Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Landesregierung machen. Sie wissen, dass die Landesregierung ausdrücklich das ablehnende Votum der Ausschüsse unterstützt. Aus meiner Sicht hat das bisherige parlamentarische Verfahren die Vorbehalte, die die Landesregierung gegen eine solche Initiative hat, noch einmal sehr deutlich bestätigt.

Ich will gar nicht sagen, dass das in der Anhörung alles einheitlich war. In der Anhörung ist die ganze Bandbreite von Argumentationen zum Tragen gekommen. Wenn man sich das genau anschaut, sind die Stimmen, die sich kritisch mit dem Gesetzentwurf auseinander setzen, mindestens so zahlreich und gewichtig wie die Stimmen, die meinen, man sollte eine solche Initiative ergreifen.

Diese kritischen Anmerkungen treffen aus meiner Sicht genau das, was seitens der Landesregierung immer wieder vorgetragen worden ist. Sie können keine überzeugende Antwort auf die Kernfrage nach der Deutung des Kopftuches geben. Herr Abgeordneter Hartloff hat darauf hingewiesen, dass Sie die Argumentation an dieser Stelle mehrfach geändert haben. Letztendlich beruht Ihr Gesetzentwurf auf einer allein politischen Deutung des Kopftuches. Ich sage, damit nehmen Sie eine Deutungshoheit für sich in Anspruch, die Sie nicht besitzen, die aber auch dem Staat nicht zusteht. Das sage ich an dieser Stelle sehr deutlich. Das ist ein Kernproblem Ihrer Initiative.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Baldauf, vielleicht könnten Sie mir eine Sekunde Ihr Ohr schenken, weil Sie relativ schnell über den Punkt weggegangen sind, der von mehreren Abgeordneten angesprochen worden ist. Es geht um die Frage, wie es sich mit der Gleichbehandlung der Religionen verhält. Hat es nicht doch erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, was Sie vorschlagen? Hat es am Ende nicht vielleicht Implikationen im Hinblick auf andere Religionen, die Sie ausdrücklich nicht wollen.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Mir ist klar, dass Sie das nicht wollen. Sie sagen, dieses Problem sei in der Anhörung ausgeräumt worden. Ich will an dieser Stelle zitieren. Ich könnte viele Zitate bringen. Ich bringe ein Zitat von Herrn Professor Dr. Hufen, der sich in der Anhörung geäußert hat. Ich zitiere: „Sie werden zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen von Staatsrechtlern hören. Die Prognose dessen, was die Gerichtsbarkeit sagen wird, ist immer schwierig. Aber ich rate Ihnen in aller Deutlichkeit, gerade im Landtag vermeidbare Risiken zu vermeiden. Und dieses Risiko des zweiten Satzes wäre vermeidbar.“ Das ist jener, wo es genau um diese Frage geht. Darüber kann man nicht hinweggehen, wenn das in dieser Eindeutigkeit dort gesagt worden ist. Ich meine, man muss sich damit auseinander setzen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Sie müssen sich aus meiner Sicht damit auseinander setzen, dass dieser Gesetzentwurf sowohl Integrationsfragen als auch frauenpolitisch ganz differenzierte Fragen aufwirft. Natürlich sind in der Anhörung die integrati

onspolitischen Auswirkungen thematisiert worden, die mit einer Stigmatisierung verbunden sein können. Es ist darauf hingewiesen worden, dass dieser Gesetzentwurf an der Frage der Symbole neutral formuliert ist, aber letztlich geht es um ein Kopftuchverbot. Damit ist es natürlich auf Lehrerinnen ausgerichtet und greift nur an dieser Stelle. Das sind Fragen, die aus meiner Sicht in der Debatte zu kurz gekommen sind. Bei einer Diskussion darüber kann man über diese nicht hinweggehen. Für mich bleibt der entscheidende Punkt, warum dieses Gesetz in Rheinland-Pfalz erforderlich sein soll. Das haben Sie heute nicht beantwortet. Wir haben in Rheinland-Pfalz ein rechtliches und schulaufsichtliches Instrumentarium, um den Problemen zu begegnen, die Sie an die Wand malen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Mir ist es nach wie vor unverständlich, warum Sie diesem Instrumentarium nicht die Chance der Bewährung geben wollen und stattdessen mit einem hochproblematischen Gesetzentwurf aufwarten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal sehr deutlich machen, Folgendes ist überhaupt keine Frage: Wer als selbsternannter Missionar oder Missionarin in unseren Schulen Schülerinnen und Schuler indoktrinieren will, der hat in Rheinland-Pfalz keinen Platz, um das sehr deutlich zu sagen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn jemand als Lehrkraft seinen pädagogischen Aufgaben nicht nachkommt, dann wissen wir darauf zu reagieren. Wir werden diese Prinzipien, die für uns wichtig und von zentraler Bedeutung sind, verteidigen, wo immer sie verletzt werden. Wir haben Instrumentarien dazu, die deutlicher als Ihr Gesetzentwurf dazu geeignet sind.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kohnle-Gros.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mehrfach gefragt worden, warum wir eine Änderung herbeiführen wollen. Vor wenigen Monaten war viel über die Situation von jungen Muslimen in Europa zu lesen. Mir ist ein Zitat sehr gut im Gedächtnis geblieben, das mir immer wieder durch den Kopf geht.

