Protokoll der Sitzung vom 18.01.2006

Auch der dritte Punkt ist schon erwähnt worden. Das ist die Senkung des Wahlalters. Meine Damen und Herren, es gibt keine verfassungsrechtlich zwingenden Gründe, das Wahlrecht auf ein bestimmtes Alter, zum Beispiel auf 18 Jahre, festzuschreiben. Wir wollen – ich betone, das haben wir offensiv von Anfang an vertreten –, dass Jugendliche schon mit 16 Jahren wählen dürfen. Bei Kommunalwahlen wurden damit in vielen anderen Bundesländern sehr gute Erfahrungen gemacht. In einer Demokratie sollte grundsätzlich gelten, dass alle Menschen, die von Entscheidungen betroffen sind, tatsächlich auch an deren Zustandekommen beteiligt werden. Um die Einflussmöglichkeiten gerade von Jugendlichen unter 18 Jahren zu stärken, wäre eine Senkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen, ähnlich wie in vielen anderen Bundesländern, eine wichtige Empfehlung gewesen. Ich sage ganz ehrlich: Ich bedaure es sehr, dass es dafür in der Kommission keine Mehrheit gab.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vierte Punkt, den ich erwähnen möchte, ist die bessere Förderung von außerschulischen Partizipationsprojekten. Damit die hohe Bedeutung der außerschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen keine politische Floskel bleibt, muss sie sich eben auch in ihrer finanziellen Ausstattung und in ihrer langfristigen Absicherung widerspiegeln. Die Förderung von Kinder- und Jugendpartizipation ist auch in Zeiten enger Haushalte wichtig und dringend notwendig.

Kinder- und Jugendparlamente müssen in der Zukunft über eigene finanzielle Mittel frei verfügen können. Die Einrichtung solcher Gremien darf nicht ein reines Alibi sein, sondern wir müssen den Kindern und Jugendlichen zeigen, dass es sich lohnt, sich einzumischen. Wir müssen sie und ihre Entscheidungen, die sie treffen und verantworten, tatsächlich ernst nehmen. Wir dürfen Kinder- und Jugendparlamente nicht als demokratische Spielwiese ansehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der mir ganz besonders bei den vielen Besuchen und Gesprächen aufgefallen ist. Das ist das Thema „Jugend und Rechtsextremismus“. Rassistische und antisemitische Weltanschauungen und rechtes Gedankengut stellen auch bei uns in Rheinland-Pfalz keineswegs nur ein Randphänomen dar. Das haben wir in der Enquete-Kommission erlebt.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass Angebote, in denen Kinder und Jugendliche jenseits von rechtsextremistischer Propaganda direkte, auch persönliche Beziehungen aufbauen können, ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln und erleben können, verstärkt ausgeweitet werden. Deshalb richte ich einen Appell an uns alle, auch an die Verantwortungsträger in den Kommunen:

Wir dürfen es nicht zulassen, dass Jugendräume und Begegnungsstätten aufgrund leerer Kassen eingespart und geschlossen werden und rechtsextreme Gruppierungen – wie das auch in der Anhörung formuliert worden ist – tatsächlich die vorhandenen und entstehenden Lücken zu nutzen versuchen, um junge Menschen in ihren braunen Kameradschaften einzubinden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine gute und gelingende Kinder- und Jugendarbeit, die an den Bedürfnissen und Wünschen von Kindern und Jugendlichen orientiert ist und die Begegnungsmöglichkeiten zwischen jungen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft schafft und ermöglicht, kann dabei helfen, Vorurteile abzubauen. Sie kann auch dazu beitragen, weltoffen und tolerant miteinander umzugehen.

Meine Damen und Herren, leider ist es uns in der Enquete-Kommission nicht gelungen, für die Themengebiete „Partizipation von jungen Menschen mit Migrationshintergrund“ und „Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Partizipation“ besondere Empfehlungen zu formulieren. Das ist ein Punkt, der gerade erst heute in einer Diskussion, die ich geführt habe, von jungen Menschen kritisiert worden ist. Ich bin der Meinung, wir müssen uns eingestehen, dass wir dort nicht so weit gekommen sind, wie wir uns das vielleicht alle gewünscht hätten. Ich meine, das ist eine zentrale Aufgabe auch für die Arbeit dieses Parlaments und die Arbeit von Politikerinnen und Politikern für die Zukunft. Wir müssen uns um die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund kümmern. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich tatsächlich beteiligen können und beteiligt werden an unserem Gemeinwesen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zukunftsentscheidungen dürfen nicht mehr gegen, sondern müssen in der Zukunft konsequent mit Kindern und Jugendlichen getroffen werden.

