Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Ich glaube Ihnen auch, dass Sie diesen Antrag nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben haben – wobei ich gar nicht sicher bin, von welchem Antrag Sie heute gesprochen haben, von dem Änderungsantrag oder dem Ursprungsantrag; dazu komme ich gleich noch. Denn leider – das sage ich ganz deutlich – ist gut gemeint noch nicht gut gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Tag vor dieser Plenarsitzung mit einem elfseitigen Änderungsantrag um die Ecke zu kommen, das ist schon mehr als befremdlich. Auch das will ich sehr deutlich sagen.

(Beifall von der SPD)

Mit diesem Änderungsantrag wollen Sie ja nur den Versuch unternehmen, Ihren eigentlichen Antrag zu retten. Zur Wahrheit gehört auch, dass der ursprüngliche Antrag bereits am 2. Juli 2019 gestellt worden ist, also vor mehr als einem Jahr. Wir haben uns im federführenden Ausschuss, in mehreren Ausschüssen mit dem Inhalt der Anträge befasst, wie heute Morgen sehr klar geworden ist. Es hat eine umfassende Anhörung von Experten dazu gegeben; das hat Herr Kollege Remmel betont. Da ist der Antrag durchgefallen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Der Landtag beschäftigt sich also seit 422 Tagen mit diesem Thema, mit Ihrem Antrag in den Ausschüssen.

(Jochen Ott [SPD]: Hört, hört! – Sarah Philipp [SPD]: So lange!)

Wenn Ihnen wirklich etwas an diesem Thema liegen würde und Sie es ernst meinen würden – das haben Sie in den Ausschüssen mehrfach angesprochen –, dann hätten Sie uns tatsächlich, wie angekündigt, das Angebot unterbreitet: Lassen Sie uns etwas Gemeinsames machen. – Darauf haben wir immer gewartet. Nach dem Änderungsantrag von gestern Abend glaube ich allerdings, dass dieser Zug abgefahren ist.

Stattdessen haben Sie vor Monaten schon angekündigt, einen Änderungsantrag einzubringen, übrigens auch, was uns alle überrascht hat, am vergangenen Freitag. Eine inhaltliche Debatte im Fachausschuss zu Ihrem Antrag hat es kaum gegeben, sondern die Ankündigung: Wir schaffen vielleicht noch einen Antrag zum Plenum.

Also: Seit einem Jahr, einem Monat und 25 Tagen brüten Sie jetzt über diesem Änderungsantrag. Ich sage: Die Zeit ist wahrlich kein Qualitätskriterium bei diesem Antrag. Das stellen Sie heute unter Beweis.

(Beifall von der SPD)

Schön, Herr Kollege Paul, dass Sie unseren Antrag gelesen haben. Das freut mich sehr. Ich habe auch Ihren Antrag gelesen. Das will ich hervorheben. Elf Seiten haben Sie zusammengeschrieben. Der Ursprungsantrag war übrigens nur fünf Seiten lang. Am besten hat mir die Überschrift Ihres Antrags gefallen. Selbst redaktionelle Änderungen stellen Sie auf fünf Seiten zusammen. Sie haben redaktionelle Änderungen und eine inhaltliche Änderung der Überschrift. Meine Damen und Herren, das ist kein Gesetz, es ist ein Antrag, den Sie eingebracht haben.

(Beifall von der SPD)

Sie stellen in Ihrem Änderungsantrag noch die eigene Überschrift infrage. Das setzt dem Ganzen doch die Krone auf, um es deutlich zu sagen.

(Beifall von der SPD)

Wenn ich mir diesen Antrag daraufhin anschaue, wie gründlich er ist – mal ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Schauen wir uns einmal die Seite 2 an. Das kann ich Ihnen wirklich nicht ersparen. Wie geht denn der letzte Satz im zweiten Absatz weiter? Der endet in einer Textwüste. Im dritten Absatz steht – ich will das kurz vorlesen –:

„Die Veröffentlichungen des Landtags NordrheinWestfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv … zu beziehen.“

Gibt es bei Ihnen in der Fraktion keinen Lektor? Und dann sollen wir so einem Antrag zustimmen. Meine Damen und Herren, dazu gehört ein bisschen mehr.

Ich will aber anerkennen, es stehen durchaus sinnvolle Dinge in diesem Antrag. Im Analyseteil, Herr Kollege Kehrl, sind wir nicht auseinander. Da gibt es, glaube ich, keinen Dissens.

Insgesamt bleiben Sie aber weit hinter unserem Antrag zurück und auch in der bisherigen Logik Ihrer Stadtpolitik.

Wir wollen – das hat die Kollegin Philipp sehr deutlich gemacht – einen echten Paradigmenwechsel. Wir wollen weg von der reinen Betrachtung der Innenstadt als Einzelhandelszentrum. Wir wollen weg davon, die Antworten auf die Herausforderungen nur in der Städtebauförderung zu sehen.

Als Beispiel nenne ich die Immobilienstandortgesellschaften. Das muss man ganz deutlich ansprechen: Das funktioniert nicht, und zwar nirgends in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen Innenstädte viel umfassender und ganzheitlich betrachten.

Frau Ministerin, Sie haben vorhin gewisse Dinge angesprochen. Aber nur mit Geld alleine lösen wir die Probleme in den Städten nicht.

