gilt es, Elemente unterschiedlichster Politikbereiche besser aufeinander abzustimmen, also Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, die sozialen Sicherungssysteme und nicht zuletzt auch unser Steuersystem. Die Fülle von unterschiedlichsten Berichten im Feld der Sozialbe:ichterstattu ng auf Bundes- und auf·Länderebene bietet dort in jeweiligen Un
terabschnitten zwar Aussagen über benachteiligte Gruppen, aber dies kann letztlich nicht eine umfassende Armutsbe
richterstattung ersetzen. Ein Armutsbericht soll zudem dazu dienen, Ziele zur Armutsbekämpfung zu 'operationalisieren und eine Kontrolle der Erreichurig dieser Ziele zu eröffnen.
Meine Damen und Herren, herrscht bis hierhin noch allseitige Übereinstimmung, beginnen die Probleme bereits bei der wesentlichen Grundlage zu einem Armutsbericht überhaupt, nämlich der Frage, worüber berichtet werden soll. Dazu muss die Definition von Armut erst einmal festliegen. Orientiert sie sich an den Ressourcen, die einer Person oder einer Familie in bestimmtem Umfang zur Verfügung stehen? Orientiert sie sich an den Leb~nslagen einer Person? Orientiert sie sich an der staatlichen Mindestsicherungsregelung bei uns, also der Sozialhilfe? Jede dieser Betrachtungsweisen gibt Einzelfacetten von Armut wieder.
Würde man Armut in allen drei Richtungen parallel zueinander analysieren, wäre dies mit Sicherheit optimal. Das stößt aber an die Grenze der dazu zur Verfügung stehenden Datenmaterialien. Aus diesem Grunde beschränken sich beste
hende Armutsberichte vorrangig auf Einkommensarinut. Daneben werden dann zusätzlich Unterschiede bestimmter Lebenslagen von Personen im Unterschied zum Bevölkerungs~
.durchschnitt dargestellt, nämlich Wohnungsversorgung, Ge-..sundheitsstand, Ausbildungsstand, Arbeitslosigkeit und Er
werbsunfähigkeit. Eines wird daraus klar: Armut als sichtbare Ausprägung von bloßer materieller Armut greift viel zu kurz. Sie ist vielmehr eine Kombination unterschiedlichster Defizite.
gesetzt, dass jener arm sei, der nur über die Hälfte des Durchschnittseinkommens in einer Gesellschaft verfüge. Diese relative Armut misst aber keine tatsächliche. Notlage, sondern nur die Ungleichheit bezogen auf durchschnittliche Einkommensverhältnisse. Auch die OECD bezeichnet diese Definition als eine willkürliche Festlegung. Dennoch hat auch sie diese für eine vergleichende Studie zur Lage Armer in den vier reichen Ländern Kanada, Deutschland, USA und Großbritannien zugrunde gelegt. Diese Studie führte zu folgenden Ergebnissen:
mehrjährigen Zeitraum einmal eine ·Phase mit Niedrigein-kommen. Diese Phasen sind in der Regel kurz. Längere Pha
sen durchlaufen Personen mit ganz besonderen Schwierigkeiten, denen entweder wenig Hilfe geboten wird oder die sich auch nicht helfen lassen.
tungen unabdingbar in, Rechnung zu stellen. Die Fluktuation unter den Personen mit Phasen von Niedrigeinkommen ist sehr hoch. Es trifft nicht immer die Gleichen. Der Begriff der. Zwei-Drittel-Gesellschaft trifft nicht zu, Niedrigeinkommensphasen sind nicht bloß auf eine untere Bevölkerungsschicht konzentriert. Aus dieser Tatsache ergibt sich ein wichtiger Aspekt in einer Armutsberichterstattung. Die Permanenz der gesellschaftlichen Armut entsteht dadurch, dass immer wieder MenschenArmutslagen verlassen, andere in sie absil')ken oder in sie hineingeboren werden. Die individuelle
schiede dabei zwischen einzelnen Gruppen und Veränderungen dieses Phänomens in bestimmten Zeiträumen gehören in eine Armutsberichterstattung deshalb dringend hinein. ·
Meine Damen und Herren, über die Abgrenzung des Armutsbegriffs ist die Diskussion also durchaus nicht abgeschlossen und ein breiter Konsen~ bis jetzt nicht gege~en. Einigermaßen repräsentative Datenbasen, die auch über längere Zeit Anteil und Struktur von Armutspopulation erkennen lassen, bietet die Sozialhilfestatistik. Hiersetzen die Kritiker dann sofort wieder an. Sozialhilfe könne kein Indikator für steigende Armut sein, da sie schließlich gerade dazu gewährt werde, Armut zu verhindern. Sie soll gleichzeitig Brücke zur Rückkehr ins Erwerbsleben sein. Wenn die Schwelle also angehoben würde, ab der Sozialhilfe bezogen werden kann, wäre dann die Armut geringer, weil weniger Sozialhilf~bezieher registriert werden?
Meine Damen und Herren, aus dies!!r nur fragmentarischen Darstellung wird sichtbar, dass jede Armutsberichterstattung aus einer jeweils anderen Werturteilsposition heraus kritisiert werden kann. Das gilt für alle, die auch an der bestehenden Berichterstattung Kritik üben, ob berechtigt odernicht.