Eine junge Französin berichtet in der Zeitung, sie müsse das Kopftuch tragen, nicht nur, weil es von zu Hause gefordert wird, was wir schon angesprochen haben, sondern weil sie sich sonst nicht auf die Straße traut. Unter ihren Freunden, Bekannten und in den Straßen, in denen sie wohnt, gerate sie sonst in Gefahr, als unanständiges Mädchen und junge Frau betrachtet zu wer

den, die sich den Angriffen junger Männer aussetzt, weil sie nicht als anständig gilt.

Meine Damen und Herren, wir kennen in Deutschland die entsprechenden Begriffe. Wir wissen, dass Mädchen nicht zum Schulunterricht gehen dürfen, wir wissen, dass Mädchen nicht zum Ausflug mitdürfen. Wir wissen, dass Zwangsheirat und Ehrenmorde bei uns eine Rolle spielen. Das ist genau der Grund, warum wir das Kopftuch nicht bei Lehrerinnen und Lehrern in der Schule wollen. Das ist der einzige Grund.

(Beifall der CDU)

Herr Kollege Hartloff, wir verstehen die Freiheit vielleicht ein bisschen altmodischer als Sie. Wir verstehen die Freiheit vor Zwang, etwas tun zu müssen, was man selbst nicht will. Genau das ist der Hintergrund, warum wir das Kopftuch nicht haben wollen.

(Beifall bei der CDU)

Es setzt Zwang. Es schafft Situationen für Mädchen aus diesem System in der Schule. Das ist der wesentliche Punkt. Dort müssen sie kraft Gesetzes hin und können sich nicht wehren. Dieses Kopftuch, das die Lehrerinnen eventuell tragen, wirkt politisch in der Hinsicht, dass es für die Sharia und einen Islam steht, der fundamentalistisch ausgerichtet ist.

(Zurufe von der SPD: Was haben Sie für ein Weltbild? – Weitere Zurufe von der SPD)

Entschuldigung, Sie müssen jetzt das aushalten, was ich zu sagen habe.

(Zurufe von der SPD)

Entschuldigung, viele sagen, mit dem Islam und mit der Religion hat dieses Kopftuch gar nichts zu tun. Es kommt aus vorislamischen Zeiten. Es hat mit archaischen Strukturen und mit einer Situation in Familie und Gesellschaft zu tun, die nicht unsere ist.

(Beifall bei der CDU)

Das hat jetzt etwas mit Ihren Bemerkungen zur Religion zu tun. Es geht um unsere freiheitlich demokratische Grundordnung, die die Religionsfreiheit erst gewährleistet. Dies ist in Deutschland nach und mit der Aufklärung erkämpft worden.

(Ministerpräsident Beck: Mein Gott im Himmel! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das fußt auf etwas, was im Islam und in diesen Gesellschaften so nicht vorhanden ist. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Das stammt nicht von uns. Das können Sie überall nachlesen.

Meine Damen und Herren, das ist genau der Punkt. Es ist keine Augenhöhe, auf der die Religionen in diesen Fragen verhandeln. Es ist nicht das gleiche Menschenbild. Es sind nicht die gleichen Menschenrechte, für die

diese Gesellschaft und diese Religion steht, wie das in unserem christlichen Abendland so ist. Ich kann das zitieren, was Bischof Huber zu diesen Fragen gesagt hat.

„Das ist eben der Unterschied, und diese Situation und diesen Zwang und diesen Eindruck wollen wir den Mädchen in den Schulen nicht zumuten.“

Meine Damen und Herren, deswegen auch diese Gesetzesvorlage – das ist auch der zweite Teil der Frage, warum ein Gesetz –, weil wir den Schulfrieden erhalten wollen und die Verantwortung für diese Entscheidungen auf die Landesregierung – wir wären bereit, sie zu tragen – übertragen wollen und nicht jemandem in der Schule, einem Elternteil oder einer Schülerin oder sonst jemandem übertragen wollen und diesen Konflikt aushalten wollen. Wir wollen ihn generalisieren, und wir wollen die Handhabe bieten, dass es so weit nicht kommen muss.

(Starker Beifall der CDU)

Da sehen wir uns in der Tat einig inzwischen bundesweit, europaweit kann man sagen, mit ganz vielen, die die gleiche Haltung dazu auch vertreten.

(Pörksen, SPD: Mit der Türkei, das ist richtig!)

Ich sage Ihnen auch noch einmal zu der Frage wie Toleranz und anderen Dingen: Verstehen Sie, Toleranz muss eine beidseitige oder zweiseitige Geschichte sein. Es kann nicht sein, dass wir unsere Vorstellungen von einem Staatswesen und einer Gesellschaft aufgeben und Dinge übernehmen, die zur Konsequenz haben, dass Mädchen, die sich nicht in ihre Familienstrukturen einbinden lassen und tun, was Vater und Brüder verlangen, dann damit rechnen müssen, dass sie ums Leben gebracht werden. Das ist nicht unser System, das wir haben wollen.

(Starker Beifall der CDU)

Genau dafür steht das Kopftuch.

(Zuruf von der SPD)

Natürlich, dafür steht es.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen, ich bezweifle, dass das Kopftuch überhaupt ein religiöses Symbol ist. Das muss ich Ihnen ausdrücklich sagen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich zitiere an der Stelle kurz Bischof Huber. Er sagt: „Ein Kreuz ist ein religiöses Symbol, unbestritten, aber ein Kopftuch ist vielleicht oder möglicherweise eine religiös bestimmte Handlung, aber kein religiöses Symbol.“

(Anhaltend starker Beifall der CDU – Keller, CDU: So ist es!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hartloff.