Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Meine Damen und Herren, nur zum Verständnis. Wir haben eine neue Mikrofonanlage, die noch in der Erprobung ist. Deswegen kann es sein, dass die Akustik bei Ihnen nicht ganz ankommt.

(Mertes, SPD: Ja, genau! Uns geht es auch so!)

Auch die Kollegin hat bedauert, man könne nicht sehen, wann die Redezeit abgelaufen ist. Das muss auch noch verbessert werden. Wir arbeiten daran.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Klöckner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bekanntlich ist die Prostitution eines der ältesten Gewerbe der Welt. In unterschiedlichen Kulturen findet man eine breite Palette von Ursachen und Erscheinungsformen dafür.

Gemeinsam ist in allen Fällen von Prostitution jedoch eines. Die Frau wird zum Objekt. Sie wird zum reinen Gegenstand von Angebot und Nachfrage und zum Spielball skrupelloser Menschen verachtender Machenschaften.

Mit enormer krimineller Energie wird die Ware „Frau“ weltweit gehandelt und vermarktet. Milliarden, wenn nicht sogar Billionen Euro werden pro Jahr mit der Prostitution umgesetzt. Wirtschaftliche Not von Frauen wird schamlos ausgenutzt, um mit ihnen Geld zu machen.

Alle Ereignisse, die mit großen Menschenansammlungen verbunden sind, haben schon immer die Verstärkung der Prostitution zur Folge gehabt. Es gibt dafür nicht wenige Beispiele in der Geschichte. Auch ein Großereignis wie die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft bildet sicher keine Ausnahme.

So alt wie die Prostitution ist auch der Kampf gegen sie. So haben sich eine Reihe von Organisationen und Einzelpersonen in offenen Briefen, Pressemitteilungen und Eingaben an die Öffentlichkeit und an Institutionen gewandt, um damit zu werben und Unterstützung einzufordern gegen zu befürchtende Auswüchse im Bereich der Prostitution.

Ich nenne als Beispiele das Schreiben des Deutschen Frauenrats an den Deutschen Fußballbund und die Nationalspieler, den Appell des Bundesvorstands der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland, kfd, an Bundespräsident Horst Köhler und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, oder die Erklärung der Jungsozialisten in der SPD, die die vom Frauenrat angekündigte Kampagne „Rote Karte für Zwangsprostitution“ begrüßt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dabei bedauern beide zu Recht, ebenso wie die stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Claudia Bogedan, dass der DFB das notwendige Maß an Solidarität mit den betroffenen Frauen und damit seine soziale Verantwortung vermissen lässt. Man glaubt, UNICEF und den SOS-Kinderdörfern diese Aufgabe übertragen zu können.

An dieser Stelle ist besonders SOLWODI zu nennen. SOLWODI hat ein dreigliedriges WM-2006-Konzept ausgearbeitet. Zum einen besteht dies aus einer Prävention in den Herkunftsländern der potenziellen Opfer, die anhand falscher Vorstellungen nach Deutschland gelockt werden.

Das große Netzwerk, das Schwester Dr. Lea Ackermann inzwischen weltweit aufgebaut hat, wird sicher diese notwendige Aufklärungskampagne fördern.

Ebenso unterstützenswert ist die Informationskampagne mit Spendenaufruf zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Besondere Erwähnung verdient die mehrsprachige Hotline, die bundesweit zur Verfügung steht, um Opfern von Menschenhandel Rat und Hilfe anzubieten.

Diese Initiative von SOLWODI, die sich die Betreuung von Opfern des Menschenhandels auf die Fahne geschrieben hat, wird zu Recht von der Landesregierung jährlich mit 100.000 Euro unterstützt.

Rheinland-Pfalz setzt sich mit Entschlossenheit gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ein. Betreuung und besondere Schutzmaßnahmen für Opferzeuginnen bei Gefahrenlage, die unterhalb der Schwelle von Zeugenschutzprogrammen liegen, gehören ebenso dazu wie

das Kooperationskonzept zur Bekämpfung des Menschenhandels in Rheinland-Pfalz, das der Vernetzung aller verantwortlichen Stellen dient, also vorwiegend Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel SOLWODI.

Da sich eine bei der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands aktive Dame mit der Bitte an mich gewandt hat, nähere Informationen über das Thema „Prostitution während der Fußballweltmeisterschaft“ einzuholen, habe ich mich umgehend kundig gemacht.

Die Frau hatte eine Meldung aus Dortmund zugrunde gelegt, nach der vor Ort so genannte Verrichtungsboxen – hässliches Wort – errichtet werden sollten. So genannte Sexgaragen gibt es danach bereits.

Nach meinen Recherchen gibt es so etwas in RheinlandPfalz nicht. Zwar ist die Zahl der so genannten Terminwohnungen gestiegen, und in Kaiserslautern sind drei Bordelle eröffnet worden, jedoch stehen dem auch eine große Zahl von Schließungen dieser Terminwohnungen entgegen.

Für die im CDU-Antrag formulierten erschreckenden Ausmaße von Menschenhandel und Zwangsprostitution habe ich hierzulande erfreulicherweise keine Belege gefunden. Es handelt sich wohl um ein Schreckensszenario der CDU.

