Protokoll der Sitzung vom 20.01.2006

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die anhaltend hohen Arbeitslosenquoten und der Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zeigen uns, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Sicherung von Beschäftigung eine der größten Herausforderungen für Deutschland und damit auch selbstverständlich für Rheinland-Pfalz sind.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Wenn ich eine Zahl immer sehr sorgfältig beobachte, dann ist es die Arbeitslosenzahl, Frau Thelen.

Es ist wirklich ein Gerücht, dass wir im letzten Jahr in Rheinland-Pfalz unsere Position auch nur annähernd verändert hätten. Die Arbeitslosenquote in RheinlandPfalz bewegt sich seit Jahren inzwischen im Schnitt auf dem dritten Platz.

Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass aufgrund der großen Reformen im letzten Jahr alle Arbeitslosenzahlen bundesweit insgesamt gestiegen sind, weil die Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen dazugekommen sind.

Trotz dieser schwierigen Herausforderungen haben wir es geschafft, selbst im Januar – das ist immer ein sehr kritischer Monat für Rheinland-Pfalz – die dritte Position zu halten. Ich glaube, diese Aussage darf man nicht verfälschen. Wir haben uns sehr stabil im Bereich der Arbeitslosenquote entwickelt. Darüber sind wir sehr froh.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das heißt natürlich nicht, dass das für uns ein Grund ist, uns auszuruhen und uns damit zufrieden zu geben; denn unser Anspruch in der Landesregierung ist es, sich um jeden arbeitslosen Menschen zu kümmern und zu schauen, wo wir etwas tun können, um Beschäftigung zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten.

Es ist vieles angesprochen worden. Herr Abgeordneter Schwarz beispielsweise hat die Chemische Industrie genannt. Er hat die kleinen und mittelständischen Unternehmen und erfolgreiche Konversionsmaßnahmen genannt.

Ich glaube, das sind alles Politikfelder, auf denen sich die Politik unseres Landes sehen lassen kann.

Ich möchte an diesen Beispielen noch einen Punkt nennen, der aus meiner Sicht für die Zukunft von ganz besonderer Bedeutung ist. Der Arbeitsmarkt ist inzwischen von einer sehr hohen Komplexität geprägt. Auch das ist Inhalt des Berichts der Enquete-Kommission.

Deshalb halten wir es in der Landesregierung so, dass unterschiedliche Ressorts auf diese Komplexität antworten. Nehmen wir das Beispiel Chemische Industrie, bei der die Umweltministerin, der Wirtschaftsminister, die Staatskanzlei und das Arbeitsministerium aktiv versuchen, positiv Rahmenbedingungen mitzugestalten.

Nehmen wir den PRE-Park, der schon genannt worden ist. Ich denke, ohne das Zusammenwirken von Staatskanzlei, Wirtschaft, Innen-, Wissenschafts- und Arbeitsministerium wären solche Projekte überhaupt nicht denkbar gewesen.

Das wird die Herausforderung der Zukunft auch in der Politik sein, wirklich sehr komplex mit dieser Situation umzugehen und ressortübergreifend Aktivitäten zu entfalten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wenn wir von Arbeitsplatzsicherung sprechen, dann sprechen wir natürlich auch von Arbeitsplätzen in Rheinland-Pfalz, sehr geehrte Frau Abgeordnete Thelen; dennoch möchte ich an dieser Stelle noch etwas sagen.

Ihre Argumentation habe ich schon häufiger zur Kenntnis genommen: Wir sind ein Pendlerland. – Ich frage mich immer wieder, was ist das Problem, wenn ein Trierer in Luxemburg arbeitet, ein Ludwigshafener in Mannheim oder in vergleichbaren Räumen?

