Meine Damen und Herren, das Schlüsselwort ist Toleranz. Diese müssen wir durch einen gemeinsamen Dialog und einen beidseitigen und gleichberechtigten Integrationswillen gewährleisten. Meine Damen und Herren, hier müssen wir ansetzen. Hier sind unsere Aufgaben auch als verantwortliche Politikerinnen und Politiker.
Ob man nun für eine stärkere Säkularisierung der Schulen eintritt oder auch dort die religiöse Pluralität der Gesellschaft sichtbar werden lassen will, eines muss klar sein: Die Gleichbehandlung aller Religionen ist verfassungsmäßig geboten und integrationspolitisch erforderlich, meine Damen und Herren.
Ein von einem generellen Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit abgeleitetes Kopftuchverbot ist ein Akt der Diskriminierung, verstärkt gesellschaftliche Konflikte und läuft den Zielen der Integration zuwider.
Meine Damen und Herren, es muss uns gemeinsam darum gehen – ich bin sicher, dass es uns gemeinsam eigentlich darum geht –, durch Aufklärung über alle Religionen gleichermaßen zu informieren; denn eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Religionen und verschiedenen Weltanschauungen ist für Schülerinnen und Schüler eine wichtige Voraussetzung ihrer eigenen weltanschaulichen und religiösen Basis.
Der Gesetzentwurf der CDU diskriminiert jedoch eine Religion, und zwar die des Islam einseitig. Deshalb lehnen wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Gesetzentwurf ab.
Herr Kollege Wiechmann, ich lade Sie gern ein. Gehen Sie mit mir einen Tag zum Gericht. Dann schauen Sie sich doch an, wie viele Menschen die Wahrheit sagen. Das, was Sie vorgetragen haben, gilt nur für die Personen, die die Wahrheit sagen.
Das ist schlichtweg an der Realität vorbei. Anders kann ich das nicht bezeichnen. Es ist weltfremd, was Sie sagen. (Beifall der CDU)
Ich habe im Übrigen, damit man ein bisschen einen Ansatz findet, noch ein schönes Zitat des Kollegen des Herrn Kuhn aus Baden-Württemberg, Herrn Dr. Gerhard Papke, dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, gefunden. Er hat den Antrag begründet: „Die türkischstämmige Rechtsanwältin Seyran Ates, die am 8. März 2004 den Frauenpreis der Berliner Senatsverwaltung erhalten hat, hat“ – das fand ich sehr bemerkenswert – „eine falsch verstandene Toleranz in dieser Frage beklagt und ausgeführt.“
Das bezieht sich auf das, was Herr Wiechmann gesagt hat. Es kommt jetzt, Herr Mertes. Sie müssen nur zwei Sekunden warten. Sie führt aus: „Deutschland hat eine belastende Geschichte. Aber das gibt niemandem das Recht, das Kopftuch als Alibi zu benutzen. Es gehört nicht in die Schule. Es hat nichts mit Toleranz zu tun. Es ist Ausdruck extremer Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. (Beifall bei der CDU)
Deutsche denken, sie respektieren damit eine andere Kultur. Aber dieser Respekt hat falsche Wurzeln. Er begünstigt die Fortschreibung von zweierlei Recht für Männer und Frauen.
Der übertriebene Anspruch an die eigene Toleranz macht sie blind und fördert so schlimmste Formen von Intoleranz.“
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um ein mögliches Kopftuchverbot an rheinland-pfälzischen Schulen haben wir in diesem Haus sehr ausführlich und intensiv geführt. Die Debatte soll nach einer Anhörung im Bildungs- und im Rechtsausschuss heute im Plenum ihren Abschluss finden.
Ich denke, auch wenn wir uns alle gleichermaßen der Tatsache bewusst sind, dass es sich um eine sehr wichtige gesellschaftliche Diskussion handelt und wir uns sehr intensiv mit den verschiedenen Facetten des Kopftuchtragens und -verbots an Schulen befasst haben, hat die Diskussion meiner Ansicht nach nicht für mehr Klarheit und Eindeutigkeit gesorgt. Das war allerdings nach dem Verfassungsgerichtsurteil auch kaum zu erwarten.