Kinder und Jugendliche sollen selbst Anwalt oder Anwältin ihrer Interessen sein. Nur so können die anstehenden Probleme gelöst und gleichzeitig die Entwicklung junger Menschen zu selbstständigen und selbstbewussten Persönlichkeiten gefördert werden. Deshalb müssen wir jungen Menschen mehr Möglichkeiten zu wirklicher Partizipation geben.

Unseren Worten, die im Einsetzungsbeschluss formuliert sind, müssen Taten folgen. Dafür sind wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker zuständig.

(Glocke der Präsidentin)

Es geht darum, dass wir die vorgeschlagenen Empfehlungen zeitnah umsetzen, damit nicht der Bericht der Enquete-Kommission als gut zu lesende Prosa irgendwo in die Rundablagen fällt. Ich glaube, die Umsetzung dieser Empfehlungen ist eine Voraussetzung für ein zukunftsfähiges und kinder- und jugendgerechtes Rheinland-Pfalz. Sie ist auch Messlatte dafür, dass wir nicht nur die angehörten Kinder, Jugendlichen und Experten,

sondern auch unsere eigene Arbeit der vergangenen eineinhalb Jahre ernst nehmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch bei mir soll an allererster Stelle – obwohl es vielfach geschehen ist – der Dank stehen, weil ich glaube, dass die Landesregierung der Enquete-Kommission, die in den letzten eineinhalb Jahren eine engagierte Arbeit geleistet hat, ganz besonders zu danken hat. Das gilt selbstverständlich für die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann, aber auch für alle Mitglieder der Enquete-Kommission, die Sachverständigen, die eingeladenen Expertinnen und Experten und selbstverständlich auch für die mitwirkenden Kinder und Jugendlichen sowie die besuchten Institutionen vor Ort.

Ich bedanke mich ganz herzlich für diese Arbeit. Wenn man den Zeitrahmen und die Intensität der Ergebnisse sieht, hat man auch eine Vorstellung davon, wie konsequent in dieser Enquete-Kommission gearbeitet worden ist. Bemerkenswert ist – das hat hier mehrfach eine Rolle gespielt und ist auch in dem Abschlussbericht dokumentiert –, dass es eine Arbeit war – ich denke, das ist auch durch die heutige Diskussion deutlich geworden –, die stets an der zentralen Frage orientiert war, wie die Distanz zwischen Jugendlichen und Politik zu überwinden ist. Dabei sind parteipolitische Sichtweisen oder Auseinandersetzungen weit in den Hintergrund getreten. Es war ein gemeinsames Bemühen, die Sichtweisen der Kinder und Jugendlichen aufzunehmen. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges Signal auch an die Kinder und Jugendlichen selbst, wenn man weiß, wie sensibel deren Gespür für eine sachgerechte Politik ist.

Zum Dank gehört auch, dass ich mich beim Regierungsbeauftragten für die Enquete-Kommission, Herrn Staatssekretär Professor Dr. Hofmann-Göttig, sowie bei der zuständigen Fachabteilung meines Hauses bedanke. Ich glaube, wir haben uns ganz schön bemüht, mit dem Tempo der Enquete-Kommission mitzuhalten und auch das, was wir dazu beitragen können, dazu beizutragen. Ich glaube, es ist insgesamt ein gutes Werk vorgelegt worden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es steht mir heute nicht in erster Linie an, diese Empfehlungen zu kommentieren; denn sie sind in vielen Bereichen auch Auftrag an die Regierung, entsprechende Dinge umzusetzen. Trotzdem will ich ein paar Bemerkungen machen.

Auf unserer Internetseite zum Thema „Partizipation“ steht zentral der Satz: „Demokratie fängt klein an.“ Wenn wir von Kindern und Jugendlichen erwarten – diese Erwartungen sind formuliert worden –, aktive, engagierte und politisch denkende Menschen zu werden, müssen wir auch die Basis dafür schaffen, dass demokratische Beteiligung von klein auf beginnen kann.

