Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Meine Damen und Herren, vor allem in Rheinland-Pfalz, dem einzigen Bundesland, in dem nach Angaben von Experten noch Atomwaffen gelagert sind, müssen wir dieses Thema immer wieder auf die Agenda bringen und nicht in unseren Bemühungen nachlassen, dass diese schrecklichen Waffen nicht nur aus Rheinland-Pfalz herausgebracht, sondern für immer unschädlich gemacht werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der ersten Debatte – darauf möchte ich zurückkommen – haben vor allem die CDU, aber auch Sie, Herr Minister Bruch, uns vorgeworfen, wir würden mit unserer Veröffentlichung von Zahlen und möglichen Stationierungsorten von Atomwaffen die Sicherheit gefährden. Wenn man sich die Informationsfülle ansieht, die über dieses Thema im Internet besteht, sind solche Vorwürfe wirklich lächerlich. Jeder kann sich all das, was ich in der letzten Plenarsitzung gesagt habe, leicht aus dem Internet herausholen.

Meine Damen und Herren, unser Ziel ist genau das Gegenteil. Wir wollen die Sicherheit erhöhen. Wir wollen, dass diese Waffen, die natürlich auch Ziel von Terroristen sein können, endlich nicht nur aus Büchel und Ramstein, sondern auch aus Europa verschwinden. Das wäre ein wirklicher Beitrag zur Sicherheit unserer Bevölkerung in Rheinland-Pfalz. An diesem Thema bleiben wir dran. Für uns ist die Diskussion um diese Relikte aus dem Kalten Krieg mit der Abstimmung über diese Anträge nicht beendet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum haben wir auch den Wissenschaftlichen Dienst gebeten zu prüfen, ob die nukleare Teilhabe, wie sie in Ramstein verankert ist, mit dem völkerrechtlich wirksamen Verzicht Deutschlands auf jede unmittelbare oder mittelbare Verfügungsgewalt über Atomwaffen vereinbar ist, so wie sie sich aus dem Nichtverbreitungsvertrag und aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ergibt. Ich denke, das ist eine spannende Frage.

Wir sind der Meinung, dass nicht nur die Atomwaffen, sondern erst recht die Möglichkeit, dass Bundeswehrpiloten sie einsetzen können, nicht mehr mit diesen Verträgen übereinstimmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In meiner Rede im Juni habe ich auch darauf hingewiesen, dass es ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs gibt, wonach – ich zitiere – „die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen grundsätzlich gegen die Regeln des Völkerrechts verstößt“. Wir wüssten gern, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus diesem Urteil für die Stationierung und Lagerung von Atomwaffen in Rheinland-Pfalz ergeben.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir diese Waffen nicht bei uns in RheinlandPfalz und in Europa haben wollen. Das kann man, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, aus den beiden anderen Anträgen herauslesen. Wir werden jedoch nur unserem Antrag zustimmen, weil uns die weitergehenden Forderungen gerade in Anbetracht der aktuellen Situation unverzichtbar erscheinen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Herr Abgeordneter Noss.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die weitere Reduzierung weltweit vorhandener nuklearer Potenziale, die auch heute noch ausreichen, unsere Welt zigfach zu zerstören, ist eine der wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen für die internationale Staatengemeinschaft. Es dürfen nicht noch mehr Länder und vor allen Dingen keine terroristischen Gruppen in den Besitz und in die Verfügungsgewalt von Atomwaffen gelangen.

(Beifall der SPD)

Diesem Ziel diente auch der im Mai in New York stattgefundene Kongress zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags, dessen Ziel es ist, Nuklearwaffen weltweit zu reduzieren, was durch die Nichtverbreitung von Atomwaffen sowie die Abrüstung bereits vorhandener Atomwaffen erfolgen soll.

Alle Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag unterschreiben und sich diesen Grundgesetzen unterwerfen, erhalten den Zugang zur friedlichen Nutzung der Kernenergie unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde. In 35 Jahren, seit es diesen Atomwaffensperrvertrag gibt, hat dieser wesentlich mit dazu beigetragen, die Zahl der Atomwaffen zu reduzieren und insbesondere – das ist ganz wichtig – ein internationales Bewusstsein für die Gefahren geschaffen, die von der Atomenergie ausgehen.

