Sie schreiben, die Legalisierung von Cannabis führe zu einer Überlastung der Staatsanwaltschaften, weil Verdachtsfälle neu überprüft werden müssten. Ja, die Staatsanwaltschaften haben durch die Legalisierung von Cannabis noch mehr und manchmal auch viel zu viel zu tun. Diese Legalisierung – jetzt kommt das, was in der Betonung wichtig ist – wird die Justiz aber nicht zum Kollabieren bringen, wie Sie es ausdrücken wollen. Sie stellen den Zustand einer Übergangssituation als dauerhaftes Problem dar. Das ist unredlich und unehrlich.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir streiten für eine verbesserte Personalpolitik innerhalb der Justiz. Wir sehen auch deutlich die entsprechende Personalknappheit, an der dringend gearbeitet werden muss. Allerdings fordern wir vom Justizminister, dieser Situation mit einer weiteren differenzierten Fachkräfteoffensive entgegenzuwirken.
Ich appelliere im Namen meiner Fraktion und wahrscheinlich im Namen aller Demokraten in diesem Hause an die gesamte Landesregierung, mehr Mut für eine bessere Ausstattung und für eine Generalüberholung der Justiz zu zeigen. Mir ist bewusst, dass das sehr viel Geld kosten würde. Wenn uns die Demokratie und ein weiterhin funktionierender Rechtsstaat aber am Herzen liegen, ist das aber wichtig. Das bedeutet, dass es unabdingbar ist, gemeinsam diesen Schritt zu gehen.
Herr Minister Limbach, ich kann Ihnen zumindest für die Fraktion der SPD versichern, dass wir diese mutigen Schritte, wenn Sie diese einschlagen, mitgehen, weil uns allen, wie gesagt, ein funktionierender Rechtsstaat und die Demokratie am Herzen liegen. Ich denke, man kann insoweit zusammenfassen, dass wir als Demokraten in diesem Hohen Hause dafür einstehen und uns nicht im parteipolitischen KleinKlein verfechten. – Recht herzlichen Dank.
(Beifall von der SPD Präsident André Kuper: Danke, Frau Bongers. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht ihre Abgeordnete Frau Hanses. Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Diesen Montag hat das Oberverwaltungsgericht Münster eine Entscheidung getroffen, die nicht nur von rechtlicher, sondern auch von gesellschaftlicher Tragweite ist. Das Gericht hat bestätigt, dass die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf.
Das ist das Ergebnis einer gründlichen höchstrichterlichen Beweiswürdigung und Prüfung, und diese Entscheidung basiert auf der Feststellung, dass die AfD Bestrebungen gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolgt.
Ein wesentlicher Pfeiler dieser Grundordnung ist der Rechtsstaat. Er ist in unserem Grundgesetz verankert ist, garantiert jeder Person den Rechtsweg und sichert ein faires Verfahren vor unabhängigen Gerichten. Dieses Recht steht jedem und jeder zu. Die AfD weiß dieses Privileg nur dann zu schätzen, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Dennoch stellen Sie sich unverschämterweise als Beschützer des Rechtsstaats dar.
und das zeigt sich besonders deutlich in Ihrer Reaktion auf das Urteil des OVG. Denn trotz Ihrer häufig kritischen Äußerungen gegenüber der Justiz hat die AfD sofort angekündigt, in die nächste Instanz zu ziehen.
Es ist bezeichnend, dass Sie jene Institution, die Sie sonst so wenig respektieren, nun für Ihre eigenen Zwecke nutzen wollen. Das entlarvt Sie als antidemokratisch.
Dass ausgerechnet die AfD nun Rechtsnot beklagt, ist an Absurdität nicht zu überbieten. Wenn es nach der AfD ginge, hätten wir keine unabhängige Justiz, vor der alle Menschen gleich sind, sondern wir hätten eine Gesinnungsjustiz. Menschen würden aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer Identität verurteilt – so, wie das die AfD selbst tut.
