Protokoll der Sitzung vom 15.02.2006

Die Landesinitiative bietet den Kommunen den bisher nicht vorhandenen Vorteil, angemessen, flexibel und vor allem einzelfallorientiert zu reagieren. Damit werden bestehende Möglichkeiten ergänzt und erweitert.

Damit die Kommunen mit der Landesinitiative richtig umgehen und alle Optionen anwenden können, ist eine Beratungsstelle für die Kommunen beim Diakonischen Werk Trier eingerichtet worden, die bereits von den Kommunen in Anspruch genommen wird.

Damit kann nicht nur ein ausländerrechtliches Problem gelöst und können Lebenswege von ausreisepflichtigen und ausreisewilligen Personen in positive Bahnen mit Zukunftsperspektiven gelenkt werden.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, auch die Kommunen werden von den Kosten der hier lebenden ausreisepflichtigen Personen entlastet. Man darf nicht vergessen, dass auch Zwangsmaßnahmen Geld kosten und nicht zu 100 % erfolgreich sind.

Die Details werde ich Ihnen im zweiten Teil meiner Rede noch einmal erläutern.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Innenminister Bruch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausgang der Debatte ist, so hoffe ich, klar. Es gibt einen Zeitungsartikel in der „Süddeutschen Zeitung“, in dem ein Leiter einer Ausländerbehörde angeblich behauptet, er habe mit Ausländerinnen und Ausländern, die zurück sollen, gesprochen und selbst für 10.000, ja für 20.000 oder 50.000 Euro sei derjenige nicht bereit gewesen, in das Herkunftsland zurückzukehren. Dies ist eine Behauptung, die, wie wir jetzt wissen, von niemandem nachweisbar unterstützt wird. Es gibt keine Ausländerbehörde, die eine solche Aussage gemacht hat. Wir haben 36 Ausländerbehörden, die wir alle abgefragt haben.

(Hörter, CDU: Da meldet sich einer und sagt das!)

Wenn man eine solche Behauptung aufstellt, sollte man auch dazu stehen.

(Beifall bei SPD und FDP – Mertes, SPD: So ist das!)

Ich rede zum zweiten Mal im Landtag zu dieser Frage. Das Thema war schon einmal im Landtag Inhalt einer kurzen Debatte. Insoweit bedauere ich es jetzt, in diesem Kontext zu der ersten Bemerkung in dieser Debatte etwas zu sagen. Man kommt natürlich sehr leicht in den Geruch eines Wahlkampfs, wenn man in dieser schwierigen Diskussion, die wir heute über Muslime und über die Fragen führen, wie wir mit Menschen umgehen, die fanatisiert sind, und welche Auswirkungen das möglicherweise auf das Land Rheinland-Pfalz oder die Bundesrepublik Deutschland hat, etwas sagt. Dazu kommt eine latente Ausländerfeindlichkeit, die ich wieder gespürt habe, nachdem die Zeitung mit den großen Buchstaben das veröffentlicht hat. Was ich an Briefen und Hinweisen von deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bekommen habe, spottet jeder Beschreibung.

Als ich die Debatte verfolgt habe, hat mich mehreres nicht nur verwundert, sondern ziemlich getroffen. Der Abgeordnete Böhr hat Folgendes behauptet: Kein Mensch hat etwas dagegen, wenn einem ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber eine Starthilfe von 1.000 Euro mit auf den Weg gegeben wird. Aber dass es hier eine Aufforderung der Landesregierung gibt, zu verhandeln über 20.000, 30.000, 50.000 Euro, das macht mich schon ein bisschen fassungslos.

(Pörksen, SPD: Unglaublich!)

Es gibt keine Aufforderung der Landesregierung. Es gibt auch keine Zahlung. Ich habe im Fernsehen gesagt, ich erwarte in dieser Frage eine Entschuldigung.

(Beifall der SPD und FDP)

Herr Abgeordneter Dr. Weiland, wenn man so etwas behauptet, dann muss man auch Ross und Reiter nennen, wo denn diese Aufforderung steht und wer das in der Landesregierung gesagt hat.

Die Starthilfen, die wir gewähren, liegen weit unter diesen Zahlen. Manchen Kommunen steht noch nicht einmal diese Summe zur Verfügung.