(Beifall bei der SPD)

Deutschland und speziell Rheinland-Pfalz waren während der Zeit des Kalten Krieges ein Hauptstationierungsgebiet für Atomwaffen. Durch das Aufweichen der politischen Machtblöcke und der geänderten Sicherheitslage und Bedrohungslage dürfte eine Stationierung von Atomwaffen in Deutschland heute entbehrlich sein.

Es ist daher folgerichtig und wird von unserer Fraktion auch ausdrücklich unterstützt, dass die Bundesregierung vertrauensvolle Gespräche, partnerschaftliche Gespräche, mit der NATO und den USA mit dem Ziel führt, eventuell vorhandene Restbestände ebenfalls wegzu

bringen. Dieses Ziel hat auch unser Ministerpräsident kürzlich noch einmal unterstrichen.

Rückschläge, wie sie kürzlich bei der Sitzung der nuklearen Planungsgruppe der NATO in Brüssel zu verzeichnen waren, sollten an dieser generellen Zielsetzung nichts ändern. Nicht beteiligen werden wir uns – das sage ich ganz deutlich – an Spekulationen, ob, und wenn ja, wo und wie viele Atomwaffen es in Deutschland noch gibt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir sind zwar für Transparenz, sie sollte aber dort ihre Grenzen haben, wo die elementaren Sicherheitsinteressen unserer Bürgerinnen und Bürger sowie unseres Gemeinwesens beeinträchtigt werden. Hinzu käme, dass die Gesamtthematik dem Bund zuzuordnen wäre und nicht etwa den Länderparlamenten.

Zusammengefasst: Wir nehmen die Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger sehr ernst und unterstützen alle Bemühungen, die dazu führen, die Atomwaffen aus Deutschland wegzunehmen. Wir bitten Sie um die Zustimmung zum Antrag der Fraktionen der SPD und FDP.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Altherr das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Grützmacher, Sie wenden immer wieder die alte Masche an, Angst machen. Diese Doktrin, die Sie vorhin zitiert haben, diese Pläne, die angeblich in den Schubladen liegen, das ist die geltende NATO-Doktrin schon seit 1990: „Last Resort.“ Damals wurde schon festgelegt, dass auf niedrigstem Niveau zur Stabilisierung des Friedens Kernwaffen erhalten bleiben sollen und diese Kernwaffen die letzte Antwort auf eine irgendwie geartete Bedrohung darstellen. Diese Doktrin gilt unverändert weiter.

Frau Grützmacher, wenn Sie auch sagen, die Lagerung von Atomwaffen in Deutschland sei mit dem Völkerrecht nicht vereinbar, dann muss ich die Antwort auf Ihre Kleine Anfrage zitieren, die Herr Staatsminister Bruch am 18. März 2005 gegeben hat. Dort wird ausgeführt, die Verteidigungspolitik der Nordatlantischen Allianz einschließlich der Lagerung von Nuklearwaffen auf deutschem Territorium ist mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz vereinbar.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Grützmacher, Sie erzählen hier immer Märchen.

Entscheidend ist, dass die nukleare Planungsgruppe der NATO auf ihrer Sitzung im Juni an dieser vorgenannten Doktrin auch weiterhin festhält. Die NATO ist nach wie vor der Überzeugung, dass Nuklearwaffen zur Friedenssicherung beitragen. Ob nun taktische Atomwaffen in Deutschland nach wie vor gelagert werden müssen, ist eine andere Frage. Über den Sinn der militärischen Notwendigkeit kann man sehr wohl diskutieren. Ich habe Ihnen am 3. Juni schon gesagt, dass auch die CDU für den Abzug der Atomwaffen ist, wenn sie nicht mehr erforderlich sind. Das obliegt aber nicht unserer Einschätzung. Dafür gibt es militärische Experten. Dort müssen diese Fragen entschieden werden. Wenn Sie ideologisch immer wieder das Gleiche fordern, damit wird der Frieden nicht sicher. Ganz entscheidend ist, dass wir die Proliferation solcher gefährlicher Waffen in unbefugte Hände verhindern.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Nehmen Sie einmal das Militärregime in Pakistan. Was glauben Sie, wenn in Pakistan eine islamische Regierung an die Macht kommt? Pakistan verfügt über Atomwaffen, Pakistan hat den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet, gleichermaßen Indien. Nehmen Sie einmal die Bemühungen von Nordkorea und dem Iran, dann sehen Sie, wie gefährlich diese Waffen werden können.