Anhand eines Zitats von Hans-Thomas Tillschneider von der AfD in Sachsen-Anhalt wird deutlich, wie diese nichtrechtsstaatliche Selbstjustiz der AfD. Er sagt: „Wer versucht, die AfD zu richten, den richtet die AfD.“
Es ist uns bekannt, dass die Justiz ebenso wie viele andere Bereiche vor großen Herausforderungen steht, Beschäftigte zu finden sowie die notwendigen Stellen zu schaffen und zu besetzen. Die ureigene Aufgabe eines Berufsverbands wie dem Bund der Richter und Staatsanwälte ist es, aus der Praxis heraus Forderungen an die Landesregierung zu stellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Politik praxisgerechte, realistische Lösungen zur Bewältigung der Herausforderungen findet.
In NRW besteht ein großer Bedarf an Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Deshalb hat der Justizminister reagiert. Im Bereich der Richterschaft hat er dazu aufgerufen, sich freiwillig zu melden und in den staatsanwaltlichen Dienst abordnen zu lassen. 100 Richterinnen und Richter sind diesem Aufruf gefolgt. Das ist die größte Solidaritätsaktion in der Justiz Nordrhein-Westfalens.
Wenn sich jemand entscheidet, Richterin oder Richter zu werden, und nun als Staatsanwältin oder als Staatsanwalt arbeitet, ist das mit grundlegenden Änderungen verbunden. Denn es sind andere Arbeitsweisen; auf einmal steht man im Gerichtssaal auf einer anderen Seite. Deshalb herzlichen Dank an alle Richterinnen und Richter, die sich zu diesem beispiellosen Einsatz bereiterklärt haben!
Sie könnten sich an den Richterinnen und Richtern ein Beispiel nehmen. Keineswegs reißt das, wie Sie sagen, ein Loch in die Richterschaft. Denn vielmehr verstärken wir das Personal dort, wo es dringender gebraucht wird. Ohne staatsanwaltschaftliche Ermittlungen kommt es gar nicht zu gerichtlichen Ver
Wir als regierungstragende Fraktionen haben bereits einiges auf den Weg gebracht, um dem Fachkräftemangel auch in der Justiz entgegenzuwirken. Die Landesregierung hat eine groß angelegte Imagekampagne auf den Weg gebracht. Die Ausbildungsoffensive wurde genannt. Kürzlich wurde auch bei den Voraussetzungen für den staatsanwaltschaftlichen Dienst die Examensnote leicht gesenkt, um befähigte, motivierte Volljuristinnen und Volljuristen für die Staatsanwaltschaft zu gewinnen.
Wir alle wissen, dass gegen Fachkräftemangel auch Zuwanderung hilft. Was die AfD davon hält, ist hinlänglich bekannt, und an einer echten Problemlösung ist die AfD nicht interessiert.
Ich habe jedoch einen Vorschlag, wie die AfD sofort dazu beitragen könnte, die Justiz zu entlasten. Sie könnte nämlich in ihrem Umfeld dafür sorgen, dass rechtsextremistische Straftaten zurückgehen. Das würde die Justiz wirklich entlasten. Allein 3.549 rechtsextremistische Straftaten im letzten Jahr sind eine erhebliche Belastung für die Justiz.
Festzuhalten ist, dass die AfD hier ihre Empörungsstrategie auffahren will, auch in anderen Bereichen, in denen Zuwanderung auch hilft. Das ist beschämend. Wie aufrichtig die Achtung des Rechtsstaats bei der AfD ist, zeigt sich daran, dass sie ihn nur in Anspruch nimmt, wenn es ihren eigenen populistischen, demokratiefeindlichen Bestrebungen nützt. Die Antwort kennen wir. Der AfD nützt es nicht. Und wir Demokratinnen und Demokraten stärken gemeinsam den Rechtsstaat. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Beucker, Sie waren in den Sitzungen des Rechtsausschusses körperlich anwesend, soweit ich mich erinnern kann. Nicht nur in einer, sondern in vielen Rechtsausschusssitzungen wurde das Thema „Personalnot in der Justiz‘“ ausführlich behandelt. Wir hatten mehrere Anhörungen, in denen es genau um dieses Thema ging. Von der FDP, aber auch der SPD gab es unterschiedliche Anträge genau zu diesem Punkt, die in Anhörungen besprochen wurden. In mehreren Ausschusssitzungen wurden die Anhörungen besprochen und ausgewertet.
