Dann werden die Tests ausgeweitet. Nach dieser Krise werden wir auch intensiver über die Arbeitsbedingungen dort sprechen müssen.
Es geht jetzt nicht um parteipolitische Zuweisungen. Ich will hier nicht berichten, woher Werkverträge kommen, wer sie einmal eingeführt hat und wie sie missbraucht worden sind. Wir alle haben in all den Jahren irgendwann einmal regiert.
Er ist nicht immer durchgedrungen. Er ist auch nicht immer in seiner Partei durchgedrungen. Er ist auch nicht in Großen Koalitionen durchgedrungen. Aber wir haben jetzt in der Kombination mit dieser Pandemie in Zusammenarbeit mit Hubertus Heil, dem Bundesarbeitsminister, der einen Eckpunkteentwurf für das Bundeskabinett vorgelegt hat, die einzigartige Chance, diese Zustände zu beenden.
Wenn denn die Pandemie, die schrecklich ist, einen Hauch an Positivem hat, dann ist es, dass sie das Brennglas auf den Zustand in unserer Gesellschaft gerichtet hat, und zwar nicht nur auf die Rückstände bei der Digitalisierung und anderen Themen, sondern auch auf diese große soziale, humanitäre Frage.
Wir haben die riesige Chance, in der Großen Koalition in Berlin durch Gesetze einen Zustand zu beenden, dem wir viel zu lange zugeschaut haben. Das können wir gemeinsam schaffen.
Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser wird am kommenden Freitag hier in Düsseldorf gemeinsam mit Bundesernährungsministerin Julia Klöckner und der Landwirtschaftsministerin aus Niedersachsen, Barbara Otte-Kinast, ein Branchengespräch Fleisch veranstalten. Dort sollen die ersten Voraussetzungen geschaffen werden, um Missstände zu beenden.
Viertens sehen wir die Unternehmen in der Region ebenfalls in der Verantwortung. Wir haben ca. 25 Subunternehmer in unterschiedlicher Qualität im Kreis tätig. Man weiß nicht einmal genau, bei welchen Unternehmen sie tätig sind.
Das war übrigens auch über das Wochenende das Problem, dass nicht einmal die Namen der Mitarbeiter und ihre Adressen verfügbar waren. Deshalb
haben wir bei der Bezirksregierung in der letzten Woche um 1:30 Uhr in der Nacht die Adressen beschlagnahmt, um überhaupt zu wissen, wie wir handeln können.
Aber wir wissen nicht, wo überall Werkvertragsunternehmer tätig sind. Deshalb haben wir mit den Industrie- und Handelskammern verabredet, dass sie die Unternehmen bitten, alle die Menschen zu testen, die im Rahmen von Werkverträgen tätig sind, um auch da Sicherheit zu haben.
Fünftens: Die Vorsorge für die medizinische Versorgung – das habe ich bereits erwähnt – ist ebenfalls getroffen.
In diesen Tagen merken wir aber auch, dass wieder eine Abwägung erforderlich ist. Mich wundert es immer, wie leichtfertig manche bereit sind, Grundrechtseinschränkungen ohne jedes Hinterfragen in Kauf zu nehmen.
Ja, es war nötig, die Gewerbefreiheit, die Bewegungsfreiheit, die Religionsfreiheit und am Anfang sogar das Demonstrationsrecht einzuschränken, weil die Krise groß war und die Katastrophe drohte.
Aber ich erwarte von jedem, der in einem Staat Verantwortung trägt, von jedem Regierungschef, dass er sich morgens, wenn er aufsteht, die Frage stellt: Ist dieser Grundrechtseingriff noch nötig? – Wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass das der Fall ist, wird der Eingriff verlängert.
Es geht aber gar nicht, jeden Morgen zu überlegen, was man noch einschränken und verbieten könnte. In einem liberalen Rechtsstaat ist das Hinterfragen der eigenen Position das Entscheidende.
Die menschlichen Schicksale sind natürlich auch entsprechend. Wir, wahrscheinlich wir alle, bekommen viele Briefe – viel Zustimmung, wenn man Öffnungen vornimmt, und genauso viel Kritik, wenn man Öffnungen vornimmt. Diese Abwägung geht durch jede Familie.
Mir haben die Menschen geschrieben: Mein Vater hat den Lebenswillen verloren; ihn besucht keiner mehr; er ist auch dement; er ist verstorben, weil ihn in einer bestimmten Phase keiner mehr besuchen konnte. – Auch das ist ein Opfer.