Meine Damen und Herren, welche Erwartungen können wir dennoch gemeinsam an einen Armutsbericht in einem kleinen Bundesland knüpfen, ohne uns zwischen Skandalisierungsabsichten einerseits und hoffnungsloser Überforderung
unser~r Möglichkeiten andererseits aufreiben zu Jassen? Wenn kritische Analyse eines Berichtes und praktische Umsetzung eklatant auseinander klaffen, entartet der Umgang mit einem Bericht zur folgenlosen Spielwiese. Daran kann uns al. Jen nicht gelegen sein.
Die Landesregierung hat deshalb zu ihrem vorgelegten Bericht im Vorwort klar und deutlich festgelegt, dass es ihr um die Beschreibung sozialer Wirklichkeit und um die Darstellung der ergriffenen Maßnahmen zur Bewältigung von Armut geht. Damit wird dennoch die Mehrheit jener Erwartungen erfüllt, die vom Institut für Soziologie Mainz bei der Anhörung genannt wurden:
Was offen geblieben ist, kann in fortgeschriebenen Berichten aufgenommen werden. Die Kritik an der Nichtbeteiligung Betroffener und·sozialer Organisationen wurde entgegengenommen und die ~iskussionen mit ihnen eingeleitet.
Meine Damen und Herren, nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass man damit gerade in einem kleinen Bundesland vor spezielle Probleme gestellt ,ist. So sind Grunddaten aus vorliegenden Statistiken für eine Analyse wenig aussagefähig, da sich daraus für Rheinland-Pfalz zu geringe Fallzahlen
ergeben. Gerade für Problemgruppen bedarf.es deshalb eigenständiger empirischer Untersuchungen. Um gerade dieses Problem zu lösen, erging ein entsprechender Auftrag an einen Wissenschaftler, um eine Detailstudie zu erstellen. Darüber hinaus sind selbst dann hoch weitere Aussagen über besondere regionale und lokale Ausprägung von Armut wünschenswert, um ihr angemessen begegnen zu können.
Meine Damen und Herren, da ein solcher Bericht keine Eintagsfliege sein darf,' bedarf es der kontinuierlichen Fortschreibung, wie auch im Antrag der SPD zu Recht gefordert. Gerade diese kann dazu beitragen, dass sich Zeitreihen über die Entwicklung von Armut, unterschiedliche Betroffenheit in bestimmten Bevölkerungsgruppen und die sich. wandelnde Situation spezifischer Problemgruppen ergeben. Gerade die biografische Dynamik in der Dauer von Armut und der Se
Mit diesem erstmaligen Bericht io Rheinland-Pfalz zur sozialen Wirklichkeit in unserem Bundesland wird· ein Beitrag geleistet, der Interesse weckt und Diskussionsstoff für die Auseinandersetzung mit Armut in unserer Gesellschaft liefert. Dass damit nicht der von vielen erwartete große Wurf bezüglich des Armutsberichts gelungen ist, wie vielfach beanstandet wurde, mag stimmen. Eine Chance vergeben haben wir mit Sicherheit dabei aber nicht. Gerade Unvollkommenes regt an, fordert auf, an der Verbesserung mitzuwirken. Eine Basis, auf der diskutiert werden kann, liegt mit dem Bericht auf alle Fälle vor.
Erst das Zusammenführen von vielen einzelnen Informationen, Erfahrungen und Wahrnehmungen wird uns einen hinreichenden Hintergrund liefern, vor dem uns die Armutsbekämpfung gelingen kann. Nichts wäre für Betroffene schlim
' mer, als wenn wir uns in unrealistischen und damit unpraktikablen und nicht realisierbaren Maßnahmen und Höhenflügen versteigen würden.
Meine Damen und Herren, damit bin ich abschließend bei dem, was für die F.D.P. innerhalb eines Armutsberichts über die reine Bestandsaufnahm~ durchgeführter Maßnahmen hinausgehen muss. Eine Analyse des Verhältnisses von Aufwand, Durchführung und Erfolg von Maßnahmen ist unabdingbar. Die Einforderung der notwendigen Mitarbeit der Betroffenen muss dabei nicht tabuisiert werden..Konzeptionen im Blick auf eine notwendig werdenCle Verbesserung und Optimierung bestehender Maßnahmen sind zu erarbeiten. Diese Maßnahmen müssen letztendlich vor allem dieser Vorstellung gerecht werden. Auch Arme sind in ihrer sozialen Lage ernst zu nehmen als Handelnde, als Subjekte, die ihren eigenen Lebenslauf mitgestalten, aber auch Verantwortung dafür tragen. Institutionell bearbeitete Armut darf nicht für jeweils andere Interessen instrumentalisiert werden.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Bericht ist ein Anfang für einen Armutsbericht gemacht worden. Er wird weitere nach sich ziehen. Angegangene Maßnahmen verstärkt fortzuführen ist die Aufforderung im Antrag der SPD. Neue und optimierte Maßnahmen müssen mit Sicherheit hinzukommen, mit Sicherheit auch eine verbesserte Datengrundlage.
Die von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag zur gesundheitlichen Versorgung von Armut Betroffener aufgestellten Forderungen sind vollinhaltlich als sinnvolle
Bevor ich dem Minister das Wort erteile, freue ich mich, einen besonderen Gast im Pienarsaal des Landtags begr.üßen zu dürfen, und zwar den Premierminister der Republik Ruanda, Herrn Bernhard Makuza. Herzlich willkommen!