Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

(Beifall von den GRÜNEN)

Auf der parlamentarischen Seite haben wir das mit der Kinderschutzkommission bereits implementieren können. Ich habe es gerade angedeutet: Es gibt auch bereits sehr viel Bewegung dahin, weitere strukturelle Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Wir sind allerdings überzeugt, dass es auch einer dauerhaften und strukturellen Verankerung dieses wichtigen Themas in Form eines oder einer Beauftragten für Fragen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bedarf.

Kinderschutz braucht selbstverständlich, darauf haben wir oft genug hingewiesen, eine Gesamtstrategie. Wir warten nach wie vor darauf, dass wir von der Interministeriellen Arbeitsgruppe weitere Vorschläge vorgelegt bekommen, wie die einzelnen Bereiche, die wir mittlerweile haben, wirklich zu einer Gesamtstrategie verknüpft werden können. Dazu kann eben auch ein solcher Beauftragter oder eine solche Beauftragte ein wichtiger Baustein sein.

Gleichermaßen, und das ist mir wichtig zu betonen, kann und soll eine solche Stelle aber eben auch Mahner oder Mahnerin sein, die Aufmerksamkeit dauerhaft hochhalten und vor allem auch die Nachhaltigkeit von Maßnahmen immer wieder einfordern und nicht zuletzt auch eine Form von Monitoring vornehmen. Es ist also zu überlegen, wie weit wir mit den Maßnahmen sind, wie gut wir Maßnahmen implementieren konnten. Darauf aufbauend ist immer

wieder der Finger in die Wunde zu legen und sind Handlungsbedarfe zu identifizieren bzw. anzumahnen, wo es noch weitere Handlungsbedarfe geben kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darüber hinaus soll ein solcher unabhängiger Beauftragter oder eine Beauftragte als Ansprechpartner für Anliegen von Betroffenen fungieren, um genau diese Betroffenen noch mehr in den Blick zu nehmen, um ihre Anliegen verstärkt mit in die Debatte zu bringen. Es geht aber auch darum, Ansprechperson für Angehörige, für Expertinnen und Experten, für Institutionen und nicht zuletzt natürlich auch für die Politik zu sein. Es geht, ich habe es gerade schon gesagt, vor allem auch um die Wahrnehmung der Belange von Betroffenen.

Es geht aber auch, und das kann man sehr gut nachverfolgen, wenn man sich die Arbeit des Bundesbeauftragten einmal anschaut, um die Frage inhaltlichen Inputs über Expertisen, über Stellungnahmen, Positionspapiere und auch um das Anregen von Aufarbeitungsprozessen in Institutionen etc.

Es gibt leider eine Vielfältigkeit an Dimensionen sexualisierter Gewalt. Die in den Blick zu nehmen und dort immer wieder Expertisetätigkeit einzufordern, ist aus unserer Sicht auch Aufgabe einer solchen Stelle.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Maßnahmen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt sind eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Sie sind aber vor allem auch über alle politischen Ebenen zu verankern. Deshalb halten wir es eben für so sinnvoll, als Ergänzung zum Bundesbeauftragten auch einen Landesbeauftragten oder eine Landesbeauftragte zu installieren.

Übrigens ist das eine Forderung, die wir uns ja nicht als Allererste ausgedacht haben. Der Bundesbeauftragte mahnt schon sehr lange an, dass es eine wichtige Ergänzung wäre, auch in den Ländern solche Beauftragungen zu installieren. Auch die Bundesjustizministerin regt dies mittlerweile an. Ich glaube also, dass es durchaus einen breit getragenen Konsens dazu gibt, dass das Implementieren auch in den Landesstrukturen sehr, sehr sinnvoll ist.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, dabei ist natürlich aber auch klar, dass eine solche Beauftragung mehr sein muss als ein Türschild. Es ist wichtig, dass eine solche Beauftragung, dass eine solche Stelle mit personellen und finanziellen Ressourcen hinterlegt wird, um die skizzierten Aufgaben auch vernünftig erfüllen zu können.

Dazu gehört nicht zuletzt auch die Aufarbeitung. Es geht um die Untersuchung von Strukturen. Das ist in vielfältiger Hinsicht auch bereits geschehen. Aktuell wird auch noch mal in den Blick genommen, welche

Strukturen es im Bereich des Breitensports gibt, die möglicherweise sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche Vorschub leisten.

