Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hält eine strenge Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen für erforderlich. Dazu gehört insbesondere das Bekenntnis zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Eine Überprüfung der persönlichen Einstellungen der Einbürgerungsbewerberin oder des Einbürgerungsbewerbers auf der Grundlage von Gesinnungsprüfungen lehnen wir ab.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich werde noch darauf zurückkommen. Mir scheint, dass viele gar nicht genau durchschaut haben, was im Staatsangehörigkeitsrecht und im Zuwanderungsrecht eigentlich verankert ist und welche Voraussetzungen es dafür gibt.

Es gibt das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 1999. Damit wurde im deutschen Einbürgerungsrecht erstmals geregelt, dass anspruchsberechtigte Personen als Voraussetzung der Einbürgerung eine Erklärung abzugeben haben, die Erklärung nämlich, dass sie zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes stehen und sich dazu bekennen und sie keine verfassungsfeindlichen oder gewalttätigen Bestrebungen unterstützen oder unterstützt haben. Durch dieses Bekenntnis sowie – und jetzt kommt es – durch eine Loyalitätserklärung soll die innere Hinwendung der einzubürgernden Person zur Bundesrepublik Deutschland dokumentiert werden. So ist es den Materialien zum Staatsangehörigkeitsrecht zu entnehmen. Das heißt, wir haben schon eine Erklärung, und wir haben schon ein Gespräch mit demjenigen geführt, der eingebürgert wird.

Mir scheint, dass die Öffentlichkeit diskutiert so nach dem Motto: Da kommt einer, der gerade einmal eingebürgert wird. Üblicherweise braucht man dazu acht Jahre, es sei denn, man ist Schlittschuhläuferin. Das heißt, die Menschen sind bereits hier. Sie leben hier, sie arbeiten hier, und sie haben sich nach den Voraussetzungen nichts zuschulden kommen lassen. Wir reden also nicht über jemanden, der gerade vor kurzem hier hergekommen ist und den man einmal fragen kann, ob er möglicherweise die freiheitlich-demokratische Grundordnung kennt.

Das Innenministerium hat im letzten Jahr angeregt, die Ausländer- und Einbürgerungsbehörden sollten es nicht mehr als einen Geschäftsakt betrachten, jemanden einzubürgern, sondern der Einbürgerung einen festlichen Rahmen geben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich selbst habe an solchen Einbürgerungen mehrfach teilgenommen. All diejenigen, die dabei anwesend waren und möglicherweise schon seit ihrer Geburt hier leben, wussten über die demokratische Grundordnung sehr gut Bescheid und darüber, ob es in Rheinland-Pfalz oder in der Bundesrepublik Deutschland Parteien gibt. Sie haben auch Wert auf die Frage gelegt, weshalb sie Deutsche werden wollten. Viele Türken türkischer Abstammung haben mir erklärt, sie wollten Deutsche werden, weil sie diesen Staat mögen und darin leben wollen. Deswegen wollen sie Deutsche werden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, dies hat nicht nur etwas mit dieser Handreichung zu tun, die wir herausgegeben haben, sondern auch etwas mit dieser Loyalitätserklärung, die wir verlangen. Loyalitätserklärung bedeutet, sie wird nicht einfach unterschrieben, sondern derjenige, der die Einbürgerung vornimmt, spricht mit dem Einzubürgernden. Dies ist nämlich kein einfacher Akt. Jeder Ab

geordnete, der Menschen kennt – beispielsweise eine Freundin, einen Freund oder einen Arzt –, die Deutsche werden wollten, weiß, wie schwierig es ist, eine Einbürgerung zu erreichen.

Meine Damen und Herren, das Erfordernis, die Gesinnung der einzubürgernden Person zu überprüfen, stellt sich mir aus diesem Grund überhaupt nicht. Ich sehe auch nicht die Rechtslage dazu.

(Beifall der SPD und der FDP)

Frau Kohnle-Gros, es gibt eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, die mit Zustimmung des Bundesrates – auch mit Zustimmung des Landes Baden-Württemberg – durch die Bundesregierung verabschiedet worden ist. Diese bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift gibt es, und die Einbürgerungsbehörden sind dazu verpflichtet, die Ausländerinnen und Ausländer, die Deutsche werden wollen, über die Bedeutung des Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Loyalitätserklärung zu belehren. Ich habe Ihnen diese Vorschrift einmal mitgebracht, damit jeder sieht, was darin eigentlich gefordert wird. Ich hoffe, dass jeder Deutsche, der von Geburt an hier lebt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch so gelesen hat. Dies ist zu unterschreiben.

Es steht noch eine weitere Passage darin. Er erklärt nicht nur, dass er diese Bestrebungen unterstützt, sondern dass er dies auch mit demjenigen, der die Einbürgerung vornimmt, erörtert hat.

Meine Damen und Herren, wenn man das alles weiß, frage ich mich, weshalb wir in Rheinland-Pfalz so etwas einführen sollen. Die sozial-liberale Koalition – dafür nehme ich mein sozial-liberales Herz in beide Hände – ist einer Meinung: Wir werden eine Gesinnungsprüfung nicht einführen. Wir brauchen sie nicht. Wir haben die Erklärung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Beifall der SPD und der FDP – Kuhn, FDP: So ist das!)

