Protokoll der Sitzung vom 18.10.2001

Das sage ich Ihnen gleich. So sollen beispielsweise nach den Plänen des Ministeriums Verdächtige künftig vier Tage in Vorbeugegewahrsam genommen werden können. Bislang betrug die Frist 24 Stunden. Das wissen Sie.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehen Sie, man muss verstehen, um was es geht!)

Meine Damen und Herren, über die Forderungen der CDU-Fraktion hinaus wurden dank der Initiative von Rheinland-Pfalz weitere Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheitsvorkehrungen maßgeblich zu verstärken. So brachte das Land beispielsweise bereits vor drei Jahren einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes gefährdeter Zeugen auf Bundesebene ein. Dieser wurde in der letzten Sitzung des Bundesrats verabschiedet.

Die in dem Gesetz enthaltenen Maßnahmen erhalten gerade angesichts der aktuellen Sicherheitslage eine große Brisanz, da Organisierte Kriminalität und Terrorismus genau die Deliktsbereiche sind, auf die sie zugeschnitten wurden.

Während bislang der Schutz von wichtigen Zeugen und ihrer Angehörigen in hochkarätigen Prozessen nur durch das allgemeine Polizeirecht geregelt war, ist mit den rheinland-pfälzischen Maßnahmen der Weg für spezifi

sche Schutzmaßnahmen und somit zu einer hoffentlich stärkeren Aussagebereitschaft wichtiger Zeugen offen.

Meine Damen und Herren, weiterhin hat gerade die FDP nach Wegfall der Kronzeugenregelung für terroristische und organisiert begangene Straftaten ein neues Kronzeugengesetz gefordert. Dies ist bislang jedoch vor allem an den GRÜNEN gescheitert. Diese lehnen den unverzichtbaren Beitrag für eine effektive Verbrechensbekämpfung aus rein ideologischen Gründen ab.

(Beifall bei der FDP – Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hahaha!)

Dass sich die Bundesregierung nun doch der Position der FDP in der Frage einer Kronzeugenregelung anzunähern scheint,

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit haben wir doch schon Erfahrung!)

ist mehr als begrüßenswert und ist damit auch voll auf der Linie von Minister Schily. Nur, wenn ich den Worten von Frau Grützmacher Glauben schenke, dann habe ich das Gefühl, sie möchte in Berlin die Koalition verlassen. So erscheint mir das.

(Pörksen, SPD: Sie war nie darin! – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig! – Böhr, CDU: Dass Sie dem Herrn Pörksen zustimmen, hätte ich mir auch nicht träumen lassen!)

Aber die Farben, die sie vertritt.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz hat alles Erforderliche unternommen, um die rheinlandpfälzischen Bürgerinnen und Bürger vor Terrorangriffen islamistischer Extremisten zu schützen. Das Land hat auch umfassend dafür Sorge getragen, dass amerikanische, britische und jüdische Einrichtungen sowie Moscheen vor möglichen Anschlägen geschützt werden.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Mehrere Hundertschaften! – Pörksen, SPD: Sie sollten wirklich ein bisschen zurückhaltender sein!)

Mangelnde Entschlossenheit und Konsequenz im Kampf gegen Terrorismus kann man der rheinland-pfälzischen Landesregierung also wahrlich nicht vorwerfen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich sehr herzlich Schülerinnen und Schüler der

9. Klasse der Hauptschule Konz. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Böhr das Wort.

(Pörksen, SPD: Eine richtige Rede?)

Eine ganz normale Rede, Herr Pörksen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Zuber, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung davon gesprochen, dass Sie an alle Fraktionen dieses Hauses appellieren, in dieser Situation zusammenzustehen. Ich möchte diesen Appell ausdrücklich durch das unterstützen, was ich hier sage. Ich halte das für richtig.

