Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Dafür muss es Parkplätze in der Innenstadt oder zumindest nah dran geben, und es muss staufreie Zufahrten geben: keine künstlichen Staus dank sogenannter Umweltspuren oder Expressbusspuren wie in Köln oder Düsseldorf.

Aber was machen Sie, meine Damen und Herren, in der Kommunalpolitik? Was machen CDU und SPD? – Sie feiern sich gerade dafür, wie Sie Autofahrer aus der Stadt ekeln. In Köln, wo die CDU mit den Grünen zusammen regiert – es war ganz passend, dass Herr Kehrl hierzu gesprochen hat –, verkündet man aus dem Rathaus stolz in kurzen Abständen die Planerfüllung bei der Parkraumvernichtung.

Mit Blitzkästen, Heerscharen von Knöllchenschreibern, sinnlosen Tempolimits, Pop-up-Radwegen und anderen Folterinstrumenten wird den Autofahrern so richtig das Gefühl gegeben, nicht willkommen zu sein.

Der SPD, die in puncto Kaufhof große Krokodilstränen vergossen hat, geht das alles noch nicht weit genug; lautstark träumt sie gleich von einer komplett autofreien Innenstadt.

Aber eine autofreie Innenstadt ist dann eben auch eine kundenarme Innenstadt. Sie mag voll sein; aber wird tatsächlich eingekauft? Wer wird mit Tragetaschen bepackt samstagabends in eine volle Bahn steigen und dreimal umsteigen? Dann schaut man sich die Ware halt im Laden an, probiert sie aus, lässt sich vielleicht sogar noch beraten, aber am Ende bestellt man sie sich nach Hause.

Dieses offensichtliche Problem verschweigen Sie; es hat gerade keiner in seinen Reden angesprochen. In den Anträgen kommt es auch so gut wie nicht vor. Bei der SPD kommt es überhaupt nicht vor. Dabei kam es eben in der Anhörung und kommt in allen Untersuchungen ganz deutlich zur Sprache.

Sie träumen lieber von der sogenannten Verkehrswende und schreiben dann solche Placeboanträge, anstatt sich mal ehrlich mit den Problemen vor Ort auseinanderzusetzen.

Die CDU kleidet ihre Einfallslosigkeit in einen Schwall von Worthülsen: Strategien, Pläne, Projekte, Citymanager und jede Menge Fördertöpfchen müssen her – Planwirtschaft pur. Der schlampige Änderungsantrag, den Sie gestern Abend noch schnell nachge

schoben haben, macht es nicht wirklich besser. Auf die veränderte Lage durch Corona gehen Sie darin gar nicht ein.

Die SPD versteckt sich dagegen gar nicht erst hinter seitenlangen Anträgen, sondern fordert kurz 1 Milliarde Euro Steuergeld für einen Masterplan und schimpfte in der Rede gerade auch noch auf den CDU-Antrag, weil der keine Ideen enthalte; das fand ich ein bisschen originell, Frau Philipp.

Wir glauben nicht, dass unsere Innenstädte Planwirtschaft brauchen – im Gegenteil: Sie brauchen weniger davon. Befreien Sie die Händler von überflüssiger Bürokratie. Lockern Sie endlich auch die Lockdown- und Coronaregeln, die jedes Einkaufserlebnis zerstören.

Sorgen Sie dafür, dass sich auch der Autofahrer in unseren Städten wohlfühlt. Machen Sie Schluss mit Umweltspuren und anderen ideologischen Irrungen; dann macht den Bürgern die Innenstadt und das Einkaufen in der Innenstadt wieder Spaß. Das ist billiger und effektiver als jeder Masterplan. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Scharrenbach das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben in Nordrhein-Westfalen wunderschöne Innenstädte und Zentren, und zwar sowohl in den kleinen als auch in den großen Städten.

Gestatten Sie, dass ich die bisherige Debatte für mich so zusammenfasse: Wir haben kein Erkenntnisproblem in der Innenstadtpolitik in Nordrhein-Westfalen, sondern ganz häufig ein Umsetzungsproblem in den Städten und Gemeinden,

(Beifall von der CDU und der FDP)

denn die Innenstädte sind unverändert der Marktplatz des 21. Jahrhunderts. Alle Städte in NordrheinWestfalen sind aus der europäischen Stadt heraus gewachsen, ganz häufig aus diesem Marktplatz, verbunden damals noch mit der klassischen Kirche und dem umschließenden Marktplatz. Siedlungen, Wirtschaft und Handel haben sich drumherum gebildet. Das sind die Städte Nordrhein-Westfalens.