Wir denken nicht nur kleinräumig, sondern die ganze Entwicklung geht in die Richtung, dass wir regionenübergreifend denken müssen und starke Wirtschaftsräume so entwickeln, dass selbstverständlich auch rhein

land-pfälzische Arbeitnehmer und -nehmerinnen davon profitieren. (Beifall der SPD)

Bei aller Wichtigkeit der Erwerbstätigenzahlen: Es zählt eben nicht nur, welcher Arbeitsplatz direkt und konkret im Land entsteht, sondern auch, wie stark wir uns in der Politik darauf einigen können, Wirtschaftsräume zu entwickeln und damit dem Rheinland-Pfälzer vielleicht auch zuzumuten, zehn Kilometer über den Rhein zu fahren und dort einen Arbeitsplatz zu finden.

(Beifall der SPD und der FDP – Itzek, SPD: So ist es!)

Obwohl all diese Themen schon gestern hinlänglich debattiert worden sind, kann ich es mir auch nicht verkneifen, noch einmal etwas zu der rosaroten Brille zu sagen. Das Wort „Aufsteigerland Rheinland-Pfalz“ hat nicht die Landesregierung geprägt. Ich sage dies noch einmal ausdrücklich. Wir beziehen uns darauf, was uns unabhängige Institutionen bescheinigt haben. Wir werden als Landesregierung natürlich das, was gesagt wird und was mit Daten und Fakten unterlegt wird, nicht unter den Tisch kehren, sondern wir werden uns darum bemühen, dass es auch möglichst viele Menschen hören und verstehen.

Ich möchte auf einige andere Empfehlungen der Enquete-Kommission punktuell eingehen, obwohl viele Punkte schon genannt worden sind, die wichtig sind. Ein Punkt, der aus meiner Sicht von besonderer Bedeutung ist, ist kaum angesprochen worden. Die Enquete-Kommission hat uns bestätigt, dass es eigentlich keine einfachen Erfolgsrezepte gibt und es natürlich auch nicht möglich ist, dass eine Landesregierung allein Akteur in diesem komplexen Geschehen ist. Wir brauchen alle Akteure am Arbeitsmarkt: die Landes- und die Bundesregierung, die Agentur für Arbeit, die Arbeitgeber, die Gewerkschaften und die Betriebsräte. – Alle müssen an einem Strang ziehen, um unser Land in diesem Bereich auch weiterhin im positiven Sinn weiterzuentwickeln. Es ist und bleibt also unsere dauerhafte Aufgabe, das, was aus meiner Sicht in Rheinland-Pfalz hervorragend und vorbildlich entwickelt worden ist, das gemeinsame Agieren im gemeinsamen Sinn voranzubringen. Der Ovale Tisch ist nur ein Beispiel dafür. Aber dies gilt für viele andere Bereiche gleichermaßen. Ich glaube, auch darin liegt ein Stück Zukunft. Herr Schwarz hat darauf hingewiesen, dass wir es schaffen, diese komplexe Herausforderung gemeinsam mit allen Akteurinnen zu bewältigen.

Die Enquete-Kommission geht natürlich weit über die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt hinaus. Das ist ihr Auftrag. Ich möchte auf das Thema „Ausbildung“ nicht noch einmal eingehen. Zum Ersten hat es schon gestern sehr viel Raum eingenommen, und zum Zweiten lag der Zwischenbericht vor, der auch im Plenum schon ausführlich und abschließend debattiert worden ist.

Mir ist es wichtig, noch einmal auf das Thema „demografische Entwicklung und Beschäftigung“ einzugehen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass dies auch in Zukunft unseren Arbeits- und Beschäftigungsmarkt sehr stark prägen wird. Der Umgang mit älter werdenden Belegschaften, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die

Deckung des in den Betrieben vorhandenen Fachkräftebedarfs und auch die Sicherung der Qualifikation durch Ausbildung und lebenslanges Lernen werden in den nächsten Jahren ganz zentrale Themen sein, um die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Betriebe und damit der Beschäftigung im Land zu sichern. In den Betrieben müssen Strukturen geschaffen werden. Ältere Erwerbstätige müssen beispielsweise durch die Übertragung von Verantwortung motiviert werden. Ich denke an die Schaffung altersgemischter Teams oder altersentsprechender Arbeitsbedingungen und -anforderungen, neuer Arbeitszeit- und Arbeitsorganisationsmodelle usw. Es sind viele Herausforderungen, die die Betriebe zu bewältigen haben.

