Protokoll der Sitzung vom 26.06.2020

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Ott noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wüst, ich habe selten – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – einen so schwachen Auftritt eines Ministers gesehen. Eine Führungskraft sieht anders aus.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Potz Blitz! Der Minister hat im Ausschuss stundenlang einen Bericht vorgelesen, um gar keinen Fehler zu machen, und nun stellt er sich hierhin und sagt, wir sollten den lesen. Wir haben den gelesen, Herr Minister. Darum geht es gar nicht.

Das Problem ist, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es geht. Eine Führungskraft hätte in dieser Situation früher eingreifen müssen. Das haben Sie nicht getan. Sie haben nicht eingegriffen, weil Sie auch auf Bewährung bei Laschet waren,

(Vereinzelt Lachen von der CDU)

sondern sich auf Ihren Staatssekretär verlassen.

Aber der absolute Witz in Tüten ist, dass Sie sich hier im Parlament hinstellen und sagen, dass der Staatssekretär doch kein Baustellenleiter ist. Es ist der Staatssekretär, der in allen Runden dabei war. Jeder, der hier sitzt, weiß ganz genau, welche Rolle ein Staatssekretär in einer solchen Runde spielt, und jeder hier weiß auch, dass das Organigramm von Straßen.NRW von ihm im Ministerium entwickelt worden ist. Jeder weiß um die Konflikte mit den Personalräten. Sich also hierhin zu stellen und so zu tun, als ob der Staatssekretär mit nichts zu tun hätte, ist ein Witz in Tüten.

Jetzt sage ich Ihnen noch eines – wir hatten das schon einmal mit den Kolleginnen und Kollegen der FDP beim Thema „Digitalbus“ –: Als die rot-grüne Landesregierung über die Frage der Beamtenbesoldung gestritten hatte, gab es unter anderem Gespräche mit dem Präsidenten des Landesrichterbundes und den Vorstandsmitgliedern. Die haben im Gespräch gesagt: Nein, den Kaffee zahlen wir selbst. – Warum? Weil sie gesagt haben: Wir wollen gar nicht erst den Anschein erwecken, dass wir mit Ihnen näher zusammenarbeiten. Da haben wir gesagt: Das sind doch nur 2,50 Euro. Das kann doch nicht wahr sein. – Da sagten die Richter, das gehe so nicht.

Und jetzt erzählen Sie hier, dass es nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz nötig sei, nachzuweisen, dass der Staatssekretär auf seinem Balkon mit seinen Ex-Kollegen gesprochen hat. Ich bitte Sie, Herr Wüst! Das ist doch kein Umgang mit so einem Problem.

Es geht hier einzig und allein um die Frage: Hat sich Minister Groschek bei anderen Projekten selbst aus dem Rennen genommen, oder hat er es nicht? Und hätten Sie, insbesondere da er ein Fachmann, aber nicht der oberste Baustellenleiter ist, nicht die Sensibilität, die Verantwortung haben und sagen müssen:

„Ich nehme mich aus dem Zeichnungslauf heraus, ich steige da aus, ich mache das nicht in dieser Form“?

(Beifall von der SPD)

Das haben Sie nicht getan. Wir werden das prüfen lassen. Wir werden hier weiter darüber diskutieren. Denn es entsteht der Eindruck, dass mit dem ehemaligen Arbeitgeber anders umgegangen worden ist.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Der Eindruck ent- steht aber nur bei Ihnen!)

Ich wäre nicht noch einmal so deutlich geworden, hätten Sie sich hier nicht so schwach verteidigt.

Eines muss man sich auch deutlich vor Augen führen: Wir sind uns bei diesem Projekt darüber im Klaren, dass eine Kündigung rechtlich sauber sein muss, dass sie gut vorbereitet sein muss. Der Kollege Klocke hat allerdings recht: Sie hätten angesichts der Dimension erkennen müssen, dass eine Beteiligung des Parlaments vernünftig gewesen wäre, und Sie hätten außerdem erkennen müssen, dass es in Ihrem eigenen Interesse gewesen wäre, Klarheit bei denen zu schaffen, die für Sie verhandeln.

Wer die Chefin von Straßen.NRW über ein Jahr im Grunde genommen auf die Abschussliste setzt und das auch in der Landschaft kommuniziert, der schwächt sie, wenn er gleichzeitig meint, dass sie diejenige sei, die diesen Konflikt klären solle. Ich hoffe sehr, dass Sie die Standortverwaltungen, die schon jetzt ziemlich irritiert sind wegen des Übergangs in die Bundesautobahngesellschaft und der Frage, was bei Straßen.NRW passiert, mit ins Boot nehmen; denn da vor Ort ist eine Menge los.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Sie mit Ihrer Politik Vertrauen bei den Beschäftigten schaffen. Wir brauchen gut qualifizierte Mitarbeiter bei Straßen.NRW. Wir brauchen gute Leute, die auch den Mut haben, dem Staatssekretär zu sagen, man müsse kündigen, anstatt in vorauseilendem Gehorsam etwas anderes tun. Deshalb muss das klare Signal sein: Sagt, was fachlich geboten ist. – Anders geht es nicht.

Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst auch über die Fragen diskutieren müssen: Ist der Übergang gut organisiert? Wie ist der Prozess organisiert, und wie ist sichergestellt, dass die Fehler, die geschehen sind, nämlich das Nichtaufnehmen eines Balls der Fachexpertise, in Zukunft vermieden werden?