Meine Damen und Herren, Frau Kohnle-Gros hat etwas angedeutet nach dem Motto „Wir werden den Leitfaden vielleicht doch noch für sinnvoll halten.“ Bei allem Respekt! Ich kenne den Kollegen Rech, und ich schätze ihn auch. Aber ich weiß nicht, ob er diesen Leitfaden ernsthaft meint. Bei allem Respekt davor, dass einzuschulende Kinder natürlich Deutsch können sollten, aber diesen Leitfaden können Sie doch nicht als Maßstab nehmen! Selbst Sie nicht, Frau Kohnle-Gros! Da nehme ich Sie ausdrücklich in Schutz. Sie können nicht ernst meinen, dass man so etwas abfragen kann. Ich möchte die Fragen nicht zitieren; denn stellenweise sind sie schon hoch peinlich.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es! Sehr peinlich!)

Es kommt ein Zweites hinzu: Wir können doch nicht nur über Mitbürger muslimischen Glaubens reden. Wir reden doch über alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zu uns kommen wollen. Allein diese Einschränkung zeigt schon, dass – wie ich finde – etwas populistisch auf einen be

stimmten Termin hingearbeitet wird. Dies möchte ich als Staatsbürger deutlich sagen und auch deutlich verweigern. So etwas ist nicht in Ordnung. Es ist nicht in Ordnung, dass man einen solchen Leitfaden erarbeitet und tatsächlich ernsthaft erwägt, ihn anzuwenden. Das kann nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Damit dies ganz klar ist, gibt es ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mir das herausgesucht, weil wir darüber gesprochen haben. Dabei geht es um unsere Verfassung und welche Überzeugungen sie jedem zugesteht. Die Entscheidung lautet wie folgt:

„Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht.“ – In diesem Leitfaden geht es nur um die Frage der Werte. - „Die Bürger sind daher auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung infrage zu stellen, solange sie dadurch die Rechtsgüter anderer nicht gefährden. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren.“

Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Danke schön.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat noch einmal Herr Abgeordneter Klöckner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau KohnleGros, Sie müssten einmal den Titel des Themas der heutigen Aktuellen Stunde lesen. Dort steht: „Gesprächsleitfaden Baden-Württemberg“.

Sie haben nur gesagt, es müsse etwas getan werden. Aber Sie sind inhaltlich überhaupt nicht darauf eingegangen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich würde gern einmal wissen, welche Vorstellungen Sie über das hinausgehend haben, was der Herr Innenminister vorgetragen hat und was seit sechs Jahren in Rheinland-Pfalz Praxis ist. Sie wollen im Grunde genommen – – –

(Dr. Weiland, CDU: Wer will was? – Weitere Zurufe von der CDU – Dr. Weiland CDU: Wer will was? Wer will was? Es ist unglaublich!)

Herr Dr. Weiland, ich finde es schon interessant, wenn eine unionsgeführte Landesregierung im Nachbarland einen solchen Gesprächsleitfaden herausgibt.

(Dr. Weiland, CDU: Das ist unglaublich!)

Heute Morgen im Frühstücksfernsehen hat sich der hessische Innenminister Bouffier wohlwollend geäußert und gesagt, man sollte noch darüber hinausgehen.

(Dr. Weiland, CDU: Unverantwortlich, wie Sie mit diesem Thema umgehen!)

Nein. Ich denke, Sie haben den 26. März im Hinterkopf und wollen im Grunde genommen Zugeständnisse an den Populismus machen.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Haben wir das beantragt oder Sie? – Dr. Weiland, CDU: Sie wollen bei diesem Thema doch nur billige Polemik!)

Meine Fraktion hält es für sehr notwendig, dass dieses Thema erörtert wird. Es ist bundesweit in der Diskussion. Das können Sie wohl nicht leugnen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Rosenbauer, CDU: Haben Sie das beantragt oder wir?)

Ich denke, es ist nicht mehr als recht, von den Politikern der CDU im Land zu erfahren, wie sie zu dieser Sache stehen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das haben wir doch gesagt!)

Dazu hat Frau Kohle-Gros keine Äußerung gemacht.

(Dr. Weiland, CDU: Dann müssen Sie uns zuhören und nicht Ihre Polemik loswerden!)

Ich sehe darin keine Polemik. Ich glaube, dass ich eine klare Sachbeschreibung gegeben

(Beifall bei der SPD)

und auch klar herausgearbeitet habe, dass RheinlandPfalz einen sehr liberalen und vor allen Dingen verfassungsrechtlich klaren Kurs geht.

(Dr. Weiland, CDU: Unglaublich!)

Das ist die entscheidende Frage. Ich denke, das sollte man im Parlament auch einmal klar und deutlich sagen. Da hilft Ihr lautes Zwischenrufen auch nichts, Herr Dr. Weiland.

(Mertes, SPD: Das ist ein Beweis seiner Hilflosigkeit!)