Dabei ist für uns Basis und Grundlage unserer Arbeit, dass Kinder und Jugendliche als Mitbürgerinnen und Mitbürger mit eigenen Bedürfnissen, eigenen Interessen, aber auch mit Kompetenzen, die sie befähigen, aktiv in die Gestaltung ihrer Lebenswelt einzugreifen, akzeptiert und auch gewürdigt werden.

Erwachsene können und sollen – auch das hat die Enquete-Kommission an vielen Stellen formuliert – die Bedürfnisse von Kindern wahrnehmen und vertreten, wo dies geboten ist. Die Stellvertretung durch Erwachsene – das zeigt der Bericht sehr deutlich – kann die Beteiligung von Kindern nicht ersetzen. Deswegen hat die Enquete-Kommission an dieser Stelle einen Schwerpunkt gesetzt.

(Beifall der SPD)

Ich glaube, diese Feststellung ist immer wieder in den Vor-Ort-Besuchen, den Diskussionen in den Kindertagestätten und Schulen, aber auch in vielen anderen Bereichen deutlich geworden. Es ist auch sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, dass Kinder und Jugendliche für die Wahrnehmung ihrer Interessen über mehr Kompetenzen verfügen, als ihnen oftmals von Erwachsenen zugetraut werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Partizipation – Beteiligung ist ein Schlüsselbegriff in der Demokratie-Erziehung. Als Landesregierung haben wir hier in den letzten Jahren Schwerpunkte gesetzt, und zwar zum Beispiel im Rahmen des Aktionsprogramms „Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz“. Ich will deutlich sagen, dass die Arbeit der Enquete-Kommission auch Grundlage ist, wenn wir künftig das kinderfreundliche Rheinland-Pfalz fortschreiben wollen. Wir wollen entsprechende Dinge aufnehmen.

Ich glaube, es ist auch deutlich geworden, dass wir beim Thema „Partizipation“ im Land gute Ansätze haben und es mit den Maßnahmen wie Jugendforen, aber auch der Leitstelle Partizipation, den Moderatorinnen- und Moderatorenschulungen oder auch der Spielleitplanung in den letzten Jahren gelungen ist, Projekte auf den Weg zu bringen, die ganz neue Ansätze in die Politik mit einbringen.

Wir haben selbstverständlich auch den Bereich Schule im Blick. Wenn ich an das Programm „Demokratie lernen und leben“, ein gemeinsames Bund-Länder-Programm, erinnern darf, erwarte ich mir gerade auch von diesem Projekt Anregungen, wie wir Partizipation in der Schule noch verbreitern können.

Viele positive Praxisbeispiele, die in der Arbeit der Enquete-Kommission dokumentiert worden sind, haben aber auch eines zum Ausdruck gebracht, nämlich dass

gelebte Beteiligungskultur – das mag für den einen oder anderen überraschend sein – meist nur sehr bedingt mit der Frage der zusätzlichen Mittelbereitstellung zu tun hat. Die Mittelbereitstellung ist wichtig, aber Beteiligungskultur in den Alltag umzusetzen, ist der noch wichtigere Punkt.

Das heißt auch – darüber hat es eine Debatte gegeben –, dass ein beteiligungsfreundliches Klima in der Schule aus meiner Sicht auch ohne eine Veränderung der Stundentafel machbar ist, wenn es als gemeinsames Projekt der Schule verstanden wird. Das ist der eigentliche Anspruch, den wir an dieser Stelle und den auch die Enquete-Kommission formuliert haben.

Ich bin für die Initiative zum so genannten „Tag des politischen Gesprächs“ sehr dankbar. Ich glaube, das ist ein solcher Ansatzpunkt, die Arbeit in der Schule als Ganzes zu verankern. Mit dem Angebot, das seitens der Enquete-Kommission dort formuliert ist, haben auch die Abgeordneten zusätzliche Verpflichtungen und zusätzliche Arbeit auf sich genommen. Ich denke, das ist ein sehr ermutigendes Signal an die Kinder und Jugendlichen. Es ist auch ein sehr ermutigendes Signal an die Schulen. Deswegen will ich mich auch dafür ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei SPD und FDP)

Herr Abgeordneter Wiechmann, ich will eine Anmerkung zu dem machen, was Sie gesagt haben. Ich finde, wenn Sie formulieren, dass aus Ihrer Sicht Schülervertretungen noch mehr tun sollten, sind das sicherlich Hinweise – das ist auch in dem Enquete-Bericht formuliert –, dass wir immer noch schauen sollen, wie wir die Beteiligung verbessern können. Hier gibt es bei uns nur Offenheit.

