Nun erwarte ich nicht, dass unser Verkehrsminister Wüst sich von einem fernöstlichen Tugendratgeber leiten lässt. Ich erwarte aber, dass Herr Minister Wüst sich beim Thema „fernöstlicher Stahl“ endlich von der preußischen Tugend „Aufrichtigkeit“ leiten lässt.
Herr Minister Wüst, ich empfand bislang sogar etwas Mitleid, dass Sie den rot-grünen Verkehrsscherbenhaufen der Vorgängerregierung aufarbeiten mussten.
Bei den Vorkommnissen um die Leverkusener Rheinbrücke erwarte ich, dass Sie den Landtag endlich ohne Einschränkungen zeitnah über alles informieren. Ich will weder aus der „Rheinischen Post“ noch vom WDR die wichtigen Informationen zu diesem Skandal erhalten, sondern primär von Ihnen. Wäre dies der Fall, könnte die SPD auch nicht fast im Monatsrhythmus eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragen.
Ich wies Sie, Herr Minister Wüst, im Verkehrsausschuss darauf hin, dass Sie uns immer noch einen Teil der Historie um den Chinastahl schuldig sind, und zwar alles, was 2018 passiert ist. Sollte Ihnen die Zeit dafür fehlen, dann empfehle ich Ihnen dringend, Ihr Abgeordnetenmandat zurückzugeben, sich in Vollzeit Ihrem Ministeramt zu widmen und sich darum zu kümmern.
Bereits im Januar 2018 habe ich hier im Plenum auf die Absurdität des Stahlimports hingewiesen. Im April dieses Jahres habe ich meine Kritik daran wiederholt und trage sie heute erneut vor: Wir benötigen keinen Stahl aus dem Ausland. Protektionismus kann Geld sparen. Protektionismus kann die Umwelt schonen. Protektionismus schützt deutsche Arbeitsplätze.
Und Protektionismus hätte in Leverkusen dafür gesorgt, dass eine so wichtige Verkehrsachse wie die Autobahn A1 über die neue Rheinbrücke mit deutschem Stahl nach deutschen Richtlinien vernünftig gebaut worden wäre.
Wenn die anderen Parteien nun die Hände in den Schoß legen und EU-Richtlinien vorschieben, die uns angeblich zwingen, chinesischen Stahl kaufen zu müssen, dann sage ich Ihnen: Solche EU-Regeln gehören aufgehoben – wie im Übrigen die gesamte EU in der aktuellen Form.
Die Volksrepublik China ist ein wichtiger Handelspartner des Landes Nordrhein-Westfalen – ohne Zweifel. Das erklärt möglicherweise unter anderem,
warum es trotz des Coronaausbruchs in China Ende 2019 für viele Wochen weitere Flüge zwischen Düsseldorf und China gab. Neben der Einflussnahme auf die WHO versuchte China auch – wie die Zeitung „DIE WeLT“ im April vermeldete –, auf die Bundesministerien Einfluss zu nehmen, um eigene Propaganda zum Ursprung der Coronapandemie zu verbreiten.
Es ist in letzter Zeit verstärkt davon zu lesen, dass China versuche, Einfluss auf Entscheidungen in Deutschland zu nehmen. Deswegen hatte ich im Rahmen einer Kleinen Anfrage Ende April gefragt: „Versuchte die VR China Einfluss auf die NRWRegierung zu nehmen?“ Die Antwort liegt nun seit wenigen Tagen vor. Unter anderem erfahre ich in dieser Antwort von Herrn Minister Wüst, dass es im April einen Fototermin zur Ankunft eines Güterzugs aus China im Duisburger Hafen gab. – Ich hoffe, dass in diesem Zug nicht wieder Bröselstahl war.
Noch interessanter ist bei der Antwort von Herrn Minister Wüst auf meine Kleine Anfrage aber folgender Teil – Zitat –:
„Inzwischen hat am 20. Mai 2020 ein Gespräch von Herrn Staatssekretär Dr. Schulte mit dem Generalkonsul Feng Haiyang zur Information über die Kündigung der Auftragnehmerin für den Bau der Leverkusener Rheinbrücke stattgefunden.“
Meine Vermutung: Wenn es für die Vertragskündigung überhaupt ein Gespräch auf Staatssekretärebene gab, wird es doch auch ein hochrangiges Gespräch zum Vertragsabschluss gegeben haben.
Herr Minister Wüst, ich frage Sie: Hat ein politischer Vertreter des kommunistischen China beim Erwerb von Chinastahl Einfluss geltend gemacht? Warum wurde der Generalkonsul überhaupt einbezogen?