Die Anhörung, die wir im Landtag durchgeführt haben, hat uns unterschiedliche juristische Empfehlungen für oder gegen ein Gesetz in Rheinland-Pfalz mit auf den Weg gegeben und hat uns die unterschiedlichsten religiösen und weltanschaulichen Gründe und Facetten des Kopftuchtragens deutlich gemacht.
Bevor ich die Haltung der FDP-Fraktion mit drei Thesen begründen möchte, lassen Sie mich eines vorwegschicken. Verfassungswidrige Symbole, Indoktrinierung, weltanschauliche und religiöse Beeinflussung unserer Kinder und Jugendlichen haben im Unterricht nichts zu suchen. Auch die FDP-Fraktion hat insofern ein unbedingtes Interesse an der Einhaltung des Neutralitätsgebots durch unsere Beamtinnen und Beamten, insbesondere in der Schule.
Wir wollen erstens keine Gesetze auf Vorrat. Für ein solches Gesetz gibt es in Rheinland-Pfalz keinen Bedarf. In den vergangenen Jahren hat sich der eine bereits mehrfach zitierte Fall ereignet, bei dem eine Lehramtsanwärterin das Tragen eines Kopftuchs beabsichtigte. Die Schulaufsicht hat mit dieser Anwärterin geredet, woraufhin diese auf das Tragen des Kopftuchs in der Schule verzichtet hat.
Das bisherige rechtliche Instrumentarium sieht vor, dass in solchen Konfliktfällen und bei Verdachtsmomenten auf Verletzung des Neutralitätsgebots auf die Gefahren der Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern und auf die Möglichkeit der Störung des Schulfriedens und der Beeinträchtigung des Erziehungsauftrags der Schule hingewiesen wird. Bewerberinnen und Bewerber werden präventiv über ihre besondere Verpflichtung zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität belehrt, und es ist auch eine schulaufsichtliche Überwachung möglich.
Wir haben auch bei anderen Fällen und in anderen Bereichen gesehen, dass dieses effektive schulaufsichtliche und dienstrechtliche Instrumentarium greift. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind auch keine gehäuften
Als zweiten Punkt möchte ich ansprechen, Ihr Gesetzentwurf wirft natürlich Fragen mit dem Umgang mit der verfassungsrechtlich garantierten Glaubensfreiheit auf. Das wird insbesondere dort deutlich, wo Sie die Ausnahme machen wollen, nämlich in § 25 Abs. 1 Satz 3, der beinhaltet, dass christlich abendländische Kulturwerte bei der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung unberührt bleiben sollen. Der Satz zeigt auch, wie schwierig es ist, eine gesetzliche Regelung, wie Sie sie anstreben, in unserem verfassungsrechtlichen Rahmen zu gestalten. Eine solche Lösung muss dem Spannungsverhältnis zwischen positiver Glaubensfreiheit eines Lehrers einerseits und der staatlichen Pflicht zur Neutralität andererseits genügen. Sie muss das Toleranzgebot berücksichtigen.
In der Anhörung hat man uns auch deutlich gesagt, dass ein solcher Satz, wie Sie ihn formulieren, impliziert, dass die Religionsfreiheit offenbar nicht für alle Religionen gelten soll, gleichzeitig auch, dass Sie in diesem Fall das Kopftuch natürlich als religiöses Symbol interpretieren.
Der Kollege hat schon darauf hingewiesen, je nachdem, welche Argumentation Sie sich zu nutze machen wollen, schwenken Sie da teilweise auch hin und her. Das macht es nicht gerade einfacher, sich mit Ihrer Argumentationslinie auseinander zu setzen und damit umzugehen.