Ich möchte aber noch etwas zu den Hintergründen sagen, weil das hier schon angesprochen worden ist. Für eine geregelte Zuwanderung ist es unabdingbar, dass eine im Rahmen des geltenden Ausländer- und Asylrechts festgestellte Ausreisepflicht grundsätzlich auch konsequent vollzogen wird. In den zurückliegenden Jahren wurden durchschnittlich 1.200 Personen abgeschoben. Zurzeit haben wir noch rund 7.000 Ausreisepflichtige.

Auch wenn ein Ausländer vollziehbar zur Ausreise verpflichtet ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er im Wege des Verwaltungszwangs auch zurückgeführt werden kann. Um rückzuführen, muss die Identität geklärt werden, Reisepapiere müssen beschafft werden und Ähnliches mehr. Dazu hat diese Landesregierung umfängliche Arbeiten geleistet.

Wir haben ein Modellprojekt zur Identitätsfeststellung eingeführt. Wir haben für die Aufnahme Asylbegehrender die Aufnahmeeinrichtung in Trier, was Sie kritisieren. Wir haben die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige zur Unterstützung der Kommunen geschaffen. Beide Einrichtungen besitzen wenige andere Länder. Aber es bleibt die Tatsache – insoweit haben die Ausländerbehörden eine sehr schwierige Aufgabe –, die Durchsetzung der Ausreisepflicht zählt zu den frustrierendsten Aufgaben, die eine Ausländerbehörde hat. Die Gründe liegen auf der Hand: Reisepapiere müssen beantragt werden. Dafür müssen Unterschriften geleistet werden. Die Herkunftsländer stellen häufig keine Reisepapiere aus. Es geht auch darum, dass viele Menschen krank sind. Hier setzt die Landesinitiative „Rückkehr 2005“ an. Nur durch die Kombination von Konsequenz und einzelfallbezogener Hilfe für eine Rückkehr sind nach den bisherigen Erfahrungen auch Erfolge zu erzielen.

Die damalige Süßmuth-Kommission hat es beschrieben. Es gibt keinen Königsweg. Die freiwillige Rückkehr wird den Interessen aller Beteiligten am besten gerecht. Das war die Kernaussage.

Damit erspart es uns, solche Fälle zu haben, in denen Kinder oder Familien nachts aus den Betten und aus den Wohnungen geholt und mit Zwang in ein Flugzeug gesetzt werden. Es erspart den Gastländern, finanzielle, politische oder soziale Kosten zu übernehmen. Deswegen beteiligen sich alle Bundesländer seit Jahren an Rückführungsprogrammen wie REAG und GARP. Herr Abgeordneter Hörter, auch das Land Rheinland-Pfalz beteiligt sich. Wir haben übrigens im letzten Jahr über 300 Personen über dieses Programm zurückgeführt.

Aber dieses Programm ist unflexibel. Nicht förderfähig sind Medikamente, medizinische Hilfen, Sicherung einer Pflegestelle, stationäre Unterbringung im Heimatland usw. Außerdem ist es sehr unterschiedlich aufgelegt.

Damit Sie nicht denken, dass dies nur die Meinung des Innenministers des Landes Rheinland-Pfalz ist, lese ich Ihnen einmal vor, was ich von einem anderen Land zur Bilanz der zentralen Rückkehrberatungsstellen in Bayern bekommen habe. Frau Kollegin Stewens führt Folgendes aus: Ziel ist eine ergebnisoffene Beratung über die Bedingungen einer freiwilligen Rückkehr. Dies ist für die ausländischen Flüchtlinge in jedem Fall besser als eine Abschiebung unter Zwang. Dieser Programmansatz individueller Beratung und Hilfen in Bayern ergänzt die schon länger bestehenden Bund-Länder-Programme REAG und GARP, die Flüchtlingen Reisebeihilfen und gewisse pauschale Starthilfen gewähren. Aber das reicht alles oftmals nicht aus, um Flüchtlinge zur freiwilligen Ausreise zu motivieren und erfolgreich im Heimatland zu integrieren.

Deswegen hat die bayerische Landesregierung ein solches Programm auch aufgelegt, wie Sie es kritisieren.

(Mertes, SPD: Recht hat sie!)

