Protokoll der Sitzung vom 19.01.2000

3. Zu Herrn Justizminister Caesarhatte ich ein gutes kollegiales Verhältnis: Er hat mit mir auch über diese Vorschläge aus meiner Haushaltsrede gesprochen. '

-Ich bin stolz darauf, dass er mir handschriftliche Grüße mit ei

nigen Zeilen an lässlich meines Geburtstags geschickt hat.

ljerr Redmer, ich weiß nicht; wie tief wollen Sie eigentlich noch sinken?

(Beifall der CDU)

Ich erteile der Kollegin Frau Grützmacher das Wort.

M'eine Dam~n und Herren! Ohne, dass ich es wusste, hatte ich mir für die_ Einleitung- meiner Rede etwas überlegt, was an dieser Stelle nun besonders gut zu passen scheint. Im Rechtsausschuss wurde der Entwurf des Justizhaushalts überein

stimmend- und zwar wirklich in Worten, übereinstimmendals wenig spektakulär bezeichnet_. Sie werden es nicht glau

ben, welche beiden Personen diesen Haushaltsentwurf so be

zeic~neten, nämlich zum einen Herr Berg und zum anderen Herr Redme~. Dies ist wirklich eine sehr seltene Übereinstimmung, wie ich aus meiner Erfahrung sowohl im Rechtsaus

schuss als auch im Untersuchungsausschuss.,Rotlicht" sagen kann.

- Ich finde es eigentlich schade. Ich finde, es ist kein Kompli

ment fü-r ein Ressort, wenn man es als wenig spektakulär be

zeichnet; denn dies zeigt natürlich auch, dass man von den d_rängenden Problemen, von notwendigen Reformen sowie auch von der seit langem geforderten Neuorientierung der• Justiz in diesem Haushalt bisher wenig zu spüren scheint.

Natürlich geht er auf die ansteigEmde Zahl der Studierenden ein, aber in' einer sehr defensiven Art und Weise, die nur wenig nach vorn gerichtet ist. Er beschäftigt sich auch nicht mit der Reform der Zivil- und Strafgeriehtsbarkeit, und last.but

not least-gibt es viel zu geringe Ansätze auf die grundlegende Neuorientierung in unserem Rechtswesen, dass nämlich

der außergerichtlichem Streitschlichtung und der Stärkung des Opferschutzes ein immer größ_erer Stellenwert einge

räumtwird.

Es ist also ein.sehr konservativer, wenig spektakulärer Haushaltsentwurf, eher-stagnierend und rückwärts gewandt. Das

-war meiner Meinung nach- so hatte ich Herrn Berg auch ver

standen - auch die Hauptkritik, wie er si.e dort auch vorge

bracht hat.

(Pörksen, SPD: Wenig spektakulär ist doch nicht rückwärts gewandt,. Frau Ko!legin!)

Das ist eigentlich schade; denn von der Aufbnichstimmung, wie- sie auf Bundesebene momentan in diesem Bereich herrscht, ist in diesem Haushalt nichts zu spüren.

Die Zahlen sprechen doch wirklich für dringer:den Handlungsbedarf. Bundesweit stehen heute 180 _ooo berufstätige Juristen und Juristinnen ca. 135 000 Nachwuchsjuristinnen in Studium· und Vorbereitungsdie11st gegenüber. Dies sind also..

Zahlen, die man sich kaum klar machen kann. Die Referendarausbildung kostet die Länder jährlich ca. 1 Milliarde DM.

Auch der prognostizierte Anstieg der Studienanfängerzahlen wächst von momentan 13 % auf 28 % für das Jahr 2008. Die Landesregierung hat iri diesem Bereich natürlich die Notbremse gezogen, kann lllan sagen. Ihr Lösungsangebot be

steht darin, durch ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis die Möglichkeit zu schaffen,- die Referendarbezüge herabzusetzen und dadurch - so hofft man - vielleicht noch vorhandene Ausbildungskapazitäten voll zu nutzen. Dies wurde von einigen in der Anhörung bestritten.

Meine Damen und Herren, Herr Mertin, das ist zu defensiv und der Problemlage wirklich nicht adäquat. Wir erwarten von der Limdesregierung eine intensivere Anstrengung und eine klarere ~nd 'eindeutigere Unterstützu-ngper bereits fort

- geschrittenen Reformdiskussion der. gesamten Juristinnen- ausbildung. Ich möchte jetzt nicht auf einzelne Punkte eingehen. Das haben wir.schon getan. Aber das ist das, was zukunftsweisend ist, und- bitte schön!- nicht die Kürzung der Referendarbezüge.

