Viele Punkte aus dem Antrag der Grünen sind inzwischen auch aufgrund der Entwicklungen der letzten Tage bereits umgesetzt. Ich fasse zusammen:
Aus der Beschlussfassung des Antrages hat sich Punkt 1 seit Dienstag erledigt. Punkt 2 wurde auf Bundesebene so beschieden. Punkt 3 war schon bei der Antragstellung überholt. Punkt 4 muss an anderer Stelle geklärt werden.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Oellers. – Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Weng das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Applaus bekommen Künstler, in Coronazeiten auch die Pflegenden – nett, ein Bonus ist besser. Wertschätzung hat viele Facetten. Systemrelevanz in dieser Zeit ist dennoch nicht ohne Beigeschmack.
Denn gebraucht werden in dieser Zeit die vielen, risikogefährdet in der ersten Reihe die Beschäftigten in der medizinischen Versorgung, belastet durch die pausenlose Versorgung mit notwendigen Gütern, Ehrenamtliche im Einsatz für die, die hinter den Türen bleiben müssen, und alle anderen, die in Kurzarbeit zu Hause durch Einhaltung von Regeln garantieren, dass unsere derzeitigen Risiken beherrschbar bleiben. Oft sind es die – wie gerade auch im Einzelhandel – mit prekären Einkommen, die den Laden hochgehalten haben. Sie hätten einen Bonus ebenfalls mehr als verdient.
Das politische Signal, den in der Pflege tätigen Menschen diese Prämie zu zahlen, ist richtig. Andere Bundesländer haben sich schneller dafür entschieden. Das zögerliche Verhalten der Landesregierung in NRW, Herr Minister Laumann, war für mich schwer nachzuvollziehen.
Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass es jetzt doch die Zusage für die Aufstockung der Prämie gegeben hat, denn wir wissen doch alle – übrigens nicht erst seit der Coronakrise –, dass das Pflegepersonal seit Jahren und auf absehbare Zeit höchsten psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist und bleibt. Aktuell gehen Pflegekräfte durch ihre
tägliche Arbeit ein erhöhtes Risiko ein, selbst an COVID-19 zu erkranken. Zusätzlich müssen sie, wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch, die Kinderbetreuung und die übrigen Herausforderungen des Alltags bewältigen. Das alles müssen sie vor dem Hintergrund derzeit noch unangemessener Entlohnung und teilweise unzumutbarer Arbeitsbedingungen leisten.
53 Jahre lang arbeiten müsste, um eine Grundsicherung zu erreichen. Ich will nur noch mal daran erinnern. Deshalb, ganz verkürzt: Hände weg vom Mindestlohn! Die Diskussion haben wir gestern auch erlebt.
Aber die Heldinnen und Helden sind nicht nur in der Altenpflege beschäftigt. Was ist mit denen in den Pflegeeinrichtungen? Was ist mit denen in den Krankenhäusern? Was ist mit denen in den Behinderteneinrichtungen? Und was ist mit denen in der ambulanten Krankenpflege?
Anwalt der Pflege zu sein, Herr Laumann, bedeutet auch, Bereiche nicht zu spalten. Aktuell erhalten den Bonus ausschließlich Beschäftigte in der Altenpflege. Warum?
Ein weiterer Punkt: Was ist eigentlich mit all den anderen Berufsgruppen? Man weiß doch, dass Patienten-, Bewohner- und Klientenversorgung teamorientierte und interprofessionelle Prozesse sind. Noch konkreter: Circa 110.000 Pflegende in den Krankenhäusern, mehr als 12.000 Kinderpflegende und mehr als 12.000 Krankenpflegeassistentinnen gehen leer aus.
Alle Pflegenden bewähren sich im gleichen Arbeitsumfeld, mit ähnlichem Arbeitspensum und mit dem gleichem Risiko, sich zu infizieren. Sie, Herr Minister Laumann, haben sich so stark für die Generalistik eingesetzt – und jetzt das.
Sollte jetzt jemand nach der Finanzierung fragen: Wir sind zwischen Land und Bund mit der Finanzierung ja öfter mal zusammen unterwegs. Wir haben Milliarden, um die Industrie zu stützen und um Lufthansa bei der Steuerhinterziehung zu helfen. Aber auf gar keinen Fall sollten wir in Sachen Sorgearbeit eine Konkurrenzdebatte führen.
An dieser Stelle sei mir auch der Hinweis erlaubt, dass in der ambulanten Pflege 88 %, in den Krankenhäusern 75 % und in den Pflegeheimen 85 % der Belegschaften weiblich sind. Unter dem Aspekt der Gleichstellungspolitik hatten und haben wir demnach
noch viel zu tun. Um im Jargon zu bleiben: Wichtig ist eine Unterstützung, die der Systemrelevanz gerecht wird.
Die SPD-Fraktion hält die in dem vorliegenden Antrag vorgebrachten Forderungen für richtig. Dass der Pflegebonus realisiert wird, begrüßen wir. Dieser darf jedoch nicht als Pflaster für die sehr viel tiefer liegende, uralte Ungerechtigkeitswunde im Gesundheits- und Sozialwesen begriffen werden. Den Beschäftigten ist das sehr bewusst.
Was wir jetzt brauchen – jetzt! –, ist ein Tarifvertrag für soziale Arbeit; einen Tarifvertrag mit gesicherten Arbeits-, Arbeitsschutz-, und Einkommensverhältnissen, mit angemessenen Entlohnungen und gerechten Arbeitsbedingungen. Dabei, Herr Laumann, haben Sie uns komplett an Ihrer Seite. Genau dann wird aus dem Applaus vom Balkon der wirkliche Respekt und die Anerkennung, die diese Berufe verdient haben. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Weng. – Als nächste Rednerin hat nun für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Schneider das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In einer Debatte, in der es eigentlich um Pflege geht, einem großen deutschen Unternehmen, das viele Tausend Menschen beschäftigt, unserer Lufthansa, von diesem Redepult aus Steuerhinterziehung vorzuwerfen – das muss man schon wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.