Wir sind der Überzeugung, dass wir die Innenstädte als Mix aus Handel, Gastronomie, Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur sehen müssen. Dafür wollen wir die ausgetretenen Pfade verlassen und die Innenstadtpolitik unserer Städte und Gemeinden neu denken. Wir wollen unsere Kommunen zu Akteuren dieser Innenstadtpolitik machen und sie nicht weiter am Spielfeldrand stehen lassen.

Ihr Antrag leistet dazu nur am Rande einen Beitrag. Der große Wurf ist das wahrlich nicht. Es braucht daher einen Masterplan für die Innenstädte. Das gelingt Ihnen mit diesem Antrag leider nicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Jetzt hat Herr Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Scharrenbach, Oppositionsbeschimpfung können Sie, Eigenlob können Sie. Aber Konzeptionsangebote, das, was an dieser Stelle notwendig wäre, nämlich Antworten auf Fragen zu geben, das können Sie offensichtlich nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich versuche es mal freundlich in Frageform zu kleiden. Finden Sie es angesichts der Finanzlage unserer Kommunen etwa angemessen, sich hier hinzustellen, viel über sich selbst zu reden und einige Kommunen des Nichtstuns zu beschimpfen, ohne mit einem Wort auf diese Finanzlage einzugehen?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Zum Altschuldenfonds hört man von Ihnen überhaupt nichts.

Sehr geehrte Frau Ministerin, finden Sie es angesichts der Lage in unseren Städten denn angemessen, an dieser Stelle ein Städtebauprogramm zu loben, ohne darüber nachgedacht zu haben, dieses Städtebauprogramm einmal zu evaluieren, um festzustellen, ob es auf die neuen Fragestellungen richtig eingeht?

Eine letzte Frage sei mir gestattet. Warum gibt es in Nordrhein-Westfalen keine Städtebauministerin, die mutig vorangeht und einen großen Wurf in Sachen grüne Infrastruktur und Nachhaltigkeit fordert? Ich darf nur an Konrad Adenauer erinnern, der in den 20er-Jahren den Grüngürtel in Köln auf den Weg gebracht hat. Wo ist dieser Mut heute? Er ist dringender notwendig denn je. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich wollte gerade an die Redezeit erinnern, Herr Remmel. – Vielen Dank. Frau Ministerin Scharrenbach hat sich noch einmal zu Wort gemeldet, und das hat sie jetzt auch. Bitte schön.

(Christian Dahm [SPD]: Jetzt ein bisschen aus dem Stadtrat Kamen!)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Remmel, die grüne Infrastruktur in der Innenstadtpolitik ist Realität. Wir haben sie in diesem Jahr ganz bewusst in die Förderaufrufe für die Städtebauförderung hineingeschrieben, Anpassungen an Klimaveränderungen, Nachhaltigkeit, nachhaltige Baustoffe. All das fördert diese Landesregierung. Ihre hat das komischerweise nicht gemacht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Sie weisen auf die Finanzsituation der Kommunen hin. Dazu folgende Information: Diese Landesregierung ist die erste in der Geschichte der Bundesrepublik, die zusammen mit der Bundesregierung die Gewerbesteuermindererträge kompensiert. Die erste!

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Soll das ein Witz sein?)

Diese Landesregierung ist die erste Landesregierung in der Geschichte des Landes, die Eigenanteile von Städten zu 100 % übernimmt.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Diese Landesregierung ist die erste, die – Sie haben den Gesetzentwurf vorliegen – dafür Sorge trägt, dass ab dem 1. Januar 2021 kommunale Haushalte genehmigungsfähig bleiben und damit kommunale Selbstverwaltung gewahrt bleibt und das Handeln vor Ort geschützt wird. Das ist die erste Landesregierung, die das macht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Zugleich haben wir Ihnen vorgelegt – dem werden Sie ja alle zustimmen, jedenfalls nach Ihrem letzten Wortbeitrag –, dass noch in diesem Jahr die mehr als

60 Stärkungspaktkommunen eine Sonderzuweisung in Höhe von 342 Millionen Euro bekommen.

Wir sind im Leim mit den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Was die Städte und Gemeinden bedürfen, das diskutieren wir in aller Ausgiebigkeit. Wir haben hier in drei Jahren so viel auf den Weg gebracht, was Sie in den letzten fünf Jahren hier nicht im Ansatz geleistet haben, sonst ginge es den Kommunen nämlich nicht so schlecht, wie es ihnen manchmal geht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt die Anmeldung einer Kurzintervention von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es spricht für die Fraktion Herr Mostofizadeh. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, dass Sie das nötig haben, sich Coronahilfsgelder, die zwingend erforderlich sind, so auf die Fahnen zu schreiben, finde ich schon beeindruckend. Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf gemacht, und die Landesregierung konnte nicht weglaufen – das hätte man auch sagen können. Deswegen ist es nur notwendig und wichtig gewesen, diese Gewerbesteuerkompensation vorzunehmen.

Frau Ministerin, wir sind in einer Situation, in der Sie nicht bereit sind, das Flüchtlingsaufnahmegesetz zu ändern, in der Sie nicht bereit sind, den Altschuldenfonds auf den Weg zu bringen, obwohl der Bund mit hohen Kompensationsmaßnahmen bei den Kosten der Unterkunft sehr klar geliefert hat, was die wesentlichen Unterschiede zwischen den Städten abmildern würde.