Auf der anderen Seite dieses Abwägens stehen andere Äußerungen. Ein Vorsitzender eines AWOOrtsverbandes hat mir geschrieben: Die Nutzer unserer Einrichtung sind zu 95 % alleinlebend und müssen aus ihrer Vereinsamung heraus. Ändern Sie da etwas.
Eine Psychotherapeutin berichtet: Ich sehe, wie Angst und Sorge zunehmend Macht über die Menschen bekommen und sie lähmen. Viele resignieren. Wir haben junge Familienväter mit suizidalen Gedanken und insgesamt steigende Zahlen von Depressionen. – Auch das ist die Folge von harten Maßnahmen und steht auf der anderen Seite der Medaille.
Eine Großmutter, die sich um die Zukunft ihrer Enkel sorgt, schreibt: Bitte bleiben Sie bei Ihrer Linie, und öffnen Sie mit Bedacht die Schulen und Kitas. – Andere schreiben einem das glatte Gegenteil.
In dieser Lage muss man verantwortlich abwägen, und zwar immer wieder jeden Tag neu und unter dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, der Differenzierung und der Eigenverantwortung der Menschen.
Das ist der Teil, den wir alle im Blick haben und über den wir uns hier unter weiteren Tagesordnungspunkten noch austauschen werden.
Der zweite große Teil, der jetzt auf die Menschen zukommt, sind die wirtschaftlichen Folgen. Millionen Menschen sind in Kurzarbeit und wissen nicht, ob die Kurzarbeit danach in Arbeitslosigkeit übergeht. Die Zahl der Insolvenzen wird zunehmen. Steigende Arbeitslosigkeit ist eine Aufgabe, die jeden politisch Aktiven in den nächsten Jahren beschäftigen wird.
Deshalb hat sich die Landesregierung intensiv mit den Fragen der wirtschaftlichen Folgen für unser Land befasst. Wir haben mit umfangreichen Soforthilfen sehr schnell reagiert. Viele deutsche Länder haben gelobt, wie schnell die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bezirksregierungen an einem Wochenende und danach inzwischen 425.000 Anträge bearbeitet und 4,5 Milliarden Euro an Menschen, die in direkter Not waren, weil ihre Existenzen zusammenbrachen, ausgezahlt haben. Zudem haben wir Kredite in Milliardenhöhe vergeben.
Gleichzeitig müssen wir im Blick haben, welche konjunkturellen Maßnahmen jetzt erforderlich sind. Damit hat sich, nachdem die Bundesregierung ihr Bundespaket vorgelegt hat, auch das Landeskabinett am gestrigen Tage beschäftigt.
Für die Bundesberatungen hatten wir ein 10-PunkteImpulspapier vorgelegt, das drei Grundideen aufwies.
Erstens: Liquidität der Unternehmen jetzt herstellen, damit sie nicht insolvent gehen. Dazu sind die Anhebung der Verlustrückträge und viele andere technische Mittel, die Liquidität in die Unternehmen bringen, vorgesehen.
Drittens: den privaten Konsum wieder anstoßen, damit die Kaufkraft im Land wieder gestärkt werden kann.
Dann gab es noch die große Frage, wie wir die Kommunen in dieser Lage unterstützen können. Auch hier ist es parteiübergreifend gelungen, die größte Entlastung der Kommunen seit Jahrzehnten auf der Bundesebene zu erreichen. Es gab die Debatte über den Altschuldenfonds. Ich hätte ihn unterstützt; wir haben ihn unterstützt. Aber er hat keine Mehrheit gefunden.
In den eigenen Reihen nicht, bei den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten gab es auch keine Begeisterung, und Winfried Kretschmann hat energisch dagegengeredet. Für eine Hilfe für diese vier Länder gab es also keinen breiten Konsens.
Wir haben gesagt: Dann brauchen wir aber etwas anderes, und zwar eine strukturelle Entlastung, die die Kommunen spüren.
Zurzeit brechen die Gewerbesteuereinnahmen ein. Das wird jetzt komplett kompensiert. Der Bund übernimmt die eine Hälfte, und das Land Nordrhein-Westfalen – gestern beschlossen – steuert 1,6 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln bei, sodass die Kommunen den kompletten Wegfall der Gewerbesteuereinnahmen durch Bund und Land erstattet bekommen.