Wir reden hier von den Wachtmeistern, die sich darüber beklagt haben, dass die Gehälter zu niedrig und Aufstiegschancen nicht vorhanden sind. Wir reden von den Gerichtsvollziehern, die massiv darüber geklagt haben, dass sie die Einrichtung für EDV und Digitalisierung selber bezahlen müssen und erst einmal keine Möglichkeit haben, das Geld zurückzubekommen. Wir reden über Geschäftsstellenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die in den Geschäftsstellen teilweise gar nicht mehr vorhanden sind. Gehen Sie mal zu bestimmten Gerichten: Da werden Geschäftsstellen geschlossen und andere übernehmen die Arbeit, wenn sie denn Zeit haben. Das ist keine Fake-Nachricht, das ist tatsächlich so.
Amtsanwälte fühlen sich benachteiligt. Es gibt kaum junge Leute, die diesen Beruf ausüben wollen. Und Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger – Frau Bongers hat vorhin auch darauf hingewiesen –: Viele junge Leute wissen gar nicht, dass es dieses Berufsbild gibt.
Deswegen, Herr Justizminister: Sie wissen, was Ihre Aufgaben sind, und das nicht erst seit diesem Antrag oder dem Brandbrief, der von den Richtern und Staatsanwälten jetzt aufgrund der massiv gestiegenen Zahlen verbreitet wurde. Sie müssen tätig werden, und das schon seit Monaten. Wir erinnern Sie heute auch noch mal daran. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab möchte ich eines feststellen: Die Justiz in Nordrhein-Westfalen verfügt über 43.000 engagierte, motivierte Beschäftigte, die jeden Tag hart für dieses Land und die Gerechtigkeit arbeiten. Die Justiz in NRW funktioniert, und sie funktioniert gut.
Sie von der AfD können noch so viele Unwahrheiten in die sozialen Medien spülen, an diesem Fakt kommen Sie nicht vorbei. Der Rechtsstaat funktioniert. Er ist wehrhaft. Er schützt die Menschen in diesem Land und er schützt unsere Demokratie auch vor Ihnen.
Die Staatsanwaltschaften bearbeiten jeden Tag Tausende Verfahren, von der sogenannten Alltagskriminalität bis zu schweren Delikten. Es werden Ermittlungen geführt, Anklagen gefertigt, Verfahren eingestellt. Auch komplexe Großverfahren werden von unseren Staatsanwaltschaften professionell bearbeitet, immer in guter Zusammenarbeit mit der Landespolizei, Bundespolizei, Steuerfahndung und dem Zoll. Oberste Prinzipien sind dabei die des demokratischen Rechtsstaats, um den Opfern von Straftaten und – nicht zu vergessen – dem Schutz von Unschuldigen gerecht zu werden.
Fakt ist aber auch: Die Arbeitsbelastung bei den Staatsanwaltschaften ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Gemeinsam mit den Generalstaatsanwälten aus Nordrhein-Westfalen habe ich diesen Zuwachs kürzlich selbst öffentlich thematisiert. Denn es ist keine Frage, dass wir hier gefragt sind und reagieren müssen, damit der Rechtsstaat auch weiterhin funktioniert. Bereits im letzten Jahr habe ich deshalb Gespräche mit den Generalstaatsanwälten aufgenommen, um mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern. Zugleich tausche ich mich hierzu ebenso mit den Personalvertretungen, Berufsverbänden und Gewerkschaften in der Justiz aus. Bei meinen Besuchen in den Staatsanwaltschaften spreche ich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Berufszweige vor Ort. Diese Gespräche waren und sind offen und konstruktiv.
Bevor ich zu den ergriffenen Maßnahmen komme, die entwickelt und umgesetzt wurden und werden, möchte ich sagen, dass ich für mich persönlich zu einer wichtigen Schlussfolgerung gekommen bin: Wir sollten unsere demokratischen, unsere rechtsstaatlichen Institutionen nicht schlechter reden, als sie sind.
Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, die mit viel Engagement und Kreativität Probleme lösen. Auch teile ich ausdrücklich nicht den Eindruck, die Menschen würden nicht mehr für uns arbeiten
wollen. Im Gegenteil habe ich gerade viele junge Menschen kennengelernt, die ganz bewusst den Schritt in den öffentlichen Dienst unternommen haben, weil sie hier eine sinnstiftende Tätigkeit finden und jeden Tag Verantwortung für den Rechtsstaat übernehmen wollen. Nicht wenige waren übrigens vorher in der freien Wirtschaft in großen Anwaltskanzleien tätig, mit deren Gehalt wir tatsächlich nicht mithalten können. Wer sich davon aktuell ein Bild machen möchte, kann die gestern in SPIEGEL ONLINE veröffentlichte Geschichte einer jungen Düsseldorfer Staatsanwältin lesen, die begeistert von ihrem Beruf redet.