Meine Damen und Herren, auch für diesen.Hausfiait gilt: Da der Justizhaushalt zum größten Teil. ein Personaln.aushalt ist, können weiter ansteigende Zahlen von Gerichtsverfahren - Herr Redmer hat soeben den prozentualen Anstieg deutlich

gemacht - nicht mit ~iner Personalste·igeruf!g beantwortet weJden. - Ich glaube, darüber herrscht im Prinzip auch Übereinkunft. Dies macht aber natürlich Reformen unumgänglich. In diesem Bereich ist der Handlungsbedarf in der Justiz be

sonders drängend.

Ich möchte auch noch einmal deutlich machen, dass ein ajlgemeiner Konsens darin besteht, dass durch eine klare Gliedenmg und Zuständigkeitsteilung ein transparentes, also für den Bürger durchschaubares, und bürgernahes Gerichtssystem erhalten bleibt. Auch herrscht Einigkeit darüber, dass das Grundrecht auf Einzelgerechtigkeit durch Verfahren gewährleistet bleiben muss und nicht eingeschränkt werden darf. Über diese Grundsätze gibt es keine Diskussion.

Meine Damen und Herren, die neue- Bundesregierung hat den seit Jahrzelinten bestehenden Reformdruck ernst ge

nommen !Jnd im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit einen Referentenentwurf zur Reform-der Zivilprozesse vorgelegt. Sein Ziel ist ausdrücklich, mehr Bürgerinnennähe, mehr Effizienz und mehr Transparenz. Ich möchte noch einmal sagen, geplant"ist, die erste Instanz aufzuwerten, das heißt, die Ein~

gangsgerichte zu stärken. Der Streitwert von Berufungen soll

· von 1 500 DM auf 1 200 DM gesenkt werden, und Amts- und Landgerichte sollen zu umfassenden Eingangsgerichten zu

sammengefasst werden und den Streit möglichst umfassend und abschlj_eßend würdigim.

·Meine Damen und Herren, das bedeutet natürlich V~rände

rungen in den Strukturen sowie den Organisationsabläufen. Wie stellt sich die Landesregierung dazu? - Welche Stellung

nimmtsie zu dieser Reform ein?

•.

Herr Berg hat bereits darauf hingewiese-n, und ich muss auch

sagen, ich fand es nicht besonders sachgerecht, in einer etwas schnodderigen Art von Taschenspielertricks und Ähnlichem zu sprechen, mit der Herr Mertin in Landau auf diese Reform eingegangen ist. Ich glaube, dass man den gesamten Reformanstrengungen auf Bundesebene nicht gerecht wird, wenn man zunächst einmal abwehrt und sagt, das kann eigentlich nur negativ ausgehen, und somit die Leute vor Ort, die natürlich vor einer Schließung ihrer Gerichte Angst haben, verunsichert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen· und Herren, natürlich sind in diesem Gesetzentwurf noch viele Fragen offen. Das ist ganz klar. Eine Auseinandersetzung ist notwendig. Aber sie sollte dann auch nicht so polemisch geführt werden wie beispielsweise in Landau vom Landgerichtspräsidenten Assmus. Es geht der Bun- _ desregierung nicht darum, aus Einspargründen den Rechtsschutz für Bürgerinn~?n zu verkürzen, sondern im Gegenteil, die Stärkung

setzung angesehen wird.

Meine Damen und Herren, seit- dem 1. Januar ist nun auch - darauf wurde von Herrn Redmer bereits hingewiesen - die vorgerichtliche Streitschlichtung in Kraft getreten. ln ihrem Ausbau sehen wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein wichtiges Instrument, den Rechtsfrieden dauerhaft herzustellen und Konflikte zu schlichten. Eine-Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten werden sich dadurch schneller einer für alle Seiten be

friedigenden Lösung· zuführen lassen, als dies innerhalb der sehr formalisierten Gerichtsverfahren möglich ist. Die Möglichkeiten von· vorgerichtlichen Schlichtungsverfahren sind bei den ·Zivilgerichten auszubauen. Ich denke, das ist eine wichtige Aufgabe für das Justizressort in Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren.

Meine_ Damen und Herren, wir halten darüber hinaus auch den Ausbau von Mediationsstellen fü'r sehr wichtig, um eine bürgernahe und bürgerfreundliche Justiz zu schaffen.