Wir stellen immer wieder fest, dass dieses Thema zwar registriert wird, aber noch nicht wirklich so richtig aufgenommen wird. Wir haben deshalb auch im letzten Jahr etliche Modellprojekte auf den Weg gebracht, beispielsweise gemeinsam mit der Handwerkskammer Rheinhessen, die versucht, in kleinen und mittelständischen Unternehmen dieses Thema zu implementieren und stärker mit den Betrieben daran zu arbeiten, was es eigentlich bedeutet, in Zukunft mit gemischten Teams zu arbeiten und sich auf eine alternde Belegschaft einzustellen. Dies ist ein schwieriges Thema, aber ich glaube, wir haben ausreichend Zeit, voller Energie hineinzugehen und uns gemeinsam mit unseren Ressourcen zu unterstützen, um dieses Thema in Rheinland-Pfalz und insbesondere auch in den kleineren Betrieben zu platzieren.

Für die Entwicklung der Beschäftigung gilt, der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft hält weiter an. Dies ist bereits angesprochen worden.

(Unruhe im Hause)

Die Unruhe wird jetzt auch groß. Das ist wahrscheinlich der Fall, da dies der letzte Redebeitrag am Freitagnachmittag ist.

(Mertes, SPD: Nein, Herr Rosenbauer hat sich schon gemeldet und zittert vor Ungeduld!)

Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal den Hinweis geben, auch wir sind der Auffassung, dass es wichtig ist, was die Enquete-Kommission in diesem Bereich festgestellt hat, weil wir ein großes Potenzial an Dienstleistungsmöglichkeiten haben, insbesondere bei unternehmensbezogenen und personennahen Dienstleistungen.

(Unruhe im Hause)

Gewinnerbranchen der Zukunft werden unternehmensbezogene Dienstleistungen sein. Das wissen wir. Die Landesregierung hat beim Fraunhofer Institut ein Gutachten „Regionen und Branchen im Wandel“ in Auftrag gegeben, das auch von der Enquete-Kommission aufgegriffen und reflektiert worden ist. Es wird also darum gehen, die berühmte wirtschaftliche Clusterbildung tatsächlich auszugestalten. Der PRE-Park ist ein gutes Beispiel dafür, aber natürlich brauchen wir im Land Rheinland-Pfalz auch andere Beispiele, um die Zukunft bewältigen zu können.

Von Herrn Dr. Braun ist das Thema „Pflege und Gesundheit“ angesprochen worden. Natürlich sind dies im Dienstleistungssektor große Zukunfts- und Wachstumsbranchen, in die wir investieren müssen und in denen wir Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit eine Expansion in diesem Bereich tatsächlich möglich ist.

Ich möchte ein letztes Stichwort zum Thema „Alter“ ansprechen. Dies ist das lebenslange Lernen. Ich möchte es im Rahmen dieser Debatte ansprechen, weil wir meines Wissens schon mindestens zehn Jahre darüber diskutieren. Es ist zumindest keine wirklich neue Erkenntnis. Aber ich glaube, wir müssen noch sehr viel tun, um das lebenslange Lernen tatsächlich auch in den Betrieben zu implementieren und Voraussetzungen für eine bessere Weiterbildung in allen Lebenslagen zu schaffen. Die Landesregierung ist auch in diesem Bereich schon aktiv, aber wir werden uns diesem Punkt auch sehr stark für die Zukunft widmen, um entsprechende Partner zu unterstützen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal anmerken, dass die Betriebsräte besondere Partner des Arbeitsministeriums sind, was das Thema „Weiterbildung in den Betrieben“ betrifft. Sie arbeiten in diesem Bereich sehr erfolgreich. Aber natürlich brauchen wir auch viele andere Partner in der Zukunft, um dieses Thema zu einem normalen Thema in dieser Gesellschaft zu machen. Wenn man mit jungen Leuten spricht, haben sie immer noch die Vorstellung, dass es vorbei ist mit der Weiterbildung und dem Lernen, wenn sie einmal das Studium geschafft haben. Aber es ist klar: Wenn wir in der Zukunft bestehen wollen, müssen wir viel mehr tun, was das Wissen und die Wissensweiterentwicklung betrifft.