Ich sage Ihnen aber auch, so zu tun – das war Ihre Formulierung –, als würden Schülervertretungen nur über die Farbe des Plakates vom Schulfest entscheiden, das ist kein Problem für die Landesregierung, sondern ich glaube, das würdigt die Arbeit derer, die sie vor Ort machen, nicht ausreichend. Schülervertretungen tun auch heute sehr viel mehr, als sich mit der Frage der Farbe des Plakats zu befassen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Aus meiner Sicht stellt der Abschlussbericht ein wichtiges kinder- und jugendpolitisches Dokument dar, aber auch ein wichtiges bildungspolitisches Dokument. Er nimmt mit seinen Empfehlungen uns alle in die Verantwortung, zu einem beteiligungsfreundlichen Klima unseren Beitrag zu leisten. Wir haben in der Tat – die Vorsitzende der Kommission hat darauf hingewiesen – versucht, dies auch nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, sondern tatsächlich, wenn in der Enquete-Kommission etwas erarbeitet worden ist, möglichst schnell auch zu überlegen, wie wir es in die Praxis umsetzen können. Es war also alles andere als Hase und Igel, sondern es war der Respekt vor der Arbeit der Enquete-Kommission, möglichst schnell zu versuchen, Dinge in die Umsetzung zu bringen.

Dazu gehört das Schreiben des Regierungsbeauftragten an die Schulleiterinnen und Schulleiter in Rheinland

Pfalz, künftig zur Unterstützung der politischen Meinungsbildung der Schülerinnen und Schüler in den Schulen mehr gemeinsame Veranstaltungen mit den Jugendorganisationen der politischen Parteien durchzuführen. Dieser Wunsch ist aus der Enquete-Kommission heraus geäußert und auch sofort umgesetzt worden.

Es gehörte dazu auch, dass wir ein Landestreffen für kommunale Jugendvertretungen in Rheinland-Pfalz nach Mainz eingeladen haben dort unter dem Motto „Jugend trifft Politik“ Politiker und Politikerinnen aller Fraktionen des Landtags sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker über die Weiterentwicklung der Partizipation und das politische Engagement der Jugendlichen in Rheinland-Pfalz diskutiert haben. Auch das ist, denke ich, ein praktischer Schritt begleitend zur Enquete.

Wir haben auch bereits die Anregung der EnqueteKommission aufgreifen können, dass der Internet-Auftritt der Leitstelle „Partizipation“ um vorbildliche Beispiele der Beteiligung ergänzt wurde.

Wir haben auch bereits umsetzen können oder dafür Vorsorge getroffen, dass bei der Abstimmung der Bildungsprogramme zwischen Grundschulen und Kindertagesstätten auch der Beteiligungsaspekt eine Rolle spielt.

Wir haben heute gerade gemeinsam mit dem Präsidenten des Landtags das Projekt der Schülerwahl begleitend zur Landtagswahl vorgestellt. Auch da war die Bitte der Enquete-Kommission, dies nach Möglichkeit auszuweiten. Einen ersten Schritt dazu konnten wir tun. Ich glaube, das macht deutlich, wir versuchen, das, was die Enquete-Kommission erarbeitet hat, wirklich sehr ernst zu nehmen. Dazu gehört übrigens auch, dass bei der Agentur für Qualitätssicherung im schulischen Bereich gerade die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern auch als Qualitätskriterium etabliert werden soll.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, Sie haben uns eine reichhaltige Liste von Aufgaben gegeben. Sie haben sich selbst an vielen Stellen in die Verantwortung genommen. Ich glaube, unser gemeinsames Bemühen muss sein, das, was die Enquete-Kommission erarbeitet hat, in die Fläche zu bringen. Ich sage Ihnen gern, dass wir daran nach Kräften mitwirken und wir diesen Abschlussbericht der Enquete-Kommission offensiv aufgreifen und umsetzen wollen, weil wir ihn wirklich für gelungen halten. Also noch einmal ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)