Es geht aber auch darum, noch mal zu untersuchen, welche Altfälle es gegeben hat. Ich glaube, es ist insbesondere für die Betroffenen besonders wichtig, dass ihr Leid und ihre Erfahrungen endlich ernst genommen werden, dass ihre Erfahrungen aber auch aufgenommen werden, um Maßnahmen nach vorn zu entwickeln. Es ist wichtig, die Dimensionen sexualisierter Gewalt, die es leider in unserer Gesellschaft gibt, sichtbar zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es gesagt: Es ist ein Baustein. Wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass es natürlich nicht die eine Maßnahme gibt. Es gibt nicht die eine repressive Maßnahme, es gibt nicht die eine Strafrechtsverschärfung, es gibt auch nicht die eine präventive Maßnahme, sondern es muss ein ganzes Maßnahmenpaket sein. Es muss eine Gesamtstrategie sein. Aber dazu ist es ein wichtiger Baustein, wenn wir einen solchen Beauftragten oder eine solche Beauftragte in Nordrhein-Westfalen installieren.

Ich glaube, wir haben in dem Diskussionsprozess, den wir bislang zu dieser Thematik miteinander geführt haben, sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass uns das Ziel eint und dass uns auch ganz viele Instrumente oder Ideen zu Instrumenten einen. Deshalb hoffe ich, dass wir in der gemeinsamen Diskussion über diesen Antrag im Ausschuss dazu kommen, dass das vielleicht auch unsere gemeinsame Position ist und wir dementsprechend gemeinsam eine solche Stelle auf den Weg bringen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Paul. – Es spricht Frau Schulze Föcking für die CDUFraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder behütet aufwachsen zu lassen, Schutz bieten zu können, hat oberste Priorität. Das habe ich auch schon mehrfach hier betont. Ich glaube, da sind wir uns alle einig.

Kinderschutz und Kindesmissbrauch sind Bereiche, die uns weiterhin in Atem halten. Das ist insofern gut, als wir hier nie Ruhe geben dürfen. Wir sollten immer wachsam sein. Es ist ein unglaublich sensibles Thema. Unser Hauptaugenmerk sollte eben genau hier liegen.

Mit vielen wichtigen Maßnahmen haben sich die nordrhein-westfälische Landesregierung und auch die NRW-Koalition auf den Weg gemacht, um den Schutz von Kindern zu verbessern. Um nur ein paar Maßnahmen zu benennen:

Zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Lügde wurde gemeinsam ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen und eingesetzt.

Bei der Polizei wurde massiv aufgestockt.

Ein Impulspapier zu Präventionsmaßnahmen sowie zum Schutz vor und zur Hilfe bei sexualisierter Gewalt soll als Grundlage zur weiteren Maßnahmenentwicklung zur Verbesserung des Kinderschutzes dienen.

Eine interministerielle Arbeitsgruppe mit dem Titel „Maßnahmen zur Prävention zum Schutz vor und Hilfe bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ wurde ebenso eingerichtet wie eine Landesfachstelle. Das Kompetenzzentrum Kinderschutz NRW wird intensiv gefördert und leistet einen wichtigen Beitrag.

Das sind nur ein paar Beispiele, aber sie zeigen: Wir sind aktiv dabei, kontinuierlich Verbesserungen herbeizuführen.

Wir sind in Nordrhein-Westfalen an der Spitze in Bezug auf Kinderschutz und Aufklärungsarbeit. Ich glaube, die meisten hier werden zustimmen, dass wir bereits viele wichtige und notwendige Schritte unternommen haben. Das wird auch über die Grenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus sehr deutlich wahrgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, ich kann einiges von dem teilen, was in Ihrem Antrag steht. Ihre Forderung nach einem unabhängigen Beauftragten kann ich sogar in Teilen nachvollziehen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt haben wir doch eigentlich etwas viel, viel Stärkeres: Wir haben die Kinderschutzkommission. Es gibt also nicht nur einen Beauftragten, nein, es gibt ganz viele.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

In diesem Gremium arbeiten viele Menschen engagiert zusammen und widmen sich diesem sensiblen Thema. Ich möchte an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausdrücklich erwähnen, dass ich Ihnen allen sehr dankbar für diese konstruktive und fraktionsübergreifende Zusammenarbeit bin.

