Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

sein, als wir mehrfach dieses Gesetz geändert h3ben, :ils wir mehr Elternrecht, mehr Schülerrechte in dieses Gesetz hineingebracht haben,

(Zuruf der Abg; Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DJE GRÜNEN)

als wir die Retormprojekte Regionale Schul~ und Volle Halbtagsschule flächendeckend umgesetzt, einge;führt und anschließend im Schulgesetz verankert haben.

(Vizepräsident Schuler übernimmt den Vorsitz)

Wir haben große Reformvorhaben in dieses Schulgesetz hineingebracht.

Ich möchte betonen, dieses Schulgesetz hat seine Funktionsund Steuerfähigkeit immer noch, auch wenn der Duktus vielleicht der Duktus des Jahres 1975 ist. Die daraus resultierenden Verwaltungs- und Rechtsvorschriften sind auf neue~tem Stand und lassen Schulen und alle an der Schule Beteiligten jeden Tag wissen; woran sie sind und was in dieser Schule Sache ist.

Auch bereits jetzt ist es in diesem Schulgesetz möglich, Freiräume für Schulen, wesentlich mehr Selbsts_tändigkeit und Selbstverantwortung einzuräumen. Das ist mir auch ganz wichtig. Der Alltag in den Schulen beweist es. Alle Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben, beweisen es. Neue· pädagogische und didaktische Wege in den Schulen sind auch bereits in diesem Schulgesetz möglich. Das allein ist nicht der Grund, ein neues Gesetz zu schreiben.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sogar noch erklärt,_ sie würden das Schulgesetz so vereinfachen und verschlanken, dass gar keine Rechtsverordnungen und Vervvaltungsvorschriften notwendig seien. Letztes Mal habe ich darauf hingewiesen, dass Sie an ungezählten

Stellen neue Ermächtigungen und Rechtsverordnungen erlassen wollen. Damit machen Sie einen wesentlich aufgeblähteren Vorschlag, als er bis jetzt vorliegt und handhabbar ist.

(Vereinzelt Beifallbei der SPD)

Sie· machen noch ein weiteres: Sie verschieben Zuständig

- keitsebenen. Ich glaube, das ist etwas, worüber man sehr stark nachdenken muss. Das bedeutet in der Realität ihres Gesetzes, dass Sie die wesentlich an Schule Beteiligten, die heutigen Entscheidungsträger, entmachten. Sie lassen die Zuständigkeiten nämlich nicht dort, wo sie sind, in der einzelnen Schule, in dem konstruktiven Miteinander von Schulauf

- sieht und Schule, oder noch wesentlicher, in der wissenschaftlichen Arbeit von Lehrplankommissionen, sondern Sie verschieben diese Aufgaben zum einen in ehrenamtliche Gremien und zum anderen vor allen Dingen in Entscheidungen des Parlaments. Entscheidungen, die heute Ministerium und Schulaufsicht treffen, sollen künftig nach Ihrem Vorschlag Parlamente entscheiden bzw. Ausschüsse des Parlaments.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grundsätzliche! Nichts anderes als grundsätzliche!)

- Nicht die Grundsätze, sondern die Ausführungen. Sie müssen Ihr eigenes Gesetz lesen. Sie nehmen damit der Schule ihre eigentliche Verantwortung. Wenn Sie sagen, Sie haben das Gesetz geschrieben, um mehr Verantvvortung an die Schulen zu geben, kann ich nur sagen, schlecht gedacht,_ Sie machen das Gegenteil. Sie nehmen der Schule ihre Verantvvortung. Sie n~hmen der Schule die Chance, im Miteinander mit Universitäten und Fachhochschulen, auf die Sie auch so viel Wert legen, pädagogische Konzepte neu zu entwickeln, Sie setzen diese Konzepte sogar dem Zufall politischer Mehrheitsentscheidungen bei Wahlen aus.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und F.D.P.)

Ich kann darin keinen Fortschritt und kein Mehr an Verantwortung sehen, sondern ich kann damit nur noch ein Mehr an Gefahr und ein Mehr an möglicher Beliebigkeitsehen.

(Kuhn, F.D.P.: Sehr richtig!)

Dann tun Sie in Ihrem Gesetz noch etwas. Das finde ich im Besonderen bedenklich. Sie. verkomplizi_eren das Arbeiten an den Schulen und gal}Z extrem in den Schulbehörden. Statt

_ Selbstverantwortung kommt ein Wust von Abstimmung und Berichtspflicht auf die Schulen zu. Nach Ihrem Gesetzentwurf verlieren sich Schulleitungen im Organisieren differenziertester Beteiligungs-- und Abstimmungsverfahren, im Studieren von lnternetkommentierungen zu oeabsichtigten Bildungsplänen, im Bemühen, ehrenamtlich tätige Eltern und Jugend- _ liehe für. eine kontinuierliche Mitarbeit im Schulforum, dem konstituierenden Element Ihrer Schulpolitik, zu motivieren, bei der Stange zu halten

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da unterschätzen Sie aber die Schul- -leitungen! Das fällt Ihnen vielleicht schwer!)

