Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

(Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, für eine Leitentscheidung, die sozialen Frieden schafft und klimapolitisch verantwortbar ist, müssen Sie sich deutlich mehr Mühe geben, sich eingehend mit dem Thema auseinandersetzen und nicht einfach die Planungen von RWE ungeprüft übernehmen. Denn das ist genau das, was gerade ansteht. Sie müssten jetzt parallel dazu ein unabhängiges Gutachten erarbeiten, wie groß der energiewirtschaftlich notwendige und – das ist nicht zu verachten – klimapolitisch verantwortbare Restkohlebedarf wirklich ist, und sich nicht einfach auf RWE verlassen.

Sie müssen verhindern, dass der Hambacher Wald verinselt wird, nur weil es für RWE einfacher ist, den Abraum aus dem Gebiet des Ortes Manheim zu holen, anstatt zu gucken, welche Alternativen es gibt.

Sie als Landesregierung sollten dafür sorgen, dass im Hambacher Wald Ruhe einkehren kann, indem nämlich der Wald in öffentlichen Besitz übergeht.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Chris- tian Loose [AfD])

Und schließlich geht es darum, die Verantwortung für den sozialen Frieden zu übernehmen, indem Sie für ein Abrissmoratorium sorgen. Es ist doch klar, dass Gerichte entscheiden werden, wie es letztendlich um die Dörfer stehen wird, wie es letztendlich weitergeht. Solange das nicht entschieden ist, sollten nicht einfach weiter Fakten geschaffen werden. Es ist Ihre Verantwortung, da für Ruhe zu sorgen und die entscheidenden Akteure vor Ort mitzunehmen.

Das alles, Herr Ministerpräsident, Herr Minister, liebe Landesregierung, ist Ihre Verantwortung als gewählte Vertreter der Menschen in diesem Bundesland. Den Menschen in der Region sind Sie genau das schuldig.

Genau diese Punkte haben wir hier heute in unserem Antrag vorgelegt. Sie haben ja Ihre angekündigte Leitentscheidung nach hinten geschoben, sodass Sie vor der Kommunalwahl der Region nicht mehr sagen müssen, wo es denn hingehen soll.

(Zuruf von der CDU)

Auch das ist ein feiges Vorgehen. Sie müssen endlich sagen, wo es hingehen soll. Sie müssen die Verantwortung übernehmen.

Daher appelliere ich eindringlich an Sie: Schauen Sie sich ehrlich und ernsthaft unseren Antrag an, und stimmen Sie ihm zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Brems. – Jetzt spricht Herr Schnelle für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig und wichtig, dass wir die Anliegen der Betroffenen in und an den Tagebauen immer im Blick behalten und da, wo die Umsiedlung im Gange ist, insbesondere deren Sozialverträglichkeit immer wieder beachten und in den Vordergrund stellen.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vom heutigen Tage ist insbesondere hinsichtlich Garzweiler II und der betroffenen Dörfer dort fast inhaltsgleich zur Begründung Ihrer Aktuellen Stunde vom 29. Mai dieses Jahres. Ich hatte mir daher erst vorgenommen, dieselbe Rede zu halten, aber habe mich dann doch anders entschieden.

Vor ca. zehn Jahren hätte ich aus dieser Region eine solche Initiative zur Rettung der Dörfer noch begrüßt. Das habe ich hier auch schon mehrfach erklärt. Ihre jetzigen Forderungen kommen für die Gesamtheit der Dörfer aber zehn Jahre zu spät. Auch dieser Antrag macht deutlich: Die Ergebnisse der Kohlekommission spielen für Bündnis 90/Die Grünen keine Rolle mehr. Diese Ergebnisse haben wahrscheinlich für Sie auch nie eine Rolle gespielt.

Ich habe es bereits in meiner letzten Rede dargestellt: Für uns stehen die bisher getroffenen Entscheidungen auf der Bundesebene im Einklang mit den Entscheidungen der Kohlekommission.

Diesen Kompromiss gilt es nun umzusetzen. Darin wurden auch die Stilllegungspfade beschlossen, aus denen sich die noch benötigten Kohlemengen ergeben. Hieraus ergibt sich auch die überwiegende Notwendigkeit des Kohleabbaus im Bereich Garzweiler II.

Ich denke, dass Ihre jetzt immer wieder vorgebrachten Anträge Ihrer Gewissensberuhigung dienen, da Sie in der Zeit Ihrer Verantwortung nichts zur damals noch möglichen Rettung der Dörfer beigetragen haben –

(Beifall von der CDU und der FDP)

trotz anderslautender damaliger Wahlkampfphrasen.

Die Politik in NRW hat sich über Jahrzehnte für die Braunkohle als wichtigsten Träger der Energieversorgung des Landes entschieden. Davon fallen 17 Jahre in Ihre Verantwortung. Ich muss auch hier wiederholen: Vor vier Jahren hat Bündnis 90/Die Grünen den Menschen in den Umsiedlungsorten gesagt, dass sie ihre Heimat verlieren werden und umsiedeln müssen. Damals fing die Zerstörung der Dörfer an.

(Beifall von der CDU und der FDP – Arndt Klo- cke [GRÜNE]: Was? – Zuruf von Daniel Sie- veke [CDU] – Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist doch Blödsinn! – Zuruf von Mehrdad Mostofiz- adeh [GRÜNE])

Ich habe es hier und auch an anderer Stelle mehrfach gesagt: Ich habe großes Verständnis für die Bewohnerinnen und Bewohner in Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath, die sich gegen ihre Umsiedlung wehren und gerichtlich dagegen vorgehen. Ich habe großes Verständnis dafür, wenn man zum Beispiel um den Erhalt eines alten, erstklassig erhaltenen Vierkanthofs kämpft, den man an anderer Stelle so nicht mehr errichten kann.