Wir haben das gemeinsame Ziel, den Kinderschutz kontinuierlich weiter zu verbessern. Das sollten wir zunächst weiter ausbauen, noch stärker intensivieren und Früchte tragen lassen. Wir haben Fachgespräche geführt – und das wird auch fortgesetzt –: mit Kinderschutzexpertinnen und -experten, mit Betroffenenverbänden, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit den Vertretern der Kommunen.

Im September gibt es eine Anhörung zu Präventionsstrukturen. Wir werden uns mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung beraten. Staatssekretär Andreas Bothe ist ebenfalls direkter Ansprechpartner, und unser Innenminister, Herbert Reul,

kämpft mit den vielen Engagierten an vorderster Front.

Wir möchten, dass sich – und das sagten Sie eben auch – strukturell etwas verändert.

(Beifall von Bianca Winkelmann [CDU])

Zur Wahrheit gehört: Ein betroffenes Kind wendet sich nicht an einen Beauftragten. Ein betroffenes Kind wendet sich an Lehrer, an Erzieher, an Beratungsorganisationen. Auch wir – wir alle – stehen in Verantwortung. Wir müssen die betroffenen Kinder finden und sie aus dieser Hölle befreien. Wir müssen eventuell Lücken im System finden, um sie zu schließen. Wir müssen berichten und dann Initiative ergreifen, und wir müssen sensibilisieren. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass sich ein Kind siebenmal an jemanden wenden muss, bevor es tatsächlich gehört wird.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Genau daran arbeiten wir doch in der Kindeschutzkommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam Kinderschutzbeauftragte sein. Lassen Sie uns konstruktiv und Seite an Seite zum Wohle der Kinder und für Verbesserungen beim Schutz aller Kinder in Nordrhein-Westfalen zusammenarbeiten. Wer weiß, was am Ende einer solchen Zusammenarbeit als Ergebnis herauskommt!

Deswegen bin ich für eine Diskussion und gemeinsame Überlegungen offen. Die CDU-Fraktion, die NRW-Koalition ist offen dafür, und wir stehen der Überweisung natürlich nicht im Weg. Ich weiß, dass uns allen der Kinderschutz am Herzen liegt, und blicke unserer weiteren Zusammenarbeit in der Kinderschutzkommission und auch hier sehr positiv entgegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Schulze Föcking. – Jetzt spricht Herr Dr. Maelzer für die SPD.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die schrecklichen Verbrechen an Kindern in Nordrhein-Westfalen haben uns eine Verbreitung von Kindesmissbrauch aufgezeigt, die für viele von uns unvorstellbar war. Niemandem in diesem Haus haben die fürchterlichen Berichte und Schilderungen kaltgelassen.

In den zehn Jahren, die ich diesem Landtag angehören darf, hat es keine Zeit gegeben, in der die Abgeordneten so intensiv über die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt debattiert haben. Es gab keine Zeit,

in der wir so intensiv den Austausch mit Expertinnen und Experten gesucht haben wie jetzt.

Und auch heute, an einem Tag, an dem ein Anstieg auf bundesweit mehr als 55.000 Kindeswohlgefährdungen gemeldet wird, diskutieren wir über Fragen der Verbesserung. Das haben wir auch in der vergangenen Woche im Familienausschuss getan, als wir über Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen für die Strukturen des Kinderschutzes in NordrheinWestfalen diskutiert und diese auch beschlossen haben.

Und ich will schon anmerken, dass ich ein wenig verwundert bin, dass der Vorschlag, der heute auf dem Tisch liegt, da überhaupt kein Thema war.

Die Grünen schlagen einen unabhängigen Beauftragten für Fragen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vor. In ihrem Antrag führen sie aus, welche Aufgaben die Person übernehmen soll. Die Begründung, welchen Mehrwert eine solche Stelle haben soll, bleibt hingegen wolkig. Im Kern lautet das Argument: Der Bund hat eine solche Stelle. Also braucht Nordrhein-Westfalen auch eine. – Mit Verlaub, das ist mir doch etwas dünn. Aber ich halte es gleichwohl für einen bedenkenswerten Vorschlag, und es ist gut, dass wir die Idee in der Ausschussarbeit vertiefen können.