Nur, in dem Zusammenhang stellt sich natürlich eine Frage, die sich aus der Sicht der Opposition zwingend stellen muss. Das ist eine Frage, die sich an Sie richtet, Herr Minister Zuber. Sind Sie wirklich der Meinung, dass es in der Vergangenheit nicht schon einmal Situationen gegeben hat, in denen ein solcher Appell geholfen

(Beifall bei der CDU)

und wo es Anlass gegeben hätte, gerade das Thema „Sicherheit“, das sich nun wirklich nicht dazu eignet, ausschließlich unter Profilierungsgesichtspunkten behandelt zu werden, hier in diesem Hause entsprechend zu diskutieren? Wissen Sie, es fällt schon schwer, in dieser Situation der Plenardebatte heute Nachmittag gänzlich darauf zu verzichten, einmal mit dem einen oder anderen abzurechnen, was in der Vergangenheit auch von Ihnen gesagt wurde, Herr Zuber.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mich beispielsweise als Oppositionspolitiker nie verletzt gefühlt, wenn Sie uns Panikmache vorgeworfen haben. Das ist ein politischer Schlagabtausch, der im Zweifel umgekehrt genauso stattfinden würde. Wenn Sie aber noch im Mai dieses Jahres in einer Debatte zum Thema „Innere Sicherheit“ der CDU-Fraktion im Landtag sehr ernst und fast bitter vorwerfen, sie hätte ihre chris tliche Gesinnung als Partei verraten, dann ist das ein anderes Argument mit einer anderen Qualität, als wenn Sie sagen, die CDU betreibe Panikmache, Herr Zuber.

(Beifall der CDU)

Da hätte ich mir auch gewünscht, dass dieser Appell, bei Fragen der Inneren Sicherheit etwas enger zusammenzustehen, auch dort gefruchtet hätte. Dieser Appell betrifft nicht nur das, was wir heute diskutieren, also den operativen Bereich – so nenne ich es jetzt einmal –, sondern dieser Appell betrifft auch die nüchterne Wahrnehmung von Bedrohungen in unserer Gesellschaft. Mein Wunsch heute für die Zukunft ist, dass dieser Appell um Gemeinsamkeiten mit Blick auf die nüchterne Wahrnehmung von Bedrohungen nicht übermorgen

schon wieder vergessen ist, wenn es um andere Fragen der Inneren Sicherheit geht, aber die Schockwirkung vom 11. September nicht mehr so andauert, wie sie heute noch vorhanden ist. Das wäre in dieser heutigen Debatte mein Wunsch.

(Beifall der CDU)

Ich greife nun noch eine zweite Bemerkung auf, die Sie gemacht haben. Sie haben davor gewarnt, dass sich Politiker jetzt sozusagen in einen Wettlauf begeben, tagtäglich neue Vorschläge zu produzieren. Das kann ich nur unterstützen. Ich nehme an, dass Sie dort einen ganz speziellen Politiker im Auge hatten. Mir fällt in diesem Zusammenhang nur der Bundesinnenminister ein.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann gar nicht so schnell Zeitung lesen, wie er neue Vorschläge macht. Eben ist schon zu Recht davon gesprochen worden. Darauf verzichten Sie in Ihrer Regierungserklärung einfach, wie Sie im Grunde in Ihrer Regierungserklärung auf alle heiklen Fragen verzichtet haben. Heute steht in den Zeitungen, dass der Bundesinnenminister vorgeschlagen hat, in Zukunft biometrische Daten zu erfassen. Ich muss zugeben, ich habe mich erst einmal schlau machen müssen, was biometrische Daten sind. Ich hoffe, dass mir das nach intensiver Zeitungslektüre gelungen ist. Für mich stellt sich da schon die Frage der Verhältnismäßigkeit. Sie verschweigen diesen Vorschlag des Bundesinnenministers, von dem ich sicher bin, dass er sich schon übermorgen in einem Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion wiederfindet.

