Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Es hat aber doch keinen Sinn, dass der deutsche Steuerzahler Subventionen an thyssenkrupp zahlt und im Gegenzug auf einer kaputten Brücke im Stau steht.

Viel zu lange haben wir alle bei öffentlichen Aufträgen auf das Motto „Geiz ist geil“ gesetzt. Da sparen wir aber am falschen Ende, denn jetzt braucht unser Stahl staatliche Hilfe. Für dieses Geld könnten wir uns auch Qualitätsstahl kaufen, um so unsere Infrastruktur zu reparieren.

Unser Stahl ist so gut, dass er eigentlich keine Subventionen braucht. Unser Stahl braucht nur wieder eine Chance, an die großen öffentlichen Aufträge zu kommen. So beleben wir auch die gesamte Zulieferindustrie und die Forschung.

Daher müssen wir bei der Auftragsvergabe verstärkt Qualität und heimische Produktion berücksichtigen. Bei medizinischer Schutzausrüstung haben wir aufgrund Corona schon akzeptiert, dass Versorgungssicherheit und Qualität die entscheidenden Faktoren sind. Das ist bei Stahl nicht anders.

So wird am Ende aus dieser staatlichen Hilfe eine der besten Investitionen, die das Land jemals getätigt hat. Der Staat ist eben doch manchmal kein schlechter Unternehmer, wenn er denn was unternimmt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Herr Rehbaum das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wirtschaftliche Rezession durch Corona ist ein weltweites Problem, das uns noch einiges abverlangen wird.

Wegbereiter für die aktuellen Probleme der Stahlindustrie waren aber auch weltweite Überkapazitäten und Preisdumping aus Fernost, Fehler der Automobilindustrie durch Abgasmanipulationen und eine unangemessene, parteipolitisch motivierte Stimmungsmache gegen die Automobilindustrie, die mit der Zulieferindustrie die Existenzgrundlage für 800.000 Familien in ganz Deutschland ist.

Ob HELLA in Lippstadt, wo aktuell 900 Stellen abgebaut werden müssen, oder thyssenkrupp in Duisburg – jeder weiß: Wenn die Autoindustrie hustet, infiziert sich auch die Zulieferindustrie.

In der aktuellen wirtschaftlichen Lage geht es im Grunde um zwei Dinge: kurzfristig Unternehmen und Arbeitsplätze stabilisieren und langfristig die Unternehmen unterstützen, klimaschonend und wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt anbieten zu können.

Die Landesregierung kümmert sich um kleine, mittlere und große Unternehmen. Die ersten, denen die Landesregierung im Frühjahr geholfen hat, waren nicht TUI, Lufthansa und Co., sondern 430.000 kleine und kleinste Unternehmen von 1 bis 49 Mitarbeitern.

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

Aber auch um die großen Flaggschiffe wie thyssenkrupp kümmern wir uns, und das nicht erst seit Corona. Ich erinnere an die Turbulenzen bei thyssenkrupp rund um die gescheiterte Fusion mit Tata Steel, als Vorstands- und Aufsichtsratsführung plötzlich von Bord gingen.

Ministerpräsident Armin Laschet schaltete sich in dieser für das Gesamtunternehmen sehr schwierigen Situation persönlich ein

(Michael Hübner [SPD]: Da habt Ihr auch nichts gemacht!)

und vermittelte gemeinsam mit dem Betriebsrat als stabilisierendem Pol im Unternehmen, um die drohende Zerschlagung abzuwenden.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Unsere heimische Stahlproduktion ist von enormer Bedeutung für Wirtschaft, Wohlstand und Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland.

Unternehmensentscheidungen bei thyssenkrupp

treffen wie in jedem anderen Unternehmen auch die Unternehmensleitung und der Aufsichtsrat. Für die Verbesserung der Rahmenbedingungen ist die Politik in Düsseldorf, Berlin und Brüssel zuständig.

Es soll an dieser Stelle noch einmal gesagt sein: Stahlproduktion ist längst keine Bühne mehr für sozialdemokratische Folklore und Schaufensteranträge vor den Wahlen; hier geht es um mehr.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die nordrhein-westfälische Landesregierung und die Koalitionsfraktionen übernehmen Verantwortung. Wir kümmern uns konzentriert und mit großer Ernsthaftigkeit um die Zukunft der gesamten Stahlindustrie inklusive thyssenkrupp.

Dabei geht es nicht nur um die Stahlproduktion im Ruhrgebiet oder in Siegen, sondern auch um den Großanlagenbau von thyssenkrupp, der etwa in Beckum und Ennigerloh oder in Dortmund Zementwerke, Elektrolyse- oder Chemieanlagen für die ganze Welt entwickelt und verkauft.

