Protokoll der Sitzung vom 15.06.2000

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. Was Sie gemacht haben, ist ein frommer Selbstbetrug, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mertes das W,ort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Böhr muss sich nun entscheiden. ln seiner Presseerklärung ist von dem Niedergang des Technologie-, Forschungs- und Energiestandorts Rheinland-Pfalz die Rede, während es hier vorne ein frommer Selbstbetrug· ist. Sie müssen schon ·sagen, was das wirklich ist.

ln Wirklichkeit gilt Folgendes: Sie ärgern sich zu Tode, weil wir mit der Energiewirtschaft auskommen und es geschafft haben, einen vernünftigen Ausstieg zu organisieren.

(Beifall der SPD und der F.D.P.

Zurufe der CDU}

Sje haben erwartet, dass Ihre alten Seilschaften tragen würden, dass Sie es durchhalten würden und dass die Energiewirtschaft nicht zustimmen würde.

Ich sage Ihnen Foigendes: Was wäre das für eine Bundesregierung, die gesagt hätte: Jetzt und heute wird abgeschaltet,

·weil wir die Macht darüber haben. - Dann hätten Sie gesagt: Sie würgen eine ganze WirtSchaft ab. - Sie hätten Zahlen über Kraftwerke geliefert.

Meine Damen und Herren, es muss ein langfristiger Ausstieg vollzogen werden können, damit wir uns darauf vorbereiten könnten, mit welchem anderen Strom wir die Bundesrepublik Deutschland künftig beliefern wollen. Genau das ist der Fort

schritt in der Geschichte.

Sie glauben gar nicht, wie breit die Meinungen der CDU gefächert sind. Der gute Klaus Töpfer sa.gt jetzt zum Beispiel, e~ sei' natürlich richtig, einen nationalen Alleingang zu machen, weil wir wie bei der Katalysatortechnologie am Ende technologisch führend sein würden. Dies würde für Europa beispielhaft sein. Klaus Töpf,er, komm doch bitte noch einmal zurück! Die Ji.mgs wissen das alles nicht!

(Heiterkeit und Beifall bei SPD

und F.D.P.}

Meine Damen und Herren, natürlich ist das ein Risiko, eine Bürde u~d eine große Herausforderung, aber nur so wird das in Eu_ropa funktionieren, indem wir zum Beispiel gemeinsam mit den Schweden das Modell verfolgen.

Das schwedische Modell hat aber ein Pferdefüßchen. Erstens dauert es 40 Jahre, und zweitens kostet es Geld. Unsere Variante dauert 32 Jahre und kostet kein Geld. '

Meine Damen und Herren, diese Einigung macht Ihnen zu schaffen: Die CDU ist so modern wie ein Unternehmen, das im Computerzeitalter mechanische Schreibmaschinen verkaufen will. Das ist Ihre Bestimmung und Ihre Zukunft.

(Beifall der SPD}

Ich erteile Staatsministerin Frau Martini. das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man die Dis

.. kussion Revue passiere~ lässt, lässt sich auch durch die kriti

schen Äußerungen auf jeden Fall der rote Faden ziehen, dass

niemand etwas dagegen hat, dass das Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich nicht wieder ans Netz geht; denn Ihre Argumente treffen so nicht zu: Herr Böhr.

Wenn Sie die Vereinbarung und den Werdegaog der Vereinbarung genau betrachten, stellen Sie fest, dass gerade die Frage der Laufzeit, die zwischen den Koalitionspartnern in Berlin 'durchaus heftig umstritten war, ein wichtiger Garant dafür ist, dass wir die Generationenaufgabe erfüllen; eine neue Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland

u~d in Europa aufzubau~n.

(Zuruf des Abg. Schöneberg, CDU)

Natürlich kann es nicht unser Interesse sein, und es ist auch niemandes Interesse,

(Licht, CDU: Entweder hat man lh nen von der Veranstaltung nicht alles berichtet, oder Sie wollen es nicht zur Kenntnis nehmen!}

unsicheren Atomstrom aus Osteuropa in unsere Netze zu speisen. Diese Situation können wir nur dadurch verhindern, indem wir' uns mit den wirtschaftlichen Ressourcen, die irinerhalb der Restlaufzeit noch erarbeitet werden, die durch die Stärkung der Leistungsfähigkeit unserer Stromversorgungsunternehmen in DeutSchland gegeben sind, mit voller Kraft. in den Umbau der Energietechnik in Deutschland und Europa stürzen.

Wenn die alte Bundesregierung nicht so voreilig und so schnell den liberalisierten Energiemarkt in per Bundesrepu

blik Deutschland zu hundert Prozent eingeführt hätte, im Gegensatz zu den Franzosen, die das nicht getan haben,

(ltzek, SPO: So i~t es!} wären viele unserer Energieversorgungsunternehmen, deren Klage Sie jetzt führen, ohne dass sie selbst diese führen, nicht il') der wirtschaftlich schwierigen Situation, in der sie heute sind. Deshalb- das war auch ein Konfliktpotenzial in Berlin

bin ich froh, dass sich die Linie des Bundeskanzlers durchgesetzt hat: Deshalb benötigen wir die Zeit und die wirtschaftlichen Erträgnisse, um nicht auf Strom aus Osteuropa aus unsicheren Atomkraftwerken angewiesen zu sein.

Wenn Sie heute sagen, wir schalten ab und nehmen den

· Strom aus Tschernobyl, trifft das nicht die Wahrheit oder nicht die ganze Wahrheit. Sie wissen genau, dass bereits un

ter der alten Bundesregierung Strom aus Tsch.ernobyl i~ die Netze geflossen ist. Sie wissen, dass auch Strom aus Cattenom kor:nmt. Jetzt so zu tun, als wäre dieser Konsens ursächlich dafür, dass das so bleibt, ist die falsche Interpretation.

(Schöneberg, CDU: Es sind noch mehr!)

Unser Ziel ist es, die unsicheren osteuropäischen Reaktoren zum Stillstand zu bringen, oder dort, wo immer es möglich ist, sie technisch so aufzurüsten, dass sie keine Gefährdung bedeuten.

(Schöneberg, CDU: Ist das überhaupt möglich?)

Dafür brauchen wir in Deutschland das Know-how, das exportierbar ist.

(Schöneberg, CDU: Ist es möglich oder nicht?)

Unser Ziel muss es sein und ist es, den Umbau der Energiever

sorgung so zu gestalten, dass wir eine andere Form der Energieerzeugung haben.

Herr Kollege Mertes hat erfreulicherweise meinen Vorvor

gänger im Amt, Herrn Klaus Töpfer, angesprochen. Da darf ich auch noch einmal Ihr Gedächtnis bemühen. Im Jahr 1990 oder 1991 ist unter der Leitung des Bundesumweltministers Töpfer eine Energiekonsensrunde auf Bundesebene mit dem