Wenn man auf der religiösen Linie bleibt und sich noch einmal genau Ihre Formulierungen ansieht, macht man tatsächlich das große Fass der Debatte um das Tragen religiöser Symbole in der Schule insgesamt auf. Wir erinnern uns schon noch sehr genau an das, was die rheinland-pfälzischen Kirchen geäußert haben. Gerade Herr Nacke, der Leiter des katholischen Büros, hat sich im Rahmen der Anhörung zu dem Thema geäußert, bevor Sie den Gesetzentwurf als Fraktion gemacht haben. Er hat sich klar dafür ausgesprochen, es bei der jetzigen Regelung zu belassen.
Er hat das sehr gut begründet. Grundsätzlich sagt er zum einen, die Religionsfreiheit muss für alle Religionen gelten. Er sagt zum anderen, er sieht weder sich noch die Politik in der Lage zu beurteilen, ob es sich beim Tragen des Kopftuchs um ein politisches oder um ein religiöses Symbol handelt.
Ich denke, dass wir uns dieses Urteil sehr schlecht anmaßen können. Seitens der CDU-Fraktion tun Sie so, als hätte die Anhörung dazu einen Aufschluss gegeben. Die Anhörung hat allerdings ein Bild wiedergegeben, das wahrscheinlich genauso differenziert wie die Realität ist. Das Kopftuch wird nämlich aus völlig unterschiedlichen Motiven getragen, aus religiöser Überzeugung der jeweiligen Frau, aus Tradition, aus familiären Zwängen heraus natürlich auch oder tatsächlich von einem Werteho
rizont aus, der mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar sein kann, vor allem nicht mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Auch das können Motive sein. Aber das Kopftuch als Symbol selbst ist eben nicht eindeutig.
Von den Verfassungsrechtlern haben wir in der Anhörung noch einmal gehört, dass man ein solches Gesetz nicht ausschließlich nur auf den Empfängerhorizont eines Symbols stützen darf. Das ist der dritte Punkt der Argumentation. In dem Moment, in dem Sie sagen, wie Sie das Kopftuch verstehen und es deshalb verbieten wollen, bewegen Sie sich rechtlich auf sehr dünnem Eis. Ich sage, wo uns die Sender, nämlich die Träger des Kopftuchs und solcher Symbole, keine eindeutige Botschaft vorgeben, können wir als Empfänger nicht sagen, dass wir als eindeutige Symbolik verfassungswidrige Symbole sehen.
Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen: Das Tragen des Kopftuches kann aus unterschiedlichen Gründen und mit sehr unterschiedlichen Motiven geschehen. Diese können auch religiöse sein. Wenn wir uns mit einem Kopftuchverbot beschäftigen, um der staatlichen Neutralitätspflicht Genüge zu tun, dann müssen wir auch das Tragen anderer religiöser Symbole an unseren Schulen diskutieren. Diese generelle Debatte religiöser Symbole lehnen wir als FDP-Fraktion ab. Sie ist auch von den Kirchen im Land Rheinland-Pfalz nicht gewollt.
Das Kopftuch ist nicht eindeutig als politisches oder religiöses Symbol zuzuordnen. Eine vernünftige gesetzliche Lösung zu finden, ist deshalb, wie uns das Verfassungsgerichtsurteil auch zeigt, eine schwierige Aufgabe. Dieses Bild hat auch die Anhörung der federführenden Ausschüsse so wiedergegeben.
In Rheinland-Pfalz gibt es ein hinreichendes und bisher auch wirksames rechtliches Instrumentarium, um solche Konfliktfälle zu klären, den Schulfrieden zu wahren, eine Beeinträchtigung des Erziehungsauftrags der Schule zu vermeiden und das Neutralitätsgebot einzuhalten.
Die FDP-Fraktion möchte es gern bei dieser Regelung belassen. Wir wollen keine Gesetze auf Vorrat, die mit solchen Schwierigkeiten, wie ich sie genannt habe, verbunden sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich einige Bemerkungen aus Sicht der
Landesregierung machen. Sie wissen, dass die Landesregierung ausdrücklich das ablehnende Votum der Ausschüsse unterstützt. Aus meiner Sicht hat das bisherige parlamentarische Verfahren die Vorbehalte, die die Landesregierung gegen eine solche Initiative hat, noch einmal sehr deutlich bestätigt.