Im Jahr 2023 gab es Haushaltsberatungen, in denen die FDP beantragt hatte, 100 Staatsanwälte mehr einzustellen. Wir kennen das Problem. Wir wissen, dass 400 fehlen. Heute eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema zu fordern, sich darauf einzulassen, ist nicht der glücklichste Zug. Man hätte vielleicht Vorschläge in regulären Anträgen unterbreiten können,
Wir haben ein Problem nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in allen Bundesländern. 5,4 Millionen Fälle lautete die Eingangszahl bei der Staatsanwaltschaft im Jahre 2023. 2021 waren es 4,7 Millionen Fälle. Das ist das Problem bundesweit. NRW ist da keine Ausnahme. In NRW – das wissen wir auch seit letztem Jahr – sind Staatsanwälte überlastet. Zum 31.12.2023 hatten wir über 250.000 unerledigte Ermittlungsverfahren.
Das ist also alles nichts Neues. Die Frage, die sich stellt, ist, ob das, was der Justizminister bisher unterbreitet und umgesetzt hat, ausreicht. 20 neue Staatsanwälte im letzten Haushalt und 20 weitere kürzlich sind effektiv zu wenig, auch wenn man jetzt 400 fordert.
Die digitale Ausgestaltung, das Gehalt, das Arbeitsumfeld, die Arbeitszeiten – all das sind Punkte, von denen wir seit Monaten wissen, dass daran gearbeitet werden muss, wozu aber bisher auch vom Justizministerium zu wenig kam.
Seit dem Sommer 2023, also seit gut zwölf Monaten, wissen wir, dass die Straftaten im Bereich Cybercrime, aber auch Kinderpornografie vermehrt aufgeklärt werden. Das ist so – Angela Erwin hat darauf hingewiesen –, weil in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 vermehrt Polizeianwärter eingestellt werden, aus gutem Grund. Die ermitteln natürlich und haben Ergebnisse. Und wer kann sie nicht abarbeiten? Die Gerichte und die Staatsanwaltschaften.
Genau deswegen ist es falsch, 100 Strafrichter in die Staatsanwaltschaften zu versetzen, weil das wieder ein neues Loch schaffen wird. Auf Dauer wird das keine Lösung sein. Die Frage, wie wir mit dem Personalmangel – Frau Bongers hat zu Recht darauf hingewiesen – in der Justiz umgehen, wird eine zentrale Frage nicht nur dieses Jahres, sondern der nächsten Jahre sein,
denn die Mitarbeiter fehlen in den Geschäftsstellen, bei den Justizwachtmeistern, bei den Rechtspflegern, bei der Staatsanwaltschaft. Sie werden uns demnächst auch bei den Gerichten fehlen, denn es
Normalerweise sagt man, man muss mehr Nachwuchs fördern, wenn man Personalnot hat. Hier ist der Vorschlag: Wir stellen weniger Referendare ein und haben damit auch weniger Nachwuchs für die Stellen bei Gericht oder in der Staatsanwaltschaft. Es ist alles sehr unausgegoren, was der Justizminister da vorschlägt. Das wissen wir aber schon seit Monaten. Das ist nichts Neues für die Aktuelle Stunde.
Unsere Anregung an den Justizminister ist wiederum: Er weiß, dass in den Jahren 2025 bis 2030 in der Justiz in NRW 5.000 Beschäftigte planmäßig aus dem Dienst ausscheiden werden. Er muss sich sputen, er muss etwas machen. Er muss nicht nur die Ausbildungsoffensive, die er bisher durchgeführt hat, mit mehr Manpower, Geld und vielleicht konkreter auch auf den Adressaten ausgerichtet neu ausbauen, sondern er muss auch schauen, dass die Wertschätzung für alle – damit meine ich alle Mitarbeiter in der Justiz – gesteigert wird.
Wir reden hier von den Wachtmeistern, die sich darüber beklagt haben, dass die Gehälter zu niedrig und Aufstiegschancen nicht vorhanden sind. Wir reden von den Gerichtsvollziehern, die massiv darüber geklagt haben, dass sie die Einrichtung für EDV und Digitalisierung selber bezahlen müssen und erst einmal keine Möglichkeit haben, das Geld zurückzubekommen. Wir reden über Geschäftsstellenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die in den Geschäftsstellen teilweise gar nicht mehr vorhanden sind. Gehen Sie mal zu bestimmten Gerichten: Da werden Geschäftsstellen geschlossen und andere übernehmen die Arbeit, wenn sie denn Zeit haben. Das ist keine Fake-Nachricht, das ist tatsächlich so.