Protokoll der Sitzung vom 19.01.2000

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

·wir wissen, dass wir ein Minus an Einnahme!} haben, das wir nur schätzen können. Deshalb sind wir auch dem Verfahren des Finanzministers beigetreten, i_m Laufe des Haushaits, ausgehend von· bestimmten Eckpunkten, das einzusparen, was sich tatsächlich nach der politischen Debatte- ergibt. Trotzdem werden wir die politischen Schwerpunkte unserer Koalition, nämlich

_ 1. einen überdurchschnittlichen Anstieg ·der Ausgaben für Schule und Bildung,

2. mehr Geld für Arbeit und Innovation,

3. St~aße und Verkehr,

4. Innere Sicherheit-und

5. leistungsfähige Kommunen

noch durchhalten un

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Wir wissen, dass das vor diesem Hintergrund schwieriger wird. Aber es kann sich doch keiner aus dieser Debatte her

ausste.hlen und so tun, als w'ären wir nur das L~md und VIIären

nicht innerhalb der Bundesrepublik in diese Entscheidung eingebunden.

Deshalb müssen wir diese Herausforderung annehmen und. mit einem strengen Konsolidierungskurs die Haushalte des Landes, aber auch der Kommunen fahren: Da hilft es nichts, zu versuchen, dies in Gut und Böse aufzuteilen. Meine Damen und Herren, diesbezüglich befinden wir uns ·in einer- echten · Gemeinschaft, und unser Haushalt beweist.das auch.

Meine Damen und Herren, der Haushalt soll die Zukunft be.: schreiben. Ich habe für das Jahr 2000 viele Prognosen gehÖrt,

insbesondere die, dass der Strom ausfällt und kein Wasser mehr da ist. Man solle sich·in der Silvesternacht einen Eimer oder eine Badewanne voll Wasser laufen lassen. All dies ist so wenig eingetroffen wie an_dere Hiobsbotschaften.

7544 L~ndtag Rtieinland-Pfalz-13. Wahlperiode -101. Sitzung, 19.Januar2000

Wir haben allerdings Fragen an das rieue Jahrzehnt. Ich

I möchte an dieser Stelle gar riicht sagen: an das neue Jahrtausend. Die Fragen, die uns beschäftigen, sind: Welche Entwick

lungen erwarten wir?- Welche befürchten wir? -Welche erhoffen-wir?- Was brauchen die Menschen, um diese Entwicklungen bewältigen zu können, und was leistet d.ieser Haushalt, um die Menschen in die Lage zu versetzen, damit zu- rechtzukommen?

Meine Damen und Herren, welche Entwicklungen erwarten wir? Das, was wir weitgehend noch nicht realisiert haben -das wird jetzt etwas langsamer; denn es muss in unsere Köp: fe hinein -, ist die Tatsache, der Wandel der Technologie in der Wirtschaft und unserer Arbeitswelt wird noch rasanter vorangehen, als dies unsjn allen Büchern beschrieben wurde.

Wir waren am Freitag mit dem geschäftsführenden Vorstand bei der BASF. Dortstehen Steameracker- ich muss nicht erläu

tern, was diese Geräte technisch, machen-, Riesendinger, die ausgesehen haben wie das Raumschiff Enterprise, dreifach so groß, wie diese Anlage des Deutschhauses. ln ihr arbeiten 17 Personen im Schichtbetrieb. Der Kapitaleinsatz für eine einzige dieser Anlagen liegt bei 500 Millionen DM.

Was sagt UI')S das? Das ist das rasante Tempo, von dem wirre~ den. Das ist die Veränderung, über die wir grübeln. Das ist auch das Problem, das' der Kollege Böhr angesprochen hat, nämlich dass in der industriellen Produktion die Frage des Ka-,

pital~insatzes immer stärker bewertet wird als die Frage des Personaleinsatzes. Im Zuge dieser Entwicklung haben wir na

türlich insgesamt in Deutschland und in Europa Veränderuri

, gen zu erleiden. Wir müssen die Bereitschaft der Menschen gewinnen, sich auf diese Veränderu,ngen einzulassen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Es wird niclit mit Angstmache gehen, di,e Bereitschaft dieser Menschen zu erarbeiten.