Deswegen liegt es an uns gemeinsam – kommunale Ebene, Landesebene, Bundesebene, viele Akteure, aber eben nicht nur die politischen Vertretungen –, diese Marktplätze des 21. Jahrhunderts aufzustellen und dort, wo es nötig ist, fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Remmel, bei Ihrer Rede hatte ich dann doch den Eindruck, dass Sie irgendwie in den Jahren 2012 bis 2017 stehen geblieben sind, denn Sie haben ein absolutes Zerrbild, ein Irrbild gezeichnet. Es ist eine irrige Annahme dessen, was in Nordrhein-Westfalen stattfindet oder – besser gesagt – vielleicht nicht stattfindet.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat allein in diesem Jahr im Rahmen der Städtebauförderung 275 Millionen Euro bewilligt. Daran merken Sie, wie umsetzungsorientiert Städte und Gemeinden sind, weil sie richtigerweise Schwerpunkte auf die Innenstädte und Zentren legen.

186 Millionen Euro davon haben wir vor Corona bewilligt und aus den Coronamaßnahmen der Landesregierung mit dem Nordrhein-Westfalen-Programm I weitere 89 Millionen Euro zum Ersatz des kommunalen Eigenanteils. Das entspricht einer Förderquote von 100 % für Innenstadtmaßnahmen in diesem Jahr. Am Geld scheitert diese Maßnahme in diesem Jahr nicht.

Weitere 70 Millionen Euro kommen aus dem Sonderprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte, womit wir einen ganz anderen Weg gehen als in der Städtebauförderung. Wir wollen ganz bewusst den Städten die Möglichkeit einräumen, leer stehende Ladenlokale anzumieten, neue Wege zu gehen und Dinge auch auszuprobieren.

Das alles geht mit der Städtebauförderung nicht. Wir hängen bei der Verwendung der Mittel an den Kautelen des Bundes. Deswegen wählen wir hier einen Landesansatz, der offen gesagt bundesweit sehr viel Aufmerksamkeit und Interesse zur Nachahmung erfährt, weil wir damit Städte und Gemeinden in die aktive Rolle bringen.

In der sind sie offen gesagt auch. Es ist nicht so, als ob Städte und Gemeinden Fesseln bei Entscheidungen hätten, weder in Nordrhein-Westfalen noch in der Bundesrepublik, denn die kommunale Selbstverwaltung ist grundgesetzlich garantiert; aber das Wollen und Prioritäten zu setzen, sind das Entscheidende.

Ich komme viel in Nordrhein-Westfalen herum, in kleinen wie in großen Städten. Es gibt durchaus die eine oder andere Stadt, in der man merkt: Hier legt die Stadtpolitik ihre Priorität nicht auf die Innenstadt, nicht auf das Zentrum, übrigens auch nicht auf Sicherheit und Sauberkeit.

Aus meiner eigenen Erfahrung einer langjährigen Stadtratstätigkeit

(Christian Dahm [SPD]: Die Stadtratstätigkeit ist ja schon lange her!)

kann ich Ihnen sagen, dass es ausgerechnet immer die SPD-Fraktion in Kamen war, die sich gegen

Sicherheits- und Sauberkeitsanträge im Stadtrat gewehrt hat.

(Beifall von der CDU)

Ausgerechnet Sie beantragen das jetzt hier, wo wir durchaus vielfach auch in Ruhrgebietsstädten diese Debatten über Sicherheit und Sauberkeit führen. Dort sind es gerade Sie, die die Mehrheiten stellen, aber erstaunlicherweise diese Priorität im Ruhrgebiet nicht setzen.

Gerade im Ruhrgebiet wäre es sinnvoll, Themen wie Sicherheit und Sauberkeit in der Innenstadtpolitik sehr zu fokussieren und prioritär anzugehen. Vielleicht geben Sie Ihren heutigen Antrag mal Ihren Kolleginnen und Kollegen in den entsprechenden Räten mit, damit klar wird, dass die SPD-Fraktion im Land andere Vorstellungen hat, als sie die kommunale SPD vertritt und nicht umsetzt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sarah Philipp [SPD]: Keine Verallgemeinerungen, bitte!)

Städtebau- und Innenstadtpolitik ist mehr als Steine, und so handhaben wir es auch. Mit den 275 Millionen Euro aus der Städtebauförderung und den 70 Millionen Euro im Sonderprogramm fördern wir City- und Zentrenmanagements.

