Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

Zurufdes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es handelt sich uin die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz, die wir sehr ernst nehmen. Deshalb ist eine Vielzahl von Gutachten im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens eingeholt worden. Ich zitiere: Wir haben Gutachten zu Fragen der Meteorologie, der Radiologie, der Hydrologie, der Vulkanologie, der Geologie und der-Seismologie in Bezug auf den großräumigen Standort noch 'einmal eingeholt. Bis auf das radiologi-. sehe Gutachten und das zusammenfassende Standortgutachten liegen inzwischen alle Gutachten vor.

Das seismologische Gutachten, das wir Ende März erhielten, kam zu dem Ergebnis, das hat Herr Abgeordneter Mertes bereits deutlich gemacht, dass die Antragstellerin, also die RWE, nicht nachgewiesen hat, dass 'nach dem aktuellen Stand von. Wissenschaft und Technik _die Geeignetheft des großräumigen Standorts im Hinblick auf die Erdbebensituation gegeben ist. Sie hat es nicht nachgewiesen, sie muss es aber nach' weisen, wenn sie je eine Genehmigung erhalten will.

Beifall der SPD und der F.D.P.)

Meine D

Meine Damen und Herren, nunmehr ist die Antr~gstellerin

am Zug. Sie hat zu prüfen, ob es ihr vielleicht- ich mache ein Fragezeichen - auf andere Weise gelingt, den zu erbringenden. Nachweis zu führen. Das ist jetzt ihre Aufgabe. Sollte ihr das nicht gelingen, ist der Genehmigungsantrag selbstver-· ständlich abzuweisen. Ich füge hinzu, dass es eine Dauerbetriebsgenehmigung für diesen Reaktor auch nicht gibt.

Selbstverständlich hat auch der Bundesumweltminister dieses seismologische Gutachten zu beurteilen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitwird na

türlich die Reaktorsicherheitskommission im Hinblick auf dieses, aber auch im Hinblick auf alle anderen Gutachen ein. _schalten, sich von ihr beraten lassen, sich den Sachverstand zunutze machen und uns dann- wie.es immer üblich ist- mitteilen, ob es die Auffassung der Gutachter teilt oder nicht

teilt und uns über die jeweiligen Auswirkungen auf das Genehmigungsverfahren berichten.

Meine Damen und Herren, verschiedentlich sind Forderungen erhoben worden - Sie, Herr Rieth, haben das gerade auch noch einmal getan-, dass im Hinblick auf das, was beim Oberlandesgericht in zivilrechtliehen Verfahren diskutiert wird, und das, was über die Verwaltungsebene im Rahmen des Genehmigungsverfahrens diskutiert wird, der Eindruck entstehen könnte, wir müssten sozusagen alle Teilgenehmigungen auf den Prüfstand stellen. Ich würde einen längeren juristischen Exkurs benötigen, um Sie von dieser irrigen Meinung abzubringen. Es stimmt einfach so nicht.

{Zuruf des Abg. Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will meine Redezeit aber sinnvoller nutzen. Sie können es einfach glauben;·aenn es ist so. Wenn Sie es inir nicht glauben, müssen Sie sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts anschauen. Dieses Urteil ist für uns Maßstab in der Beurteilung der Abläufe; denn diese Landesregierung und ich als verantwortliche Ressortministerin werden alles tun, um Schadenersatz vom Land Rheinland-Pfalz fernzuhalten. Das kann ich Ihnen versprechen.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Deshalb brauchen wir uns zum jetzigen Zeitpunkt- Sie können es gla.uben oder nicht, aber es ist nun einmalso-über die

TeilQenehmigungem Zwei bis Acht überhaupt nicht zu küm

men1; ·denn stiller als dieses Kraftwerk jetzt stillliegt, kann es wohl nicht mehr liegen, oder sehen die GRÜNEN das anders?

Zuruf des Abg. Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

-·Meine Damen und Herren, zur Rücknahme bestandskräftiger Teilgenehmigungen: Die Teilgenehmigungen Zwei bis Acht sind bestandskräftig. Das Atomgesetz bietet eine Möglichkeit, bestandskräftige Genehmigungen unter bestimmten Voraussetzugen mit der Folge einer Entschädigung an den Antragsteller zurückzunehmen. Diesen rechtsstaatliehen Grundsatz, der im Atomgesetz verankert ist, hat sich - wenn mich nicht alles täuscht- auch mefn früherer UmweltministerKollege Joschka Fischer in Hessen sehr zu Eigen gemacht; denn mir ist nii::ht bekannt, dass irge.ndeiner der grünen Um. Weltminister- im Verlaufe dieser neun Jahre habe ich bereits mehrere miterlebt- eine bestandskräftige Genehmigung für den Reaktor Biblis A oder Biblis.B zurückgenommen· hat..

{Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Aber Ihre Anwälte erzählen doch etwas anderes!)