Ich bedanke mich im Voraus für die konkrete Antwort auf diese konkreten Fragen. Schließen möchte ich, wie ich begonnen habe, mit einem Zitat von Konfuzius: Wissen, was man weiß; und wissen, was man nicht weiß – das ist wahres Wissen.
Vielen Dank, Herr Kollege Strotebeck. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Wüst jetzt das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der parlamentarische Diskurs lebt davon, dass man sich zuhört, dass man antwortet und aufeinander reagiert. Wir haben heute viel sterile Empörung vom Blatt abgelesen bekommen, die in keiner Weise auf das, was vorher gesagt worden ist, reagiert hat. Deswegen bin
Von den Sprechern von Rot und Grün wird so getan, als hätten wir mit der aktuellen Beantwortung einiger Fragen der SPD irgendwelche neuen Erkenntnisse offenbart. Die meisten der Antworten beginnen aber mit solchen Einführungen: Wie Ihnen schon im Bericht vom Soundsovielten mitgeteilt …, wie Ihnen schon im Ausschuss mitgeteilt …, wie schon vorher mitgeteilt …
Ähnlich verhält es sich hier und heute mit dem Kern des Vorwurfs, der weiteren Fragestellung und der Empörung: Ihr habt ja doch Bescheid gewusst. – Ja, potz Blitz! Wir haben Bescheid gewusst. Das habe ich Ihnen auch schon im Mai dieses Jahres in einem 18-seitigen Bericht – vielleicht war der einfach zu lang – für den Ausschuss mitgeteilt. Dort steht auf den Seiten 4 und 5:
„Das Verkehrsministerium war über den Bauablauf ständig informiert. Auch der Minister hat sich auf seinen ausdrücklichen Wunsch, wegen der Bedeutung des Projekts, regelmäßig informieren lassen. Dies versetzte die Hausspitze in die Lage, das Projekt kritisch zu begleiten.“
Was immer Sie hier überrascht hat, können Sie gleich noch mal beschreiben. Das jedenfalls kann Sie nur überrascht haben, wenn Sie die zur Verfügung gestellten Informationen bisher nicht durchgearbeitet haben.
Herr Strotebeck fragte nach dem Gespräch mit dem Generalkonsul. Auch darüber haben wir hier berichtet. Ein Gespräch hat allerdings nach dem Bericht stattgefunden, darüber konnten wir also nicht berichten. Weil die Zeitungen voll mit Kritik an chinesischem Stahlbau waren, war es schlicht so, dass der chinesische Generalkonsul gebeten hat, das mit ihm zu erörtern. Wenn ein Generalkonsul eines Landes die Landesregierung um ein Gespräch bittet, nimmt sie das wahr und erörtert. Das ist passiert – nicht mehr und nicht weniger.
Bevor noch einer sagt: „Das haben wir nicht gewusst“, erkläre ich: Wenn Sie die Unterlagen ausführlich gelesen haben – das habe ich nämlich auch schon aufgeschrieben –, wissen Sie, dass es vorher auch ein Gespräch auf unsere Bitte hin gegeben hat. Der Landesbetrieb Straßen.NRW hatte uns zuvor mitgeteilt: Wir haben Probleme in China, wir kommen nicht immer dahinein, wo wir hineinwollen. Könntet ihr nicht mal? – Dieses Gespräch hat es dann gegeben, auch darüber haben wir schon informiert. Jetzt steht es auch noch mal im Plenarprotokoll.
Dann will ich noch etwas zu den verfassungs- und verwaltungsrechtlich kundigen Ausführungen des Kollegen Ott sagen. Sie versuchen hier, einen Staatssekretär zum Bauleiter zu machen, weil Sie nur dann einen Vorwurf konstruieren können. Es ist
nicht die Aufgabe eines Staatssekretärs, Baustellen zu leiten – keine großen, keine kleinen, keine gut laufenden und auch keine schlecht laufenden.
Dafür gibt es den Landesbetrieb Straßen.NRW mit kundigen Ingenieurinnen und Ingenieuren bis hoch an die Spitze. Es gibt dort Projektleiter, sogar Einzelprojektleiter und in diesem großen Projekt einen Oberprojektleiter, einen Regionalleiter, eine technische Direktorin. Genau da findet die fachliche Eskalation statt.
Selbst wenn der Staatssekretär aufgrund seiner 30jährigen Berufserfahrung in der Bauindustrie, auf dem Bau das könnte, ist es nicht seine Aufgabe.
Genauso wenig trifft Ihr erster Vorwurf zu – der auch fehlgegangen ist, deshalb haben Sie ihn heute nicht wiederholt –, er habe die Ausschreibung in irgendeiner Weise manipuliert. Ein Staatssekretär kümmert sich nicht um Auftragsvergaben und Ausschreibungen.