Ich finde es ganz in Ordnung, dass sie das macht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Da Sie auch Zahlen über GARP und REAG in Bayern veröffentlicht haben – nämlich eine Zahl 1.000 –, muss ich Ihnen sagen, die Zahl ist falsch. Bayern teilt uns mit: 630 bei einer Quote von etwa 12,8 %, die sie aufnehmen müssen. – Ich sage Ihnen, wir rechnen mit mehr als 300 bei einer Aufnahmequote von 4,7 %. Wer macht denn da mehr in diesem Bereich, wenn Sie das schon kritisieren?

(Mertes, SPD: Das ist jetzt schwierig!)

Meine Damen und Herren, wir haben den Kommunen dann ein Programm angeboten. Wir haben keine Politik des Zügels gemacht. Das hat mich auch gewundert. Verschiedene Landräte – eigentlich nur zwei, einer in Bitburg-Prüm – haben erklärt: Wir haben keine Vorgaben gehabt.

(Lewentz, SPD: Der musste das erklären!)

Da bitte ich herzlich um Entschuldigung. Wir haben uns hier alle einmal verständigt, dass es keine Standards geben soll, wir Standards abbauen sollen, wir freie Hilfen geben sollen, und dann kommen welche daher und sagen: Wir haben keine Phantasie.

(Starker Beifall der SPD und Beifall der FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Diakonischen Werk durch Ausschreibung eine Beratungsstelle gefunden, die in jedem Einzelfall mit den betroffenen Stellen kooperiert. Von daher gesehen bin ich sehr zufrieden mit der Entwicklung.

Es gibt eine weitere Bemerkung von Herrn Hörter, der Landesrechnungshof möge sich doch mit dem Projekt beschäftigen. Wir haben den Landesrechnungshof schon im letzten Jahr mit dem Projekt beschäftigt, bevor wir es in Gang gesetzt haben. Wir haben ihn gefragt:

Hast du irgendwelche Einwände? – Ich sage es etwas salopp. Er hatte keine Nachprüfung, und wir sind sehr zufrieden damit, dass der Rechnungshof es so sieht.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Förderfähig sind also Ausreisewillige und -pflichtige, in erster Linie abgelehnte Asylbewerber. Ich will die Zahl nicht noch einmal wiederholen. Die Kommunen können zielgerichtet und zugeschnitten auf den konkreten Einzelfall Hilfen gewähren, die nicht in REAG und nicht in GARP dargestellt werden können. Sie erhalten sofortige und dauerhafte Ersparnis ihrer Sozialleistungen, und zwar durchgehend. Ich kann Ihnen Fälle nennen – wenn Sie das wollen, kann ich das gern noch tun – willkürlich im Land, wo wir Zahlungen geleistet haben. Die Kommune hat Zahlungen von 3.000 oder 7.000 Euro geleistet und hat damit innerhalb von drei Monaten eine Ersparnis auf Dauer von einem Vielfachen dieser Summe. Was also kritisieren Sie? Die Menschlichkeit?

Ich habe dieses Programm mit den katholischen Bischöfen – mit Kardinal Lehmann – besprochen. Er hat mich auf dieses Programm hin angesprochen. Der Präses der evangelischen Kirchen hat mich auf dieses Programm hin angesprochen. Alle haben erklärt, es ist gut, dass die Landesregierung ein solches Programm so aufgelegt hat und durchführt. Sie kritisieren das?

(Beifall der SPD und der FDP)

Nun geistert immer die Zahl mit 50.000 durch die Gegend. Dies passiert immer wieder. Wir haben abgefragt. Ich kann Ihnen die Zahlen für jede einzelne Kommune nennen. Wenn Sie mich nachher noch weiter fragen wollen, will ich das gern tun. Wir haben tatsächlich eine Zahlung gefunden – nicht wir –, eine Zahl von 40.800 Euro: in Bayern!

(Lewentz, SPD: Ach ja!)

Ich kritisiere das nicht, weil die Kollegin Christa Stewens genau begründet hat, warum sie das getan hat. Es war sozial gerecht, es war christlich, und es war menschlich. Dieses Programm ist so. Es ist sozial, weil es die sozialen Komponenten der Betroffenen und die soziale Situation der Kommunen beinhaltet. Es ist liberal, weil es sich öffnet, und es ist sehr christlich, weil es die Menschlichkeit beinhaltet.

Herzlichen Dank.

(Anhaltend starker Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Hörter.

(Lewentz, SPD: Bosbach heißt er doch!)