Nichtsdestotrotz müssen wir aber selbstverständlich für ordentliche Arbeitsumstände und ein angemessenes Arbeitspensum Sorge tragen. Wir haben 2024 trotz schwierigster finanzieller Rahmenbedingungen neue Stellen geschaffen. Im Haushalt 2024 sind insgesamt 40 neue Stellen für die Staatsanwaltschaften, davon 20 für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, ausgebracht worden.
Im sogenannten Belastungsausgleich zwischen den aktuell nicht überlasteten Gerichten und den Staatsanwaltschaften zeigen sich die Gerichte solidarisch und erklären sich mit einer maßvollen Übertragung von 100 Stellen des richterlichen Dienstes einverstanden. Für die hierdurch zum Ausdruck gebrachte Solidarität muss den Gerichten unser außerordentlicher Dank gelten. An dieser Stelle auch einen herzlichen Dank an die Richterinnen und Richter, die sich abordnen lassen, auch für diese Flexibilität, diese Bereitschaft zu einem neuen Einsatz.
Die Stellenbesetzung schreitet voran. Den Staatsanwaltschaften ist es bislang auch mit großem Engagement gelungen, die ihnen hiernach sukzessiv übertragenen Stellen zeitnah zu besetzen. Zum Stichtag 1. April 2024 waren von denen den Staatsanwaltschaften zu diesem Zeitpunkt zugewiesenen Planstellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte lediglich noch rund 60 Planstellen frei. Das entspricht einer Besetzungsquote von rund 96 %. Damit nähert sich die Stellenbesetzungsquote des staatsanwaltschaftlichen Dienstes der traditionell hervorragenden Besetzungsquote des richterlichen Dienstes sukzessive an. Ich bin optimistisch, dass es den Staatsanwaltschaften auch weiterhin gelingen wird, die ihnen nach dem Belastungsausgleich künftig noch zu übertragenen Stellen mit geeigneten Köpfen zu besetzen.
Wir ermöglichen es den Generalstaatsanwaltschaften außerdem, solche Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren zu berücksichtigen, die im zweiten Staatsexamen unter der bisherigen Mindestnote geblieben sind, jedoch über eine besondere strafrechtliche Expertise verfügen. Das war bislang ausgeschlossen.
mir diesen Vorschlag unterbreitet. Ihm geht es dabei insbesondere um junge Absolventinnen und Absolventen, die den Staatsanwaltschaften in der Referendarzeit positiv aufgefallen sind und die sich in der staatsanwaltschaftlichen Praxis bewährt haben. Ich frage: Wenn diese Referendarinnen und Referendare im zweiten Staatsexamen keine herausragenden zivilrechtlichen Abschlussprüfungen geschrieben haben und deshalb die bisherige Mindestnote knapp verfehlen, soll der Staat dann ernsthaft auf diese Köpfe verzichten?
Die Ausbildungsoffensive wird fortgesetzt. Die Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode die Ausbildungskapazitäten der justizeigenen Ausbildung zur Rechtspflegerin bzw. zum Rechtspfleger sowie für die Laufbahngruppe 1.2 massiv erhöht. Statt 192 Anwärterinnen und Anwärter wie noch im Jahr 2019 bilden wir inzwischen 350 neue Kolleginnen und Kollegen für den Rechtspflegerdienst aus. Die Zahl der Zugangsmöglichkeiten zur Ausbildung in der Laufbahngruppe 1.2 wurde auf 406 hochgefahren.
Wir beabsichtigen, dieses Niveau auch in den nächsten Jahren fortzusetzen. Damit tragen wir dem demografischen Wandel Rechnung und werden mittelfristig auch in diesen beiden Laufbahnen wieder zu zufriedenstellenden Besetzungsquoten kommen.
Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen: In unseren Rollen als Regierung und Opposition müssen wir uns kritisieren und auch heftig miteinander streiten. Ich bin aber froh, dass wir Demokraten in diesem Parlament uns einig sind, dass wir unseren demokratischen Rechtsstaat nicht von Rechtsaußen kaputtreden lassen.
(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Zu- rufe von Christian Loose [AfD] und Sven Wer- ner Tritschler [AfD])
Bei allem, was noch zu tun ist, um die Belastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu vermindern: Unser Rechtsstaat funktioniert, und darauf dürfen wir zu Recht stolz sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie schon mein Kollege Herr Dr. Beucker ausführlich erläutert hat, ist die Überlastung der Justiz allgegenwärtig. Sie hat direkte Auswirkungen auf das Leben und die Sicherheit eines jeden Einzelnen von uns. Der Brandbrief des Bundes der Richter und Staatsanwälte ist nur eines der vielen mahnenden Beispiele.