Ich selbst bin diesbezüglich ziemlich verhalten, weil ich nicht möchte, dass wir immer neue Beratungskonzepte und immer neues Papier fördern, sondern es kommt auf die Umsetzung an; das ist das Entscheidende.

Beratungskonzepte, Entwicklungskonzepte, BestPractice-Schreiben, Gutachten gibt es zuhauf und genug. Entschieden werden muss es vor Ort. Die Priorität darf und muss gelegt werden.

Es ist im Übrigen kein Programm, das man innerhalb von einem Jahr umsetzt, sondern es handelt sich um ein langfristiges Programm, was man braucht, wenn man Innenstädte und Zentren absichern will.

Das ist auch Handel, das ist auch Gastronomie, aber es ist eben auch, Wohnen wieder in die Innenstädte zurückzubringen, wo diese Funktion heute nicht so ausgeprägt ist.

Es ist auch, Kunst und Kultur zu stärken, sodass die kommunale Aufgabe auch darin besteht zu entscheiden, wie die Innenstadt, der Marktplatz des 21. Jahrhundert als Kommunikations- und Erlebnisort ausgebildet wird.

Es ist das Zusammentun mit Gewerbetreibenden, um mit dem Handel in der Innenstadt gemeinsame Konzepte auf den Weg zu bringen.

Es ist der Anspruch, Aufenthaltsqualitäten herzustellen, was wir über vielfältige Förderprogramme begleiten.

Es beinhaltet auch die Beseitigung von Angsträumen, die wir auch finanzieren, denn – und das kennen Sie – in vielen Innenstädten aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahre sind spannende Bauprojekte entstanden, die aber heute von den Bürgerinnen und Bürgern eher als Angstraum wahrgenommen werden, weil sie zu wenig beleuchtet sind, weil sie verwinkelt gebaut wurden oder aus welchen Gründen auch immer.

Die Städte gehen dieses Problem heute aktiv an und wollen diese Räume wieder für die Wahrnehmung öffnen. In der Stadt Euskirchen ist beabsichtigt, das mit einem Antrag auf den Weg zu bringen, weil man diesen Zustand nicht mehr länger will. Man möchte vielmehr den Raum zusammen mit der Bürgerschaft offen gestalten.

Deshalb sind das bürgerschaftliche Engagement, die bürgerschaftliche Teilnahme und das bürgerschaftliche Einbeziehen in Stadtentwicklungsprojekte gerade in der Innenstadt die Regel und keine Ausnahme, Herr Abgeordneter Remmel, und das wissen Sie auch.

Die Städtebauförderung ist übrigens seit 49 Jahren für Länder und Bund Garant für eine engagierte Stadtentwicklungs- und Stadtbaupolitik. Sie wissen, dass jeder Euro öffentliche Förderung rund acht Euro private Förderung nach sich zieht; das ist das Entscheidende in den Innenstädten.

Wenn wir als öffentliche Hand investieren, stoßen wir vielfach Privatinvestitionen insbesondere in den Fassadenbereichen an. Es wird neu gemacht, es wird wieder schön gemacht, und dadurch wird die Aufenthaltsqualität wesentlich verbessert.

Innenstadtpolitik ist also mehr als Handel, aber Handel ist ein wesentlicher Teil davon, denn Handel sichert Aufenthalt, sichert Beteiligung, sichert die Wahrnehmung des öffentlichen Raums auf diesen Marktplätzen des 21. Jahrhundert.

Ich möchte durchaus auf zu diskutierende Fragen im politischen Raum eingehen, die hier partiell angesprochen wurden, über die wir in der Tat im Ausschuss sprechen könnten: Gibt es Einflüsse des Steuerrechts? – Sie haben vielfach beklagt, was Sie aus Ihren Städten und Gemeinden kennen: Immobilien stehen leer, werden nicht weitervermietet, Eigentümer gehen mit dem Mietzins nicht herunter.

Das ist ein Ärgernis für alle Beteiligten – für Rat, Verwaltung, Bürgerschaft – und in Bezug auf Aufenthaltsqualitäten, auf das geschlossene Bild einer Innenstadt und eines Zentrums. Vielleicht bedarf es Änderungen im Steuerrecht, wenn man an diese Stelle herankommen möchte.

Zur Gleichberechtigung: Sind gleiche Chancen für Onlinehandel und stationären Handel gewahrt? Hat der stationäre Handel genau die gleichen Chancen wie der Onlinehandel?