Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

dass nicht mehr diese brutale Alternative besteht zwischen arbeiten zu gehen und Kinder zu bekommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Leppla.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen Rheinland-Pfalz zu einem besonders familienfreundlichen Land machen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Geisen, FDP)

Darum ist ein Schwerpunkt unserer Politik die Familienhilfestellung in allen Lebensbereichen, also auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Schon in der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Familienpolitik im Februar 2004 und in der Aussprache im darauf folgenden September nahm das Thema „Leben mit Kindern und Erwerbstätigkeit vereinbaren“ einen breiten Raum ein. Vieles, was Herr Kollege Marz angesprochen und gefordert hat, ist schon in der Umsetzung. Deshalb möchte ich heute nur beispielhaft aufzählen, was wir im Land schon alles in die Wege geleitet haben.

Gestern beispielsweise ist das Landesgesetz zum Ausbau der Frühförderung in der ersten Lesung beraten worden. Ich denke, es erübrigt sich, heute den Inhalt zu wiederholen. Es muss aber dennoch gesagt werden, welch bundesweit vorbildlichen Regelungen mit diesem Gesetz für die Kinder und Eltern im Land RheinlandPfalz geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD)

In Rheinland-Pfalz gibt es übrigens – viele wissen das gar nicht – Betriebskindertagesstätten. 17 der vorhandenen 22 Betriebskindergärten sind in die örtlichen Bedarfspläne aufgenommen worden. Die Finanzierung von Betriebskindertagesstätten ist in § 10 Abs. 3 des Kindertagesstättengesetzes geregelt.

Nebenbei bemerkt – auch das wissen viele nicht – können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Kindergartenkosten steuerfrei von ihren Arbeitgebern bezahlen lassen oder der Arbeitgeber kann eine Tagesmutter steuergünstig sponsern.

Eine weitere wichtige Entscheidung in der Landespolitik zur Vereinbarung von Familie und Beruf war und ist unser erfolgreiches Ganztagsschulprogramm. Auch bei der Einführung von Studienkonten für ein gebührenfreies Erststudium ist darauf geachtet worden, dass die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Studium und Familie oder von Beruf und Familie nicht eingeschränkt wird. Ich erinnere hier an den Anspruch auf Verwendung des Studienkontorestguthabens, das unabhängig vom Stu

diengang und der Studiendauer genutzt werden kann von denen, die minderjährige Kinder erziehen oder pflegen.

Meine Damen und Herren, Familienfreundlichkeit kann man nicht verordnen, aber Sie stimmen sicherlich mit mir überein, dass wir schon vieles im Land getan haben, um die Lust auf Familie zu wecken.

Herr Marz hat das sehr erfolgreiche Programm „Viva Familia“ des MASFG angesprochen. In diesem Programm werden die Arbeitsfelder zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien aufgeführt. Ein Kapitel davon befasst sich mit der familienbewussten Arbeitswelt. Dies war übrigens eines der ersten Themen, mit dem sich der im Jahr 2003 gegründete Landesbeirat für Familienpolitik befasst hat. Gemeinsam mit dem Ministerium wurde dann die Studie „Familienfreundliche Gestaltung der Erwerbstätigkeit in Rheinland-Pfalz in Gegenwart und Zukunft“ in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Studie wurde im Juni vorgestellt. Die Studie belegt, dass positive Prozesse in Gang gesetzt wurden, in manchen Unternehmen ein Umdenken stattgefunden hat, wir aber immer noch am Beginn einer notwendigen Entwicklung stehen.

Hier setzt unser Dialog mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ein. Es geht um die Bewusstseinsbildung im Hinblick darauf, dass Investitionen in Familienfreundlichkeit in unser aller Interesse liegen und sie sich für die Betriebe auszahlen.

Die vom Bundesministerium in Auftrag gegebene und schon erwähnte Prognos-Studie „Betriebswirtschaftliche Effekte, familienfreundliche Maßnahmen und KostenNutzen-Analyse“ zeigt auf, wie sich die Einführung familienbewusster Maßnahmen für Unternehmen rechnet. Überbrückungs-, Fluktuations- und Wiedereingliederungskosten werden vermieden sowie eine höhere Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreicht.