Wenn wir uns mit den Folgen dieser Überlastung auseinandersetzen, dürfen wir nicht diejenigen vergessen, die am meisten darunter leiden: die Opfer von Straftaten. Was bedeutet es für ein Opfer, wenn die Justiz überlastet ist? Viele Fälle bleiben liegen, die Bearbeitungszeiten ziehen sich in die Länge, und das Opfer einer Straftat wird mit dem Gefühl der Ungerechtigkeit und des Unverständnisses zurückgelassen. Deswegen braucht es auch diese Aktuelle Stunde; darauf muss man hinweisen.
Im Grunde genommen profitiert nur der Täter von einer schwerfälligen Justiz. Beweise gehen unter Umständen verloren, die Erinnerung der Zeugen verblasst und der präventive Gedanke bleibt auf der Strecke. Wenn Verfahren anderthalb Jahre dauern, Herr Minister, dann läuft doch nicht alles rund.
In der Viktimologie wird zwischen verschiedenen Stufen der Viktimisierung unterschieden. Dieser Prozess kann so weit gehen, dass eine Person völlig in die Rolle des Opfers hineinschlüpft. Das nennt man „tertiäre Viktimisierung“.
Wenn Opfer das Gefühl haben, dass ihre Leiden nicht ernst genommen werden und vielleicht sogar im System verloren gehen, kann dies zu einem Verlust des Vertrauens in die Justiz führen. Dieser Prozess steigert sich so weit, dass wir das Risiko der Opfer noch größer haben werden lassen. Statt die Opfer von Straftaten zu unterstützen und ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, führt eine mangelhafte Justiz also genau zum Gegenteil.
Erfolgt die Strafe nicht direkt auf dem Fuße, sehen Straftäter dies häufig als Freifahrtschein für weitere Straftaten an. Das sind Binsenweisheiten aus der Pönologie, der Wissenschaft von Sanktionen und Strafen. Kriminalpädagogisch betrachtet müssen Menschen Grenzen aufgezeigt bekommen, wenn sie deviantes Verhalten an den Tag legen. Unsere Justiz ist dazu aber nicht mehr in der Lage, und deshalb wird sie von manchen nicht mehr ausreichend ernst genommen. Der Personalmangel kommt letztendlich den Straftätern zugute, sodass die Opfer nicht mehr ausreichend geschützt werden können, wie es eigentlich sein sollte.
Was kann die Lösung für die Problemstellung in NRW sein? Hier einige Beispiele: ein gezielter Personalaufwuchs, kein Zahlenspiel durch Umschichten, wie wir das gerade gehört haben – es ist natürlich völlig fehl am Platze, wenn man von Staatsanwälten zu Richtern umschichtet oder umgekehrt –, eine Optimierung der Arbeitsprozesse, ein stärkeres Voranbringen der Digitalisierung, eine bessere Vernetzung der Länder untereinander, um Synergieeffekte zu schaffen, und den Justizdienst im Allgemeinen attraktiver gestalten. Insgesamt ist es notwendig, Haushaltsmittel effizient und sinnvoll einzusetzen. Statt ideologische Meldestellen einzurichten, wäre es
Ich komme zum Schluss. Mit den bisherigen untauglichen Mitteln der schwarz-grünen Landesregierung werden die Probleme der Justiz nicht gelöst werden. Auch die Nulltoleranzpolitik, die Sie, Frau Erwin, gerade angeführt haben, löst die Probleme nicht; Sie verschieben damit einfach nur die Kriminalität. Und es ist auch in erster Linie eine Sache der Exekutive und nicht der Judikative.
Mit der AfD ist keine Justiz nach Kassenlage zu machen. Insbesondere Sicherheit und Gerechtigkeit gibt es nur mit der Alternative für Deutschland. – Vielen Dank.
Danke, Herr Professor Zerbin. – Mir liegt keine weitere Wortmeldung vor. Daher schließe ich die Aktuelle Stunde.
Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 18/9124 – Neudruck
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Wahl zu haben, ist für uns hier und heute Normalität, denn sie ist die Grundlage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – eine Normalität und Grundlage, die die Generationen vor uns erkämpft und gefestigt haben. Dafür sind wir alle ihnen nicht nur sehr dankbar, sondern wir werden mit jeder Wahl auch daran erinnert, wie wichtig Demokratie und Teilhabe an demokratischen Prozessen sind.
Eine Wahl ist Voraussetzung für als auch Konsequenz von Frieden, Freiheit und Sicherheit. Dies gilt auch und ganz besonders für die Europawahl. Nur dort, wo Frieden, Freiheit und Sicherheit gegeben sind, sind freie Wahlen deren Resultat und zugleich