Ich glaube, Sie machen hier einen politischen Fehler, wenn Sie jemandem mit 30 Jahren Berufserfahrung auf dem Bau genau das vorwerfen: Oh, der hat da mal gearbeitet. – Herr Löcker war so redlich, zu sagen, wie viele Monate das waren. Es waren einige Monate – das tut nichts zur Sache –, aber das können Sie ihm nicht vorwerfen.
Wenn Sie irgendeinen Beleg dafür hätten, dass da gemauschelt wurde, dass auf der Schulte’schen Terrasse ständig Absprachen mit PORR oder ähnliche Dinge stattgefunden hätten, dann müssten wir diese Diskussion sehr ernsthaft führen, und dann wäre ich der Erste, der das selbstkritisch beleuchten würde. Aber nur weil da einer gearbeitet hat, nur weil einer 30 Jahre Erfahrung auf dem Bau hat, zu sagen: „Der muss jetzt aus allen Verfahren raus“, ist meiner Meinung nach falsch. Die SPD hat in ihren starken Zeiten im Land übrigens mal gewusst, dass man viele Praktiker mit profunder beruflicher Erfahrung in führenden Positionen braucht. Menschen mit praktischer Erfahrung machen Politik nicht schlechter, sondern besser, und deshalb ist das, was Sie da versuchen, ein Fehler.
Ich habe eben versucht, Ihnen zu vermitteln, dass wir eine Kündigung aus wichtigem Grund aussprechen müssen, damit alle Mehrkosten beim gekündigten Unternehmen bleiben. Jetzt stand das in Ihren vorbereiteten Reden nun einmal so drin; das ist manchmal so, und dann kommt man da nicht raus. Aber ich habe es bereits gesagt und sage es jetzt noch einmal: Wir kündigen aus wichtigem Grund. Dazu bedarf es dieses Vorlaufs, den Sie kritisieren.
Klar, wenn man den Sachverhalt ausblendet, kann man den Vorlauf kritisieren, was im Jahr 2019 war. Da fragt Herr Ott noch einmal: Ja, was war denn im Jahr 2019? – Beispielsweise hat man sich im April
2019 auf die Suche nach einem dritten neutralen Gutachter gemacht, der dann ab September geprüft hat.
Was war zwischen April und September? Es fand eine europaweite Ausschreibung mit einem Auftragsvolumen von 6 Millionen Euro statt. Ich kann es nicht ändern.
Auf den Diskurs über europäisches Vergaberecht, zu dem Kollege Klocke eingeladen hat, freue ich mich sehr, und ich nehme die Einladung ausdrücklich an. Aber ich kann nur mit den Mädchen tanzen, die da sind. Ich kann nur auf Basis des geltenden Rechts arbeiten, und deswegen musste auch dieser Auftrag ausgeschrieben werden.
Das war das Jahr 2019 mit vielen, vielen Ereignissen, die wir sehr ausführlich beschrieben haben. So habe ich beispielsweise einen 18-seitigen Bericht im Ausschuss vorgetragen, ich habe einen mündlichen Bericht gegeben und all Ihre Fragen beantwortet. Das mache ich auch gerne; das ist kein Problem. Dann sollten Sie es aber auch nicht fortwährend negieren, zur Seite räumen und wieder behaupten, es habe nichts stattgefunden. – Das zum Thema „Risiko in finanzieller Hinsicht“.
Jetzt noch mal zum Risiko in zeitlicher Hinsicht: Wie es weitergegangen wäre, wenn wir mit der Auftragnehmerin PORR weitergearbeitet hätten, hat uns die Auftragnehmerin PORR selbst geschrieben. Es wäre zu einer Bauzeitverzögerung nach Nachtragsforderung von 56 Monaten gekommen.
Wir haben nun, nach der Kündigung, eine Neuausschreibung gemacht, welche zu einer Bauzeitverzögerung von 18 Monaten führt. Mich ärgert jede Woche, um das klar zu sagen. Aber es sind 18 Monate Verzögerung statt 56 Monate.
Und wir haben, anders als Sie, nicht nur den Stahl – Sie haben es als Commodity, als Nachunternehmerleistung, ausgeschrieben – als Teil des direkten Vertragsverhältnisses ausgeschrieben, sondern auch eine Beschleunigungsvergütung von bis zu 100.000 Euro pro Tag vorgesehen. Auch das haben wir anders gemacht als Sie.
Leider lernen wir aus Ihren Fehlern. Ich hätte am Beispiel „Leverkusen“ gerne gelernt, wie man es richtig macht. Jetzt lernen wir daraus, wie manches schiefgehen kann. Deswegen haben wir in der Ausschreibung für die Rheinbrücke Neuenkamp schon vieles anders gemacht, und das ist – das Ergebnis ist bekannt – auch gut gelaufen. – Vielen Dank.