(Kuhn, F.D.P.: So ist es!)

Es wird nur dadurch gehen- ich möchte nicht sagen, indem wir sie bei der Hand nehmen -, indem wir offen diskutieren,

--was sich tatsächlich verändert; dass man lebenslang lernen

mu;s, dass man ,bereit sein muss, neue Technologien zu akzeptieren. Auch das ist etwas, was wir in den_80er und 90er Jahren nicht immer leicht gelernt haben.

Meine Damen und Herren, was wir bislang Oberhaupt noch nicht in Betracht gezogen h~ben, was aber für die Landespolitik von entscheidender Prägung sein wird, ist die Prognose, dass wir immer älter werden. Die Gesellschaft wird immer älter. Nun wird jeder sagen, es ist eigentlich ganz klar, dass wir alle älter werden. Aber wenn wir in de·n letzten 30 Jahren unser Geld als Land dafür ausgegeben haben, heranwachsenden Kindern die Chance zu geben, in den Kindergarten, in die Grundschule und ins Gymnasium zu gehen, so wird cjies in

dim_nächsten 30 Jahren nicht mehr das Jhema sein. Vielmehr wird sich die Frage stellen, was geschieht mit uns? _Was wird mit uns geschehen? Was werden wi~tun? _

Es gibt Prognosen, die besagen, dass die. 100-Jährigen, die heute etwa 135 000 auf der Welt ausmachen, auf 2,2 Millionen ansteigen werden. Was bedeutet dies für die Sozialp_oli

tik, für das soziale Sicherungssystem, für das Gesundheitssystem, für die Verkehrspolitik, wenn diese Menschen, nämlich wir, in 15 oder 20 Jahren Leistungen abverlangen werden?Dies wird einen totalen Wechsel der Landespolitik von der.

"Daseinsvorsorg~schule" ·hin zu der Daseinsvorsorge für ältere Menschen mit sich bringen, und diese Menschen werden wir selbst sein.

Die Jüngeren werden uns sagen: Wir solle~ immer mehr Leis

tungen erbringen und finanzieren, um euch das Leben' zu er

möglichen.- Das heißt, diese Veränderung Wird ZU _einer Um~ kehrung der jetzigen Denkmuster führen, sie wird dies sogar

. erzwingen.

Herr Kollege Böhr, ich gönne Ihnen jetzt die Verdauungszigarette. Sie haben soeben Zahlen aufgeführt, aus denen Sie die Rangfolge dieses Bundeslandes abgelesen haben. Meine· Damen und Herren, die Probleme werden in Zukunft nichtmehr mit zusätzlichem Geld gelöst, sondern die_ Forderung wird sein: Mach mehr aus deinem Geld, mach mehr aus deiner Schulstunde, mach mehr aus deiner Produktionsstunde, mach mehr aus deiner Sozialstunde. ·

· (Beifall der SPD und der F.D.P.)

Sie haben oppositionstrefflich -versteht sich - über Schulden resümiert. Ich.erspa~e es mir jetzt, dies sozusagen im Verhältnis zu anderen ~ichtigen Verfassungsorganen, wie zum 'Bei

spiel dem Bund, zu machen. Aber es ist doch das Problem unserer letzten 20 Jahre, dass wir di~ Probleme von heute im

mer mit dem Geld von morgen lösen wo!lten·. Genau diese Ablösurig im Denken muss stattfinden·, dass neue Probleme

immer nur mit zusätzlichem Geld gelöstwerden können.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Wir vollziehen diesen Wechsel auch schmerzhaft. Ich weiß aucb,'dass der eine oder a_ndere- es waren sogar eln paar mehr- in meiner Fraktion gesagt hat: Mus~t du das so deutlich sagen?- Ich neige manchmal zu einer gewissen Deutlichkeit, weil ich selbstkritisch sage, ich habe an diesem System mitgewirkt. Nunstellen wir fest, wenn wir es einfach fortset

. zen würden, wOrden wir am ~alschen Ende landen. Wir wür