Ich maße mir auch nicht an, für alle Betroffenen in den Orten sprechen zu können. Allerdings kann ich Ihnen die Dinge schildern, die ich in vielen Gesprächen und aus anderen Quellen mitbekommen habe.

Hierzu die neuen Zahlen: Von 558 Anwesen sind in 490 Fällen Einigungen mit RWE erzielt worden. Das sind 84 %. Es sind 22 Anwesen mehr als bei meiner Rede im Mai. Zu weiteren 31 Anwesen laufen Gespräche. Gutachten liegen zu insgesamt 552 Anwesen vor. Dies entspricht 94 %.

Das zeigt: Der große und überwiegende Teil der Bewohnerinnen und Bewohner hat mit den alten Dörfern abgeschlossen – fast immer schweren Herzens.

Es zeigt auch: Die Dörfer sind aufgrund Ihrer Leitentscheidung aus dem Jahr 2016 schon zerstört. Das sieht man auch, wenn man in den Dörfern ist oder durch sie hindurchfährt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sprechen Sie doch einmal mit den Menschen in der Region, die diese Umsiedlung nach ihrem langen Kampf gegen den Tagebau angenommen haben und nun Diskussionen wie die um ein Abrissmoratorium mitbekommen. Ich höre dann oft die Aussage: Es kann ja wohl nicht sein, dass alles umsonst gewesen sein soll. Ich will nicht, dass mein Haus, das ich selber gebaut habe, nun von anderen bewohnt wird. – So oder so ähnlich lauten die Aussagen.

Die Sozialverträglichkeit einer Umsiedlung zeigt sich auch daran, dass ein Dorf in seiner Gesamtstruktur an einen neuen Ort umzieht, dass also auch Vereine, Institutionen, Kirchen etc. in Gänze umziehen. Die Umsiedlung muss gerade im Sinne dieser Sozialverträglichkeit weitergehen. Ansonsten würde man dem überwiegenden Teil der Menschen dort einen Bärendienst erweisen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte den Menschen in den Dörfern, die sich bei all den eigenen Problemen bei der Umsiedlung auch noch für das weitere Leben der Dorfgemeinschaft am neuen Ort einsetzen, einen Dank aussprechen.

Eindeutig falsch ist in Ihrem Antrag die Aussage, die Landesregierung hätte den Dialog mit den Menschen

in den Umsiedlungsdörfern nicht wie versprochen aufgenommen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Einmal!)

Unser Ministerpräsident, Armin Laschet, war der erste Ministerpräsident überhaupt, der die Betroffenen vor Ort besucht hat. Zuletzt war vor ca. 14 Tagen Minister Pinkwart vor Ort und hat zum Beispiel auch mit Vertretern von „Alle Dörfer bleiben!“ in Keyenberg gesprochen. Aufgrund der Coronakrise sind Videokonferenzen unter Federführung von Frau Dr. Renz mit Vertreterinnen und Vertretern der Tagebauranddörfer geführt worden. Diese wurden mir von den Beteiligten als sehr konstruktiv geschildert. Für diesen Dialog bin ich der Landesregierung ausdrücklich dankbar.

Ich kann Ihnen auch nicht den Hinweis ersparen, dass Sie den Menschen am Tagebaurand Abstände von teilweise unter 100 m zugemutet haben.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Was?)

Angesichts der Erkenntnisse, zu denen Sie heute im Gegensatz zu 2016 in Sachen „Braunkohle“ gekommen sind, und Ihrer jetzigen Forderungen wäre es doch sicherlich auch 2016 ein Leichtes gewesen, solche Belastungen für die Betroffenen schon damals zu vermeiden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dies wird die jetzige Landesregierung in einer angepassten Leitentscheidung ändern und auf die Belange der Tagebauranddörfer eingehen. Denn auch für uns ist jeder Quadratmeter nicht abgebaggertes Land ein gewonnener Quadratmeter. Das alles steht aber immer unter den Vorgaben des Kohlekompromisses.

Die Leute gehen vor Ort gemeinsam mit den Kommunen am Tagebaurand den Strukturwandel an und machen erste Planungen für die Zeit nach der Braunkohle. Dies war eindrucksvoll in der letzten Woche bei einem sechstägigen Workshop des Zweckverbandes LANDFOLGE Garzweiler unter dem Titel „Innovation Valley“ zu sehen.

Die Kommunen, die Region und das Land sind hier auf dem Weg. Ihren Antrag wird die CDU-Fraktion ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke schön, Herr Schnelle. – Es spricht Herr Kämmerling für die SPDFraktion.

(Stefan Kämmerling [SPD] begibt sich zum Redepult.)

Entschuldigung. Es tut mir leid, Herr Kämmerling; ich habe etwas übersehen. Bitte setzen Sie die Maske noch einmal auf und gehen zurück zu Ihrem

Platz. Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von der Grünenfraktion. Es spricht Frau Düker.

Es tut mir leid. Man soll nicht zwei Dinge gleichzeitig tun – vor allem nicht im fortgeschrittenen Alter.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Alles gut! Ich bin entspannt!)

Das betraf nur mich. – Bleiben Sie noch einen Moment sitzen. Sie sind gleich an der Reihe, Herr Kollege.