Im Wissen, dass eine gute familienbewusste Personal- und Unternehmenspolitik ein harter Wirtschafts- und Standortfaktor ist, fördert das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit mit dem Instrument „Audit Beruf und Familie“ die Umsetzung einer familienbewussten Personalpolitik in rheinland-pfälzischen Unternehmen. Ziel ist es, durch das Audit „Beruf und Familie“ in einem auf das Unternehmen zugeschnittenen Prozess familiengerechte Lösungen in dem Betrieb zu finden.

Im Rahmen der Auditierung wird zunächst mit unterstützender und moderierender Beratung der Status quo ermittelt und überprüft sowie ein Grundzertifikat erteilt. Auf dieser Basis werden betriebsbezogene konkrete Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung einer familienbewussten Personalpolitik in den Betrieben für eine dreijährige Umsetzungsphase vereinbart. Ist diese erfolgreich, erhält der Betrieb ein weiteres Zertifikat. Das ist übrigens ein europaweit geschütztes Markenzeichen, das sich meiner Meinung nach in der Zukunft auch gut für Werbung und dergleichen einsetzen lässt.

Rheinland-Pfalz unterstützt als einziges Bundesland dieses von Renate Schmidt und der Hertie-Stiftung bun

desweit initiierte Audit finanziell. Bei Kleinbetrieben werden die Kosten sogar ganz übernommen.

Es ist aber nicht nur das zu erwähnen, sondern das Land geht auch beispielhaft voran. Sowohl das Familienministerium als auch das Umweltministerium beteiligen sich an dieser Auditierung und haben beide in der vergangenen Woche in Berlin das Grundzertifikat überreicht bekommen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Fazit zu unserer Arbeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf: Wir sagen ja dazu, den von den GRÜNEN gestellten Antrag an den Ausschuss zu überweisen; denn wir setzen uns zusammen mit der Landesregierung für ein Bündnis aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte ein – Länder, Kommunen, freie Träger, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, nicht zuletzt mit den Familien selbst und deren vielfältigen Organisationen und Initiativen –, um RheinlandPfalz zu einem besonders familienfreundlichen Land zu machen.

Vielen Dank. (Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Huth-Haage das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Leben mit Kindern und Erwerbstätigkeit vereinbaren“, so lautet der Titel des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das klingt gut und gefällig; denn wer will das nicht. Wir alle wissen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein zentrales Thema einer verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Politik ist und sicherlich auch künftig noch wichtiger werden wird.

Beim Lesen des Antrags ist mir sehr viel bekannt vorgekommen. Vieles hat man so schon ähnlich gehört. Tatsächlich, in der Enquete-Kommission „Zukunft der Arbeit“ haben wir in der Vorlage 136 ziemlich genau das stehen, was in diesem Antrag steht. Meine Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich möchte das an dieser Stelle sagen: Ich halte es für politisch keinen guten Stil, wenn wir wissenschaftliche Vorlagen aus der Arbeit einer Kommission herausnehmen und das als Antrag verbraten, bevor wir in der Kommission darüber gesprochen haben. Das kann man tun, aber das ist kein guter Stil.

(Beifall der CDU)

Dadurch wird ein bisschen der Charakter dieses Antrags offenbart. Es handelt sich leider um einen Showantrag, dessen Existenz wir allein der Tatsache zu verdanken haben, dass wir in drei Tagen vorgezogene Bundestagswahlen haben.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, zum Inhalt: Da sind wir ganz nah beieinander. Wir brauchen sicherlich eine bedarfsgerechte Betreuung und – das ist uns ganz besonders wichtig – eine qualitativ hochwertige Betreuung. Mich stört, wenn Sie an einem Punkt schreiben, die Betreuungszeiten sollen den Belangen der Erwerbstätigen entsprechen. Das ist richtig. Da fehlt aber etwas. Es fehlt, dass sie auch den Belangen der Kinder entsprechen müssen. Da zeigt sich wieder, dass Sie kein Fingerspitzengefühl haben. Selbstverständlich müssen auch die Belange der Kinder berücksichtigt werden.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fordern in einem zweiten Punkt, dass sich in diesem Bereich der öffentliche Dienst stärker engagieren soll. Der öffentliche Dienst soll eine Vorreiterrolle übernehmen. Es ist richtig, dass der öffentliche Dienst das kann. Er kann das sicherlich einfacher tun, als das viele Unternehmen in der freien Wirtschaft tun können.