- eine wahrscheinlich wirklich sehr komplizierte Arbeit-, ohne dann, weil diese Schulleitung nämlich stimmrechtslos ist,

selbst an der Gestaltung von Inhalt und Struktur des Schulle

bens teilnehmen zu können.

(Schweitzer, SPD: Findet dann noch Unterrichtstatt?)

Schulleben wird in Ihrem Gesetz in einem Maß einflusslos, dass man sich wirklich fragen muss, was Sie glauben, welche Pädagoginnen und Pädagogen sich für eine solche Position zur Verfügung stellen. ln einem ganz komplizierten, zeitaufwe_ndigen Verfahren kommen diese Menschen überhaupt erst in das !'

(Schweitzer, SPD: Das istdie unterrichtsfreie Schule!)

Sie ~verden dann mit den vielfältigsten Aufgaben von Schulorganisation betraut. Aber überall dort und überall dann, wenn entschieden werden soll, wenn Leitlinien entwickelt und Maßnahmen beschlossen werden sollen oder wenn Konflikte geregelt werden müssen, dann sitzt diese Schulleitung rechtlos und vor allen Dingen dann wahrscheinlich nach kürzester Zeit auch ziemlich teilnahmslos daneben. Wer eigentlich soll sich diese Aufgabe vori Schulleitung antun? Wie sieht denn Ihr Bild von Pädagogen tatsächlich aus?

Sie reden ständig von Lehrerbildung, und Sie schreiben uns ein Bild von Pädagoginnen in Schulleitungen vor, die sich wirklich als Kasper irgendwo her ihre Beschlüsse holen und

ausführen müssen, ohne auch nur den Hauch der eigEnen

Mitwirkung zu haben.

-(Vereinzelt Beifall bei

SPD und F.D.P.)

Für miCh ist es deshalb kein Wunder, dass-sich die Lehrerverbände bei der von Ihnen durchgeführten Anhörung in Ihrer Fraktion mit aller Entschiedenheit _gegen diesen Gesetzentwurf gewandt haben und sie die hohe Regelungsdichte und die Entmachtung von Schulleitungen heftig kritisiert haben. Aber zu meiner Beruhigung hat Herr Dahm im Ausschuss gesagt, dieses Gesetz muss sicherlich an ganz vielen Stellen noch nachgebessert werden. Da~ ist längst nicht der letzte Stand.

Wir müssen über vieles noch nachdenken.

(Frau Thoma:;, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hat er nicht gesagt!)

Wir sind auch der Meinung, dass man über viele Themen der Bildung noch nachdenken mu~s und man in einH Zeit, in der sich Gesellschaft und Wirtehaft so dramatisch wandeln, 11vie das im Moment geschieht, auch das Bildungssystem ganz stark unter die Lupe nehmen muss, neue Ideen entwickeln

muss, neue Methoden in der Schule einführen und neue Strukturen durchsetzen muss. Das haben wir in diesem Paria

- ment mit Anträgen 3ngeregt.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umsetzen!)

Wir haben Anträge zur Qualitatssicherung, zur Lehrerbildung, zu Multin1edia in der Schule und vielem mehr gestellt, um genau diese Diskussion zu führen, um dem Bildungsministerium, dem Mini~terium, da~ die Aufgabe hat, die Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, die Leitlinien zu geben. Dafür sind wir in diesem Parlament zuständig. Diese IdeEnbörse

haben wir zu leisten. Ich wiederhole das. Wir arbeiten an weiteren Fragen. Wir arbeiten im Parlament, und wir arbeiten in den Fraktionen an der Frage eines nEuen Konzepts zur Integration Beeinträchtigter in den Regelunterricht.

(Franzmann, SPD: Jawohl!)

Wir arbeiten an der Frage effektiver Beteiligung von Schulen

beim Einstellungsverfahren junger Lehrerinnen und Lehrer. Wir arbeiten an der Frage leistungsorientierter Besoldung von besonders engagierten Lehrkräften.

(Beifall des Abg. Franzmann, SPD)

Aber all diese Fragen, die wir im iVloment erarbeiten, sind längst nicht in dem Zustand, in ein Ge~etz gekleidet zu werden, so wie Sie das bereits tun. Vlfie wollen 5ie mit den beteiligten Schulen, mit den an S~hule beteiligten ivlen;chen diskutieren. Wir vertrauen dabei- das sage ich Ihnen ganz deut

- lieh - auf das bis jetzt vorliegende Schulgesetz, auf die bis jetzt vorhandenen Verantwortlichkeiten in Schulverwaltung, im Ministerium, in Schulaufsicht, in den Schulen selbst.