Eines sage ich Ihnen, Herr Wüst: Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mir meine Reden nicht vom Haus aufschreiben lassen. Deshalb verwehre ich mich auch dagegen, so billige Polemik loszuwerden.

Und ich sage Ihnen noch etwas: Wir werden diese Debatte fortsetzen. Sie können dem nicht entkommen. Wer hier so tut, als sei alles in Ordnung, und

nicht erkennt, dass allein die Medien über mehr Informationen verfügen als dieses Parlament, der ist letztlich nicht geeignet für eine solche Funktion.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Lehne.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist das für eine Aktuelle Stunde? Die SPD findet sie so interessant, dass sie hier minimal vertreten ist, und die Pressebank ist auch nicht gerade gefüllt.

Es werden Vorwürfe und pauschale Behauptungen ohne jeglichen Inhalt ausgepackt, und zwar wiederholt, trotz Richtigstellung des Ministers. Es wird eine Persönlichkeit angegriffen, die in ihrem Leben viel geleistet, gearbeitet und eine ordentliche Ausbildung gemacht hat, als Staatssekretär eine super Funktion ausübt, ohne dass man irgendetwas in der Hand hätte, mit dem man ihn tatsächlich angreifen könnte. Das ist meines Erachtens an Unanständigkeit nicht zu überbieten.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Was Sie wollen, ist etwas anderes. Sie wollen ablenken von Ihrer desolaten Politik unter Rot-Grün,

(Lachen von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Oh Gott, oh Gott!)

von der völligen Verwahrlosung der Infrastruktur, die Sie in Nordrhein-Westfalen hinterlassen haben, und von der Nichtleistung, die Sie erbracht haben.

Ich erinnere hier nur an 2005, obwohl ich das noch weiter fortführen könnte. 2012 war es nämlich ähnlich. Wir haben keinerlei Planungen gefunden, die man in Berlin hätte abgeben können, um Geld nach Nordrhein-Westfalen zu holen, und dann wunderte man sich, dass es nach Baden-Württemberg, Bayern oder sonst wo hinging.

(Christian Dahm [SPD]: Was ist das wieder für eine alte Leier?)

Das ist keine alte Leier, das ist eine Tatsache. Und an Ihrem roten Kopf sieht man, dass ich verdammt recht haben muss.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Nur weil Sie keine Emotionen haben, haben Sie auch so wenig Farbe!)

Sie erklären hier, man müsse das europäische Recht ändern, und haben noch nicht einmal die Einsicht, dass die Ausschreibung damals falsch gestaltet wurde. Unser Minister hat jetzt Gott sei Dank eine

neue und bessere Ausschreibung vorgenommen, die eine gewisse Einflussmöglichkeit bietet, was Sie versäumt haben. Angesichts Ihrer Ausführungen kann man nur fassungslos sein. Das ist mehr als eine Märchenstunde und nur noch peinlich.

Herr Strotebeck, auch Sie haben von einer Affäre gesprochen. Auch Sie haben Dinge erwähnt, die mich fassungslos machen, weil sie gegen geltendes Recht verstoßen. Man muss sich bei einem solchen Projekt an Richtlinien halten und auch dementsprechend ausschreiben. Das mag Ihnen nicht passen, aber es ist eine Tatsache. Sie sagen: Ich will hier keinen chinesischen Stahl. – Wenn Sie Ihre Unterlagen richtig gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass das Problem nicht der Stahl an sich ist, sondern die Art der Bearbeitung des Stahls.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass es eine solche Aktuelle Stunde nicht mehr geben wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lehne. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde angelangt, und ich schließe Tagesordnungspunkt 1.

Ich rufe auf:

2 Industriestandorte erhalten, Brachflächen ent

fesseln – Bestandsschutz für Flächen als Grundlage für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze im Ruhrgebiet schaffen!

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/9822

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hovenjürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben diesen Antrag vorgelegt, weil wir möchten, dass im Ruhrgebiet Arbeit etaliert werden kann und Arbeit erhalten bleibt.

Viele gehen davon aus, dass das Ruhrgebiet immer noch der industrielle Schwerpunkt Nordrhein-Westfalens ist. Mit Blick auf die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse müssen wir jedoch zur Kenntnis nehmen, dass mittlerweile vier andere Regionen des Landes mehr Arbeitsplätze dieser Form aufweisen als das Ruhrgebiet. Das sind Südwestfalen, das Münsterland, Ostwestfalen-Lippe und das Bergische Land.

Wer für 5 Millionen Menschen im Ruhrgebiet Arbeit generieren will, der braucht dafür auch Fläche. Ja, wir haben das Ruhrgebiet fortentwickelt, auch zu einem Bildungsstandort, zu einem Forschungsstandort. Wir haben das Ruhrgebiet zu einem Bereich fortentwickelt, in dem Innovation vorhanden ist. Aber wir müssen aus dieser Innovation auch Arbeit generieren können, und dazu bedarf es Fläche.

Wenn wir bei der Erstellung des Regionalplans feststellen, dass wir insbesondere in den Großräumen, in den sogenannten Ballungsräumen, kaum Fläche zugestehen können, weil es sie dort nicht gibt, macht das deutlich, dass dieser Antrag wichtig ist und dass wir vorhandene Flächen nicht weiter verlieren dürfen.