Dass Handlungsbedarf in Sachen Menschenhandel und Zwangsprostitution bei der Gesetzgebung besteht, wird nicht bestritten. Das wurde von den politisch Verantwortlichen in Berlin auch aufgegriffen.

Im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU steht unter Ziffer 5.2 – das können Sie auf der Seite 121 des Koalitionsvertrags nachlesen –: „Die Strafvorschriften gegen die sexuelle Ausbeutung von Menschenhandelsopfern, namentlich durch so genannte Freier, sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu novellieren“.

(Glocke des Präsidenten)

Ich erspare mir den Rest. Das können Sie nachlesen.

Ich wollte zum Schluss noch auf ein ganz aktuelles Thema in Sachen Prostitution hinweisen. Das ist mir wichtig.

Sicher haben Sie auch in der heutigen Ausgabe der „Rheinzeitung“ von den Vorwürfen gegen den Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier – der Linkspartei zugehörig – aus Neuwied gelesen, der laut dieser Pressemeldung seit zehn Jahren wissentlich und seelenruhig Mietgelder einstreicht – wörtliches Zitat –, „die mit Prostitution verdient werden“.

Dazu schreibt der Chefredakteur treffend: „Man muss kein Moralapostel, man muss nur ein Mensch mit Werten sein, um zu wissen, Prostitution ist mieseste Ausbeutung in einer ihrer zerstörerischsten Formen. Wer

das unterstützt (und sei es „nur“ als Vermieter), der ist nicht tolerant, sondern amoralisch.“

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Grützmacher.

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen, dass der Skandal „Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung“ – so lautet der Begriff im Strafgesetzbuch – im Landtag debattiert wird. Wir hoffen, dass in dieser Legislaturperiode noch weitere konkrete Handlungswege eröffnet werden. Vielleicht – das haben wir bei den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört – kann die herannahende WM dazu beitragen.

Meine Damen und Herren, um Menschenhandel zu bekämpfen, müssen wir vor allem die Betroffenen in ihren Rechten stärken. Es gilt, je besser und stärker der Opferschutz ist, desto eher können die Täter gefasst werden.

Dazu gehört, dass es sichere Unterkünfte für die Opfer gibt, einen besseren Aufenthaltsstatus und qualifizierte Betreuung in spezialisierten Beratungsstellen.

Das alles kann in den Ländern umgesetzt werden. Da liegt aus unserer Sicht der Ansatzpunkt zu weiterem Handeln auf Landesebene.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte noch einmal sagen – heute in Ihrem Wortbeitrag haben Sie es nicht gesagt –, in dem Antrag sieht es aus, als ob dieses Thema für parteipolitische Grabenkämpfe dienen soll. Nein, dieses Thema „Menschenhandel, Frauenhandel“ brennt schon sehr viel länger als irgendein Visamissbrauch. Es besteht auch schon länger Handlungsbedarf.

Meine Damen und Herren, Menschenhandel ist Frauenhandel. Es ist schlimm, dass im zunehmenden Maß auch Kinder davon betroffen sind.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass vor dem Regierungswechsel 1998 die Opfer von Frauenhandel, wenn sie bei Razzien und ohne Papiere angetroffen wurden, als Täterinnen behandelt wurden, die gegen das Ausländerrecht verstoßen hatten.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Es gab Abschiebehaft, oder sofortiger Rückflug war die Folge.

So wurden die Täter verschont und konnten ihr Geschäft ohne großes Risiko weiterführen; denn die Opfer konnten nicht mehr aussagen.

Die rotgrüne Bundesregierung hat vieles zur Bekämpfung des Menschenhandels auf den Weg gebracht, aber natürlich bleibt noch viel zu tun.

Es gab eine umfassende Reform der Straftatbestände gegen Menschenhandel im Februar vergangenen Jahres, Menschenhandel ist zum Handel von Menschen zur Ausbeutung in all ihren Facetten erklärt worden: zur Arbeit, zur Prostitution, zur Pornografie und sogar – ich mag es gar nicht aussprechen – zur Entnahme von Körperorganen. Die entsprechenden Forderungen im CDU-Antrag sind damit also schon umgesetzt.

Dann wurde die Mindeststrafe erhöht, wenn Kinder Opfer sind, die Opfer schwer misshandelt wurden oder der Täter als Mitglied einer Bande handelte.

Meine Damen und Herren, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend richtete schon 1999 ein Koordinierungsbüro mit bundesweiten Koordinierungsstellen gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess ein.

Auch im Zuwanderungsgesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, den Betroffenen als Betroffene von Frauenhandel ein befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren.

Aber dennoch – ich sagte es schon am Anfang – bleibt noch viel zu tun. In den vorliegenden Anträgen sind wichtige Forderungen enthalten. Aber der Katalog reicht unserer Meinung nach nicht aus, sondern er muss erweitert werden.

So brauchen die Mitarbeiterinnen der anerkannten Fachberatungsstellen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das ist ganz wichtig, damit sich die Opfer ihnen anvertrauen können. Des Weiteren brauchen wir die Vermögensabschöpfung bei Straftaten. Dies muss erleichtert werden; denn die Täter dürfen nicht auch noch davon profitieren, dass die Opfer ihre Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld nicht oder nur schwer geltend machen können.