Sie gehen sehr stark – auch das begrüße ich – auf die Impulse für die Wirtschaft ein, wobei man fairerweise auch dazu sagen muss, dass viele Unternehmen, insbesondere viele mittelständische Unternehmen, schon vor vielen Jahren, teilweise schon vor Jahrzehnten, erkannt haben, wie wichtig familienfreundliche Rahmenbedingungen für die Familien, aber auch für das Unternehmen sind.

(Beifall der CDU)

Ich bin der Meinung, da ist keine Nachhilfe von der Politik notwendig. Natürlich gibt es Dinge, die wir unterstützen und die wir auch als CDU-Fraktion ausdrücklich begrüßen. Das ist beispielsweise das Audit „Familie und Beruf“ der Hertie-Stiftung. Natürlich müssen wir auch weiter aufklärerisch tätig sein, indem wir sagen, dass familienfreundliche Rahmenbedingungen für die Familien, aber auch für die Betriebe wichtig sind, weil die Mitarbeiter motivierter, engagierter und innovativer sind und auch der Krankenstand geringer ist. Ebenfalls ist die Fluktuation in einem solchen Unternehmen geringer. All das ist wichtig. Da sind sicherlich von uns gemeinsam noch ein paar Aufgaben zu bewältigen.

Es hat mich gefreut, dass Sie offenbar an einer Stelle von der CDU gelernt haben. Sie haben geschrieben – das finde ich sehr gut –: „Frauen und Männer, die Kinder haben, müssen frei wählen können, ob und in welchen Anteilen sie Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander verbinden wollen.“

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war schon immer unsere Position!)

Ich werte das als ein ganz klares Bekenntnis zur Wahlfreiheit. Das ist eine zentrale Position der CDU.

(Beifall der CDU)

Wir haben schon immer gesagt, wir müssen alles dafür tun, um Eltern zu unterstützen, die beide berufstätig sein wollen oder sein müssen. Immer mehr müssen es sein. Aber wir haben auch gesagt, wir müssen für die Famili

en, in denen sich ein Elternteil bewusst dafür entscheidet, zu Hause zu bleiben und die Kinder zu erziehen, dafür sorgen, dass auch für diese Familien vernünftige Rahmenbedingungen entstehen und für sie vor allem auch eine gesellschaftliche Akzeptanz vorhanden ist. Wir haben immer gesagt, wir können nicht die Berufstätigkeit beider Elternteile als alleinigen Königsweg propagieren. Deshalb begrüßen wir diesen Part außerordentlich.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe mir überlegt, was Familien heutzutage tatsächlich bewegt. Ich sage Ihnen, das ist vor allen Dingen die wirtschaftliche Situation; das ist vor allem auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Gerade im ländlichen Raum ist die Situation schwierig. Zwei Kinder von mir besuchen den Kindergarten. Wenn ich einmal schaue, wer von den anderen Müttern berufstätig ist – sei es auch nur in Teilzeit –, stelle ich fest, dass Sie diese Mütter an einer Hand abzählen können. Ursache dafür ist bei uns vor Ort nicht so sehr die Betreuungssituation

(Frau Raab, SPD: Das ist nicht wahr!)

das ist in der Tat wahr –, sondern das ist auf die Situation zurückzuführen, dass keine Arbeitsplätze vorhanden sind. Natürlich ist in dem einen oder anderen Fall auch der persönliche Lebensentwurf der Grund dafür – das bleibt jedem unbenommen –, aber es gibt einen Mangel an Arbeitsplätzen. Auch da müssen wir etwas tun.

(Beifall der CDU)

Wenn die Menschen verunsichert sind, keine Zuversicht in die Zukunft und Angst um ihren Arbeitsplatz haben, werden keine Familien gegründet, oder man begnügt sich mit maximal einem Kind. Leider haben wir diese Situation. Deshalb ist es eine familienfreundliche Politik, wenn wir eine gute Wirtschaftspolitik machen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass wieder Wachstum entsteht und wir wieder mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen; denn dann geht es auch den Familien im Land wieder besser.