(Beifall von der FDP – Christina Weng [SPD]: Das habe ich heute in der Presse gelesen, das steht da geschrieben!)
Eigentlich wollten wir über Pflege sprechen. In diesen Zeiten erleben wir, was Pflege leistet, was Pflege leisten muss und leisten kann. Ich danke hier noch mal jedem, der in diesem wunderbaren Beruf arbeitet und sich tagtäglich für andere Menschen einsetzt, andere Menschen pflegt, Menschen heilt und Leiden lindert. Herzlichen Dank von dieser Stelle aus: Ihr macht einen tollen Job – und das sage ich gerne auch im Namen meiner FDP-Landtagsfraktion.
Wir haben uns hier im Landtag schon mehrfach für diese wichtige Arbeit bedankt. Es wird seit Wochen abendlich geklatscht. Das ist immerhin endlich mal eine gewisse Wertschätzung und Anerkennung für diesen Beruf, die wir früher noch nicht hatten. Ich bin froh, dass wir so weit gekommen sind.
Unsere Pflegekräfte verdienen es natürlich, angemessen entlohnt zu werden. Ja, derzeit ist die Entlohnung in einigen Bereichen – nicht in allen, aber in einigen – sicher noch zu gering. Eine nachhaltige Änderung dieser Situation ist aber nicht Aufgabe des Parlaments, sondern der Sozialpartner.
Werte Kolleginnen und Kollegen, der nun auf den Weg gebrachte Pflegebonus ist eine einmalige Anerkennung in einer Sondersituation. Er hilft den Menschen, die während dieser Pandemie in Pflegeeinrichtungen besonders großen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind und waren. Er ist ohne Zweifel verdient, aber eben nur eine Einzelmaßnahme und keine dauerhafte Lösung. Er belohnt eine Leistung, die eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung hat.
Daher muss auch sichergestellt werden, dass diese Belohnung von der Gesamtgesellschaft erbracht wird. Ich bin dankbar für die NRW-Initiative im Bundesrat und danke unserem Landesgesundheitsminister dafür, dass das auch immer wieder klar und deutlich herausgestellt wurde.
Es ist sehr zu begrüßen, dass mit dem neuen Gesetz eine Belastung der Pflegebedürftigen mit den Kosten für den Pflegebonus ausgeschlossen wird. Das muss in gleicher Weise aber auch für alle Versicherten gelten. Insofern muss der Anteil des Bundes von zwei Dritteln der Sonderzahlung auch aus Steuermitteln des Bundes refinanziert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der Grünen kommt jetzt ein bisschen zu spät. Der Bundesrat hat bereits am 15. Mai 2020 getagt. Obwohl Sie in Ihrem Begründungstext Bezug auf die Initiative des Landes NRW nehmen, bin ich mir nicht ganz sicher, ob Sie die darin enthaltenen Punkte wirklich zur Kenntnis genommen haben.
Das ist aber eigentlich unerheblich, weil Sie auch allgemein zu spät sind. Denn am Dienstag dieser Woche hat das nordrhein-westfälische Kabinett die Aufstockung des Pflegebonus für Beschäftigte in der Altenpflege auf bis zu 1.500 Euro beschlossen. Die Mittel dafür werden aus dem NRW-Rettungsschirm bereitgestellt.
Dem Hauptanliegen Ihres Antrags ist damit also schon Rechnung getragen. Sie bräuchten ihn eigentlich nicht zur Abstimmung zu stellen.
Werte Kollegen, offenbar wollen Sie jetzt aber im Fahrwasser der Coronakrise im letzten Punkt Ihres Antrags noch schnell ein grundsätzliches Anliegen verstecken. Mal eben so nebenbei soll der Landtag beschließen, wie eine Reform der Pflegeversicherung auszusehen hat. Ich stimme Ihnen ja darin zu, dass bei der Pflegeversicherung grundsätzlich Handlungsbedarf besteht. Aber es ist dem Thema sicher nicht angemessen, ein solches Reformvorhaben mal
Insofern merkt man auch am Handwerklichen, dass es sich letztendlich nur um einen Showantrag von Ihnen handelt.
Ja, die Pflegeversicherung muss grundsätzlich neu organisiert werden. An mehr Eigenverantwortung und mehr privater Vorsorge führt kein Weg vorbei. Ziel muss ein Drei-Säulen-Modell sein, das sich aus sozialer Pflegeversicherung, privater Pflegevorsorge und betrieblicher Pflegevorsorge zusammensetzt. Nur so können wir neue und immer weitere Beitragserhöhungen vermeiden.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wahrscheinlich wollten sich die Kollegen der Grünen mit ihrem Antrag ein Fleißkärtchen erarbeiten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Dr. Vincentz das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg möchte ich eines klarstellen: Ich gönne jedem diesen Bonus, den er jetzt bekommt, und zwar gleich aus verschiedenen Gründen.
Der erste und wichtigste Grund ist, dass diese Zeit natürlich keine einfache ist. Wenn man sich vor Augen führt, dass in Altenheimen, in denen Besuchsverbote für Angehörige bestanden, die Pflegekräfte es oft auffangen mussten, wenn Patienten mit einer demenziellen Entwicklung gegebenenfalls nicht verstanden haben, was dort passiert, kann man sich ungefähr vorstellen, welche Unruhe dort auftritt. Daher kann ich den Bonus tatsächlich jedem nur absolut gönnen.