Wenn wir einen Vorschlag wie den der Schleierfahndung machen, dann führen Sie hier regelmäßig ein Indianergeheul auf, wie es schöner nicht sein kann. Da stellt sich schon die Frage der Verhältnismäßigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine deshalb, dieser Appell, differenziert zu argumentieren, ist richtig, aber er gilt für alles und für alle. Er gilt in dem Zusammenhang, dass es nicht „den Islam“ gibt. Er gilt in dem Zusammenhang, dass es nicht „die Muslime“ gibt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, er gilt aber ganz genauso auch dort, wo es um die Analyse der sicherheitspolitischen Schwächen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Rheinland-Pfalz geht. Da gilt dann auch das Gebot eines differenzierten Denkens.

Verehrter Herr Innenminister, wenn das so richtig ist, dann kann man über die Polizei nicht so schönfärberisch reden, wie Sie dies hier seit Jahr und Tag machen. Ich möchte jetzt nicht den Brief der Gewerkschaft der Polizei vorlesen. Ich habe übrigens am allerwenigsten einen Grund, die Gewerkschaft der Polizei in Schutz zu nehmen oder hier als Kronzeuge anzuführen. Nur, das, was in diesem Brief der Gewerkschaft der Polizei steht, kann man nicht so kommentieren, wie Sie es gegenüber der Zeitung getan haben. Man kann es nicht einfach mit den üblichen Floskeln der Gesundbeterei ignorieren. Das geht nicht. Seit Mitte der 90er-Jahre haben wir einen

geradezu dramatischen Personalrückgang bei der rheinland-pfälzischen Polizei.

(Beifall bei der CDU)

Wenn über Innere Sicherheit gesprochen wird, dann muss das ein Thema sein.

Das gilt übrigens dann auch für einen zweiten Punkt, von dem ich ehrlich sagen muss, dass ich es bis heute mit der Wachpolizei nicht ganz begriffen habe. Vielleicht liegt das an meinem begrenzten Auffassungsvermögen. Man kann dagegen sein; das ist Ihr gutes Recht. Vielleicht gibt es dafür auch politische Gründe. Dann sollten Sie sie nennen, wenn es sie gibt. Nur, das Argument, das Sie nennen, kann es wirklich nicht sein.

Wir haben einen Ausbildungsstand der Polizei in Rheinland-Pfalz, der vorbildlich ist. Das ist jetzt meine Feststellung, die sich mit Ihrer deckt, Herr Innenminister. Wenn das aber so stimmt – wenn es der Innenminister so sagt, dann muss es doch stimmen –, dann ist es aber doch unverantwortlich, diese mit einem vorbildlichen Ausbildungsstand ausgestatteten Polizistinnen und Polizisten über Jahre hinweg mit polizeifremden verwaltungsinternen Aufgaben zuzuschütten. Dann kann ich doch nicht genau dieses Argument des hohen Ausbildungsstandes, das über Jahre hinweg systematisch ignoriert wurde, in einem Zusammenhang, in dem es mir gerade passt, wie eine Karte aus dem Ärmel ziehen und damit das Spiel beenden. So geht das nicht.

(Beifall der CDU)

Da gilt auch das Gebot einer differenzierten Betrachtungsweise. Deswegen habe ich bei dieser Regierungserklärung ein bisschen vermisst, das sie sich auf altbekanntem Gelände bewegen. Alles, was in dieser Republik irgendwie kontrovers diskutiert wird, haben sie systematisch ausgeklammert mit Ausnahme dieses Vorschlags der Wachpolizei. Dafür sind Selbstverständlichkeiten breit und als entschlossene Reaktion des Rechtsstaates dargestellt worden.

Beim Verfassungsschutz besetzen sie jetzt gerade die Stellen, die im Stellenplan vorgesehen sind. Die acht bisher nicht besetzten Stellen werden jetzt besetzt. Das ist die entschlossene Reaktion des Rechtsstaates nach Lesart der rheinland-pfälzischen SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das kann wohl nicht sein.

(Beifall der CDU)

Das kann wirklich nicht sein. Aus diesem Grund hätte ich es gern manchmal ein bisschen weniger unverbindlich und ein bisschen konkreter.