(Beifall von der CDU und Dietmar Brockes [FDP])

Das Entscheidende für thyssenkrupp und die Mitarbeiter ist nun Wettbewerbsfähigkeit für Stahl aus Deutschland auf dem Weltmarkt, das heißt faire Handelsbedingungen für Stahl auf dem Weltmarkt, und zwar konkret: Der Schutz der EU vor chinesischem Stahl zu Dumpingpreisen muss bleiben.

(Zuruf von Thomas Kutschaty [SPD])

Kollege Kutschaty, wir müssen an der Stelle doch noch einmal ganz klar sagen: Dass für die Brücke Leverkusen chinesischer Stahl zum Einsatz kommen sollte, ist das Ergebnis einer Ausschreibung, die Mike Groschek als Verkehrsminister auf den Weg gebracht hat.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Michael Hübner [SPD]: Den Staats- sekretär hat er auch eingestellt!)

Ein weltweites Handelssystem für CO2 ist wichtig, damit sich klimafreundlich erzeugter Stahl im Wettbewerb behaupten kann. Wir müssen Stahlwerke bei der Umstellung ihrer Produktion auf Wasserstoff begleiten. Mit IN4climate.NRW ist die Landesregierung hier ganz weit vorne.

In Sachen Wasserstoff in der Stahlproduktion ist thyssenkrupp führend. Am 11. November letzten Jahres war die Weltpremiere des Einsatzes von Wasserstoff in der Stahlproduktion, gefördert durch die NRW-Landesregierung. Ich durfte persönlich dabei sein und war, ganz ehrlich, stolz auf unser NRW.

Rot-Grün hatte alles daran gesetzt, unser Land zu deindustrialisieren

(Lachen von der SPD – Zuruf von Arndt Klo- cke [GRÜNE])

und CO2-intensive Firmen und Hunderttausende Arbeitsplätze ins Ausland zu vertreiben. Zur Rettung des von Anfang an brüchigen Koalitionsfriedens hatten SPD und Grüne die Industriepolitik zuerst über Bord geworfen

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

und nur noch Wellnesspolitik zulasten industrieller Arbeitsplätze gemacht. Diesen Irrweg haben die Wähler 2017 beendet.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Erleichterung von Arbeitnehmern und Unternehmern, von Betriebsräten und Gewerkschaften war mit Händen zu greifen. Wirtschaft und Klimaschutz werden seit 2017 konsequent zusammen gedacht –

(Lachen von den GRÜNEN)

und es funktioniert: In Nordrhein-Westfalen wird wieder in Industrie und Innovation investiert. 2019 hatten wir gegenüber 1990 38 % CO2 eingespart.

Die CDU-/FDP-Koalition bekennt sich klar zu Nordrhein-Westfalen als Industriestandort mit Arbeitsplätzen, Qualitätsprodukten und modernen Verfahren für CO2-sparende Produktionsverfahren. Wir wollen auch in Zukunft Klimaschutz made in NRW.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dafür haben wir viel getan: das industriepolitische Leitbild, wir haben die Energieversorgungsstrategie, IN4climate.NRW und bald auch die WasserstoffRoadmap. Wir haben das Konjunkturpaket des Bundes mit 130 Milliarden Euro, davon 9 Milliarden für das Thema Wasserstoff.

(Sarah Philipp [SPD]: Was macht Ihr damit?)

Wir haben den Green Deal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, und wir können ganz klar sagen: Die Weichen sind gestellt. Die Umsetzung wird von uns allen noch viel Kraft abverlangen.

Die Stahlindustrie steht vor riesigen Investitionen in die CO2-effiziente Produktion; das gilt auch für thyssenkrupp. Hier geht es um Milliarden, nicht um Millionen.

Die Unternehmensführung muss die Phase der Unsicherheit für die Beschäftigten und Eigentümer durch die Umstrukturierung und den Teilverkauf schnell beenden, damit man sich wieder um die Zukunft kümmern kann.

Wir in der Politik müssen alle Anstrengungen unternehmen, die großen Fördertöpfe in Brüssel und Berlin für den Umbau der Stahlproduktion hin zum Wasserstoffeinsatz zu nutzen.

Für die CDU ist das Ziel klar: volle Unterstützung für die Stahlindustrie in NRW und Zigtausende Arbeitsplätze, damit sie wettbewerbsfähig und klimafreundlich den weltweit besten Stahl anbieten können – Stahl made in NRW.

(Beifall von der CDU und der FDP)