Zu den Beschäftigungsformen möchte ich darauf hinweisen, dass das Thema „Frauen und Erwerbstätigkeit“ für die Landesregierung eine ganz besonders hohe Priorität genießt. Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit schon sehr viel getan, und wir werden natürlich auch in der Zukunft nach wie vor einen großen Schwerpunkt setzen, um die Frauen nicht nur – wie es heute der Fall ist – in vielen geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen beschäftigt zu sehen oder teilzeitbeschäftigt zu sehen, sondern noch viel stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Meine sehr verehrten Herren, meine sehr verehrten Damen! Ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich für Ihre konstruktive Arbeit und für den Bericht und kann Ihnen nur zusagen, dass die Landesregierung diesen Bericht auch in Zukunft zur Grundlage für ihre Arbeit machen wird.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Für eine Kurzintervention hat Herr Dr. Rosenbauer von der CDU das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin, es wäre schön gewesen, Sie wären bei der Enquete-Kommission anwesend gewesen und hätten die Diskussion miterlebt.

(Zurufe von der SPD – Itzek, SPD: Schnösel!)

Ich kann nur feststellen, Sie haben zu dem Bericht und zu den Problemen wenig gesagt. Sie haben zu den Beiträgen, die von anderen Stellen kamen, so gut wie kein Wort erwähnt. Sie haben zu Dingen Stellung bezogen, die über das Ministerium und die Landesregierung in die Enquete-Kommission eingebracht worden sind. Sie bringen etwas ein und loben sich nachher, dass es eingebracht worden ist. Aber die Themen, die von Fachleuten aufgekommen sind, wie der Verlust von Realeinkommen oder Realeinkommenslücke, Beschäftigungslücke, Arbeitszeitlücke, Produktivitätslücke,

(Mertes, SPD: Denklücke!)

Bildungsmonitor, haben Sie völlig außen vorgelassen. Auf Dinge, die von außen eingebracht wurden, sind Sie mit keinem Wort eingegangen. Dies halte ich schon für bemerkenswert.

Sie sagten, wir müssen in Wirtschaftsräumen denken. Darin sind wir völlig einer Meinung. Aber die Aufgabenteilung kann doch für die Zukunft nicht darin bestehen, dass die Nachbarländer um uns herum die Arbeitsplätze schaffen und die Gewerbesteuer einnehmen und wir das Schläferland für diese Länder werden. Wir müssen doch die Kraft besitzen, unsere eigenen Regionen zu entwickeln, und versuchen, trotzdem möglichst viele Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz zu schaffen. Das heißt nicht, dass das, was andere tun, schlecht ist. Aber wir müssen

doch unsere eigene Kraft entwickeln. Das ist unsere zentrale Aufgabe. (Beifall der CDU)

Wir erleben dies nicht zum ersten Mal: All das, was von außen eingebracht wird, jeder Hinweis auf eine Lücke oder jeder Verbesserungsvorschlag wird einfach weggewischt und entsprechend kommentiert. Sie haben lang und breit berichtet, was Sie schon wieder getan haben. Diesen Beitrag hätte man ebenso gut als Regierungserklärung bringen können, aber nicht bezogen auf diese Kommission.