Täusche ich mich vielleicht in der Wahrnehmung? Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie.sollten jetzt vor Ort nicht so tun,

(Zuruf des Abg. Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

als wäre die Welt so, wie Sie sie in Ihrer Vorstellurig gern bauen würden.

(Zuruf des Abg: Rieth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die Einbeziehung des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich in die lau

fenden Energiekonsensgespräche gefordert, und zwar' ganz allein aus dem Grund, weil wir seit 25 Jahren eine sehr wechselvolle Prozess- und Entscheidungsgeschichte in dieser Frage haben, weil diejenigen, die im Jahre 1975 eine Genehmigung erteilt haben, sich mit Sicherheit nicht hätten träumen lassen, dass die Genehmigung im Jahr 1988 gekippt wird und weil, wer ein bisschen vorausschauend in der Politik handelt- diese Landesregierung handelt vorausschauend -, auch bei einer Ablehnung eines Genehmigungsantrags kein Mensch heute sagen kann, ob nicht irgendeine gerichtliche Entscheidung diese ablehnende Genehmigung fünf Jahre oder zehn Jahre später wieder aufheben könnte. Das sollten Sie wissen, wenn Sie ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen, genauso gutwie es jederwissen kann, wenn ersieh darum bemüht.

Es kann nicht sein, dass im Rahmen der Energieko.nsensgespräche über laufende Reaktoren diskutiert wird und das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich vor die Klammer gezogen

. wird, nach dem Motto, dass man gegen den Rechtsstaat han

delt und seiner Vermutung freien Lauf lässt, was in Mülheim

Kärlich entstehen könnte.

Ich freue mich außerordentlich, dass das Bundeskanzleramt dem Wunsch gefolgt ist und auch Bundeswirtschaftsminister Müller ausdrücklich begrüßt hat, Mülheim-Kärlich mit der Zielrichtung mit einzubeziehen, Mülheim-Kärlich so zu lassen, wie es ist, nämlich vom Netz und nicht am Netz, meine Damen und Herren.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da fehlte der Beifall!)

Gegen die Einbeziehung des Kernkraftwerks MülheimKärlich in die Konsensgespräche bringen Sie immer vor, dass man das nicht benötigte; denf! so wie Sie es sich vorstellten, ginge das Kernkraftwerk sowieso nicht ans Netz.

Meine Damen und Herren, a~ch hierzu nochmal eines zur Klarstellung: Die bisherigen Verfahren in Sachen Schadener

satz sind zugunsten 'des Landes Rheinland-Pfalz ausgegangen. Ich bin guten Mutes und guter Dinge, dass dies auch künftig so sein wird.

Gleichzeitig sind wir aber in einer Situation, dass wir vor dem Hintergrund der 25-jährigen Prozessgeschichte keine Prognose in die Zukunft geben können. Deshalb kann zum jetzigen

. Zeitpunkt auch nicht davon ausgegangen werden, dass alle

Gerichte der Weit eine wie auch immer getroffene Entschei~

dungaufrechterhalten oder wiederherstellen werden. Das ist ein ganz wichtiger Faktor.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir Rechtssicherheit in Rheinland-Pfalz wollen, müssen wir die Rechtssicherheit gleich und in einem überschaubaren Rahmen erreichen; das wäre ein Weg.

Meine Damen und Herren, ich verstehe natürlich, dass· es für die Fraktio·n BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die vor drei Jahren das Wort.,Restlaufzeit" noch nicht buchstabieren konnte, ein.

bisschen schwierig ist, sich hierzu durchzuringen. Ich begrüße es außerordentlich, dass ich nicht falsch verstan-den werde, aber es kann nicht sein, dass, um sozusagen eine hessische Situation zu,reparieren,

(Zuruf des Abg. Dr. Baun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

in Rheinland-Pfalz eine Situation nicht unterstützt wird, die für die Situation in Rheinland-Pfalz, für die Menschen, für die

Ges,amtlag~ und für den Sicherheitsstandort die beste wäre. Deshalb führen wir das Genehmigungsverfahren durch. Die Fakten sind genannt. Die RWE ist am Zug und wird zu bewei

sen haben oder wird eben nicht beweisen können, wie die Situation ist.

Im Übrigen kann ohne Dauerbetriebsgenehmigung kein Kernkraftwerk dieser Welt je auch nur eine Stunde Strom erzeugen. (Beifall der SPD und de·r F.D.P.)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. - Entschuldigung, noch eine Wortmeldung der Abgeordneten Frau Thomas.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Mertes, ich weiß, dass Sie ein Meister im Missverstehen sind und immer gern versuchen, uns Naivität oder Gutgläubigkeit oder sonst etwas anzuhängen. Sie wissen· ganz genau, dass ich mit dem Auf-den-Tisch-Hauen nicht die RWE gemeint habe. Natürlich setzen Sie sich bei der RWE nicht durch, wenn Sie auf den Tisch hauen. (Bruch, SPD: Wir setzen uns auch nicht bei Gerichten durch!)