Allein schon aus diesem Grund ist natürlich das Abschreckungspotenzial der NATO in Form von Nuklearwaffen erforderlich.

Liebe Frau Grützmacher, Sie möchten die Welt gern so haben, wie Sie sich sie vorstellen. Leider ist aber die Welt nicht so.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn dem so wäre, dann wären wir schon ein Stück weiter.

Tatsache ist, dass die NATO gerade für die Bundesrepublik Deutschland von größter Bedeutung und größter Wichtigkeit war, dass wir seit 60 Jahren in Frieden leben, dass wir die friedliche Wiedervereinigung haben. Das alles ist ein Erfolg und ein Verdienst der NATO, auch der Atomwaffen, liebe Frau Mohr. Das Abschreckungspotenzial der Atomwaffen hat bei dem Bestand des Warschauer Paktes immer seine präventive Wirkung ausgeübt. Dann muss man schauen, wie es zu dieser Entwicklung kam. Es begann damals 1953 mit Eisenhower mit der Doktrin „New Look“, das heißt, damals waren die Amerikaner alleiniger Besitzer von Atomwaffen. Die Russen waren nicht in der Lage, die USA anzugreifen. Dann kam die Änderung der Doktrin mit dem Sputnik. Man hat damals gesagt: Aha, Amerika wird verwundbar. – Damals kam dann „Follow-On Force Attack“, das heißt, eine massive Vorwärtsverteidigung im Falle eines Angriffs mit Nuklearwaffen. Dann kam die nächste Doktrin „Flexible Response“. Das war dann schon zu Zeiten der Entspannung, eine quasi flexible Antwort auf jegliche Bedrohung. Heute gilt nach wie vor „Last Resort“. Das ist die gültige Doktrin.

Frau Grützmacher, wenn Sie hier von angeblichen Plänen berichten, dann kann ich natürlich sagen: Solche

Pläne liegen in den Schubladen jeglichen Militärs. Das ist völlig klar. Das sind alles Planspiele. Dabei wird es auch bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Geisen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Präsident, mit Ihrem Einverständnis zitiere ich: „Entsprechend der vielschichtigen multilateralen und von gemeinsamen sowie nationalen Interessen geprägten Entscheidungsprozessen, die auch die Sicherheitslage in Europa und der Welt zu berücksichtigen haben, ist bei einer öffentlichen oder parlamentarischen Diskussion außerhalb der zuständigen Gremien stets die Gefahr von kontraproduktiven Wirkungen gegeben.“ Das stammt aus dem Antrag der CDU.

Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Kolleginnen und Kollegen im Dauner Kreistag, meinem Heimatkreis – haben die sachliche und am Interesse der Bürger orientierte Diskussion zum Thema „Atomwaffen“ abgelehnt. Dass Sie diese Diskussion im Landtag laut Ihres Antrags ähnlich ablehnen, bedaure ich sehr.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich bin der Meinung, als Abgeordnete und damit als Volksvertreter sind wir doch geradezu dazu verpflichtet, die Dinge zu diskutieren, die das Volk interessieren. Die Frage nach Atomwaffen in Rheinland-Pfalz beschäftigt nun einmal die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Nicht diskutieren ist schlecht, meine Damen und Herren, es ist allerdings auch nicht viel besser, wie die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN zu diskutieren, nämlich mit Angst und Panikmache, wie es aus ihrem Antrag hervorgeht. (Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wenn ich in Ihren Anträgen lese, frage ich mich, ob es für Sie noch irgendetwas gibt, was den Menschen nicht schadet oder nicht umbringt.

(Beifall bei FDP und SPD – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?)

Wenn Sie – an diesem Punkt wiederhole ich mich gern – wirklich glauben, man könne etwas verbessern, indem man Art, Anzahl und Standorte von Nuklearwaffen veröffentlicht, dann ist Ihnen nicht mehr zu helfen.