auf ihren Ministerpräsidenten.

Gewiss, Herr Ministerpräsident, Sie können dem Konzern keine Befehle erteilen. Ich weiß das; wir wissen das; die Beschäftigten wissen das auch.

(Bodo Löttgen [CDU]: Warum schreibt ihr es dann in den Antrag?)

Aber Sie können Druck machen und einen Krach anfangen. Sie können einen Stahlgipfel einberufen, Alternativen entwickeln, überzeugen und vermitteln. Sie hätten uns an Ihrer Seite, und Sie hätten die Beschäftigten an Ihrer Seite, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, meine Damen und Herren, einen solchem Kampf kann man auch verlieren. Aber das ist doch kein Grund, ihn gar nicht erst zu führen. Die Beschäftigten wollen Sie kämpfen sehen, Herr Ministerpräsident. Fangen Sie endlich damit an! Fangen Sie endlich damit an, hier in Nordrhein-Westfalen Krach zu schlagen!

(Beifall von der SPD)

Herr Kollege Römer, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche …

Die Stahlsparte von thyssenkrupp muss mit Konzernsitz und Montanmitbestimmung in Nordrhein-Westfalen bleiben, und dafür werben wir gleich in namentlicher Abstimmung um Zustimmung – auch bei den Regierungsfraktionen. – Vielen Dank und Glück auf!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Ich gehe davon aus, dass Sie eben nicht gehört haben, dass ich Sie unterbrechen wollte. Es gab nämlich den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

(Zuruf)

Gut, die hätten Sie nicht zugelassen. Dann danke ich Ihnen für Ihren Redebeitrag. – Für die CDUFraktion hat Herr Kollege Löttgen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 22. September dieses Jahres habe ich eine Pressemitteilung von Herrn Römer und Herrn Groschek erwidert mit der Überschrift: Mehr Scheinheiligkeit geht nicht. – Wir haben heute erlebt, dass diese Überschrift gerechtfertigt ist, und ich will das im Folgenden nachweisen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mindestens seit März 2016 wurde presseöffentlich über die Frage einer Fusion zwischen thyssenkrupp Steel und Tata spekuliert. CDU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben in der Folge im April

2016 jeweils Anträge zu diesen Themen im Landtag gestellt.

Ende April 2016 forderte der Betriebsrat die damalige rot-grüne Landesregierung und die Ministerpräsidentin zur Unterstützung gegen die Fusionspläne auf. Damals ließ Hannelore Kraft auf „dpa“-Anfrage mitteilen:

„Wir tauschen uns immer wieder eng mit Betriebsrat, Unternehmungsleitung und Gewerkschaft über die aktuelle Situation aus, und wir setzen uns dabei für eine gute Zukunft des Stahlstandorts Duisburg und der Arbeitsplätze ein.“

In der Plenarsitzung am 14. September 2016 forderte der Landtag mit Mehrheit von SPD und Grünen, die damalige Landesregierung von Hannelore Kraft auf – so stand es in dem Antrag –, sie

„... solle sich mit Nachdruck in Berlin und Brüssel für den Erhalt einer starken Stahlindustrie einsetzen. … Nur so können die hochwertigen Arbeitsplätze der deutschen Stahlindustrie für die Zukunft nachhaltig gesichert und der Wohlstand unseres Landes weiter gewährleistet werden.“

Sucht man heute im Internet mit den Begriffen „thyssenkrupp“, „Fusion“ und „Hannelore Kraft“, dann fällt auf, dass zwischen September 2016 und dem 13. April 2017 keine einzige Meldung zu diesem Thema veröffentlicht wurde:

(Zuruf: Aha!)

kein Pressebericht, keine Stellungnahme der rot-grünen Landesregierung zum Stand ihrer ja versprochenen Bemühungen – nichts, Funkstille in Sachen Fusion.

Dann allerdings meldet sich Hannelore Kraft in der „Rheinischen Post“ in einem Artikel unter der Überschrift „Stahlfusion mit Indern rückt näher“, also am 13. April 2017, mit einem erstaunlich klaren Statement zu Wort.

„Gewerkschaftler und Politiker sind in die Vorgänge eng eingebunden.“

Warum hat man davon nichts gehört?

„Aus Sicht der IG Metall muss es Garantien für Standorte, Arbeitsplätze und die Mitbestimmung geben.“

Und dann – Achtung! – ist dort zu lesen:

„‘Die Politik tut gut daran, unternehmerische Entscheidungen nicht zu beeinflussen‘, fügte Kraft hinzu.“

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf: Hört, hört!)

Da fragt sich doch, sehr geehrter Herr Römer, der geneigte Leser: Warum einen Monat vor der Landtagswahl dieser Satz, der glasklar die Fusion als gegeben hinnimmt?

Auch die Antwort ist glasklar: weil die damalige Ministerpräsidentin und die SPD zu diesem Zeitpunkt fest damit rechneten, ihre Regierung fortsetzen zu können, weil sie taktisch die Begründung für ihre Erfolglosigkeit in den Gesprächen mit der Betriebsleitung und dem Betriebsrat für die Zeit nach der Landtagswahl vorbereiten wollten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber es kam anders, lieber Herr Römer. Um vollends in die Verantwortungslosigkeit zu fliehen, legte Hannelore Kraft ohne Notwendigkeit zur Unzeit in einer für den Konzern zukunftsentscheidenden Phase Ende Juni ihr Mandat bei der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung nieder. Den verminderten Einfluss der Landesregierung auf das Schicksal des 206 Jahre alten Unternehmens nahmen Sie damit billigend in Kauf.

Was für eine wirtschaftspolitische Bankrotterklärung auf Kosten der nachfolgenden Regierung!

(Beifall von der CDU und der FDP – Marc Her- ter [SPD]: Das ist ja das Allerletzte! – Zuruf von Norbert Römer [SPD])

Und damit, sehr geehrter Herr Römer, nicht genug: Um vom eigenen Versagen bestmöglich abzulenken, bog die SPD-Opposition bei der erstbesten Gelegenheit mit einem Antrag um die Ecke – ihre Kenntnis der Sachlage ignorierend und

(Michael Hübner [SPD]: Wer regiert eigent- lich?)

der Aussage Ihrer damaligen Ministerpräsidentin diametral entgegenstehend –

(Marc Herter [SPD]: Gute Oppositionsrede, aber Sie regieren doch, Herr Löttgen!)

und fordert in ihrem Antrag vom 5. September die Landesregierung und Ministerpräsident Armin Laschet auf, sich gegenüber der Konzernleitung gegen die Fusion und für eine Suche nach alternativen Lösungen einzusetzen.

(Michael Hübner [SPD]: Ja klar, was denn sonst?)

Mit anderen Worten: Sie wollen unternehmerische Entscheidungen beeinflussen, Herr Römer,

(Michael Hübner [SPD]: Aber sicher im Inte- resse des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Löttgen!)

während Sie eben noch das Gegenteil behauptet haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dieser Antrag, Herr Römer, muss heute im Licht der damals bereits bekannten Demonstration am 23. September neu bewertet werden. Sie wollten durch Einbringung dieses Antrags den 7.000 Stahlkochern in unlauterer Weise vorgaukeln, es gebe Alternativen, obwohl Sie es schon lange besser wussten. Sie wollten den Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen, weismachen, zum Problem sei die Fusion erst mit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die NRW-Koalition geworden.