Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Der entsprechende Ansatzpunkt, der in dem Antrag zu überlegen gegeben ist, heißt, ob wir nicht bestimmte Politikbereiche in der Tat wieder herunterzonen müssen. Es ist doch nicht so, wenn ich es richtig verstehe, dass sich jemand wünscht, dass die Landwirtschaftspolitik jetzt renationalisiert wird, weil wir uns davon mehr Kompetenzen versprechen.

Es muss jedoch jemand die Frage beantworten, wie wir, wenn wir die Förderkriterien nicht verändern, große Agrarländer wie Polen, Ungarn, Tschechien und andere in diese Gemeinschaft hineinnehmen können, wo wir landwirtschaftliche Betriebe mit einer Durchschnittsgrößenordnung von dreieinhalb bis vier Hektar haben. Die Menschen, die dort leben, können wir nicht einfach in diesen Markt hineindrängen, in dem wir bei uns zwischenzeitlich Kulturbetriebe von 140, 150 Hektar als nicht auskömmlich bezeichnen.

Es muss doch die Frage erlaubt sein, wenn wir diese Umverteilung nicht wollen, die wir übrigens als Deutsche zu einem Löwenanteil bezahlen müssten, wie wir bestimmte Dinge zurücknehmen und wie wir die Verantwortung auf unserer Seite wahrnehmen, wobei es natürlich überall dort, wo es um den freien Markt geht, wiederum offene und auch europäische Maßstäbe geben muss. