Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Zuvor möchte ich noch drei Bemerkungen zu dem machen, was die Rednerinnen und Redner ausgeführt haben.

1. Die mit der medizinischen Behandlung und der pflegeri~

sehen Versorgung der Demenzkranken verbundenen Proble

me einschließlich der notwendigen Hilfestellung für betreu• · ende Angehörige sind auch künftig eingebettet in die bestehenden Hilfestrukturen zu lösen. Diese bestehenden Hilfsstrukturen sind in Rheinland-Pfalzdurch eine große Differen-. zierung des stat~onären Angebots und durch eine ungewöhn-. lieh gut ausgebaute Situation im ambulanten Bereich gekennzeichnet.

2: Die Landesregierung hat in der Vergangenheit und wird auch in der Zukunft Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, um die Versorgungsstrukturen für Demenzkranke den Anforderungen der Zukunft anzupassen.

3. Ich sehe Irinsichtlich einer Ergänzung der Pflegeversicherung allerdings nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten. Ich glaube, dass es vor allem darum geht, innerhalb des beste

henden Angebots und der bestehenden Bedingungen von

SGB V und SGB XI zu handeln und die Chancen zu nutzen.

Ich komme noch zu der Situation der Statistiken. Ich glaube, es gibt hier und bei den genannten Zahlen große Unschärfen.

Es ist auffällig, wie sehr die Zahlen voneinander abweichen. Ich glaube, dass die Annahme, dass 50% aller Heimbewohnerinnen und Heimbewohner heute bereits Probleme der Demenz aufweisen, nicht richtig ist. Der Caritasverband hat vor kurzem bei den über 90-Jährigen 40 % und bei den über SO-Jährigen 25 o/o angenommen. 6 % der Bevölkerung über 65 Jahre leben in Heimen. lch·glaube, dies dient auch dazu, das Problem etwas einzugrenzen. Es ist denneich groß genug.

Ich komme zu den einzelnen Schritten:

1. Wir werden die Sensibilisierung und Qualifizierung von Hausärzten in der konsequenten Umsetzung der Gesundheitsreform,.,Hausarzt als Lotse", auch dazu nutzen, besonders in diesem Gebiet Fortbildungen durch die Landesärztekammer' anzuregen. Die Landesärztekammer wird auf unseren Wunsch hin di~ses Gebiet aufgreifen.

2. Ausbau des Angebots psychiatrischer Tageskliniken. ·

Rheinland-Pfalz hat in den letzten fünf Jahren einen immensen Ausbau der psychiatrischen Tageskliniken vorgenommen. Wir werden ihn fortsetzen. Die Einrichtungen werden in der Lage sein, die besonderen Situationen der Hilfe zu realisieren.

3. Vorbereitung der Krankenhäus~r a·uf die Zunahme der Demenzerkrankungen.

Hier werden wir mit der Krankenhausgesellschaft darüber reden, dass sie sich rechtzeitig darauf einstellt, dass besonders Krankenhäuser auch im Zusammenspiel mit stationären Einrichtungen der Altenhilfe helfen können und für die Angehörigen wirksame Hilfen zur Verfügung stellen.

4. Geforderte Qualifizierungsmaßnahmen für das Pflegeper

sonaL

Der Umgang mit De.menzerkrankungen wird den Altenpflegeschülerinnen und Altenpflegeschülern bereits während der dreijährigen Ausbildung vermittelt. Es wird in Zukunft darauf ankommen, die Ausbildung an neuen Schwerpunkten zu orientieren und sie sowohl.im theoretischen als auch im prak.tischen Teil zu ergänzen.

5. Informations- und Schulungsangebote für Angehörige.

Es wirdwichtig sein,- besonders der Selbsthilfebewegung zusätzliche Möglichkeiten zu geben. Im.laufenden Haushalt. sind die Möglichkeiten der Förderung der Selbsthilfe angehoben worden. Wir habE1n eritspre.chende Schwerpunkte vorgesehen. Wir werden dies besonders in Zukunft auch verstär- ·

ken.

6. Behandlung Demenzkranker bei der Einstufungspraxis der· Pflegekassen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen.

Es fanden schon Gespräche statt, dass sie bei Pflegesituationen die zusätzliche Belastung durch Demenz anerkennen. Dies ist bereits heute Praxis bei der Beurteilung und Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen.

7. 'Bedarfsplanung für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen.

Die Landesregierung hat im Rahmen der Planungsbegleitung und Förderung von Einzeleinrichtungen stets darauf hingewirkt, dass die Belange psychisch beeinträchtigter Menschen mit bedacht und mit berücksichtigt werden. Dies wird sie auch in Zukunft tun.

Be Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Enttabuisierung der Demenzerkrankungen und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Für die Belange der Betroffenen wird in Rheinland-Pfalzvon den tJetroffenen Organisationen und Selbsthilfegruppen bedeutende Arbeit geleistet. Die Landesregierung wird sie , durch Förderung dabei unterstützen und dies auch noch verstärken.

9. Demenzforschung in Rheinland-Pfalz.

in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage ist nachgewiesen, dass in Rheinland-Pfalzder Forschungsumfang im Bereich der Demenzerkrankungen auch und gerade mit dem Schwerpunkt eines versorgungsbezogenen Ansatzes zunimmt. Es wird ein Projekt in Zusammenarbeit zwischen der Landeszentrale für Gesundheitsförderung und der Fachhochschule Mainz vorbereitet, das am Standort Mainz die Möglichkeiten sowohl der Forschung als auch der Praxis erproben wird.

10. Selbsthilfeangebot für Demenzkranke.

Der Entschließungsantrag betont zu Recht die Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Selbsthilfebewegung. in diesem Gebiet ist es besonders notwendig, weil wir viele Angehörige erreichen und sie in ihrer Arbeit unterstützen wollen. Die Demenzkranken befinden sich besonders im häuslichen Bereich. Ich glaube, deshalb ist es wichtig, dass wir die Angehörigen unterstützen und sie in dieser Situation in ihrer Arbeit unterstützen.

Ich bin sicher, das Thema wird uns lange begleiten. Ich bin. aber auch sicher, diese Landesregierung wird sehr adäquate Hilfen dafür bereitstellen.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

\(izepräsident Heinz:

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Dr. Rosenbauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Auernheimer! Was haben Sie uns jetzt eigentlich sagen wollen? Dass Sie uns bei Anträgen von uns immer erklären, dass die Anträge überflüssig sind, sind wir gewohnt. Aber dass Sie jetzt Anträge, die die Regierungsfraktionen mit unterschrieben haben, auch als überflüss,ig erklären, das ist etwas Neu es in diesem Hause. Das muss ich ehrlich sagen.

(Beifall der CDU} Noch erstaunlicher finde ich, dass die SPD noch klatscht. (Beifall der CDU)

Kann die Landesregierung nicht einmal bei einem Antrag sagen: Okay, wir werden den Antrag aufnehmen und versuchen, die Dinge noch besser zu gestalten? - Ich möchte das gern ein einziges Mal in diesem Haus erleben.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Staatsministerin Frau Dr. Götte das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Auernheimer hat keineswegs gesagt, dass wir alle Aufgaben erledigt haben, sondern er hat gesagt, dass er alle diese zehn Punkte aufgreifen will, und bei der Gelegenheit betont, welche Anfänge bereits gemacht sind, wo wir schon aktiv geworden sind. Es wäre auch schlimm, wenn wir am Nullpunkt anfangen müssten.

Meine Damen ·und Herren, wenn die Statistiken stimmen, wird ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Menschen, die jetzt in diesem Raum sind, später an Demenz erkranken. Das muss man sich immer klarmachen, um sich die Dramatik der Situation in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland. begreiflich zu machen.

Ich möchte aus familien- und frauenpolitischer Sicht dem

·Landtag ausdrücklich danken, dass sich alle vier Fraktionen zusammengeschlossen und dieses brennende Problem aufge

griffen haben; denn es gibt in der Familienpolitik meines Er-· achtens keinen Bereich, der noch so wenig gelöst ist wie die Versorgung von Demenzkranken in der Familie. Man muss schon sehr genau hinschauen, um zu ~ehen, was eige.ntlich von denen verlangt wird, die pflegen. Demenzkranke sind sehr viel anstrengender als etwa ~in bettlägeriger Angehöriger, der von Zeit zu Zeit versorgt werden muss. Ein Demenz

kranker muss in jeder Minute betreut werden. Er gibt auch nachts keine Ruhe. Das bedeutet: 24 Stunden verantwortlich

zu sein für einen Mitmenschen und dennoch als Familienangehöriger noch Zuwendung, Liebe, Geduld, Fürsorge zu bewahren und nicht in eine Situation der totalen Überforderung abzudriften, die dann, wie wir es aus vielen Einzelbei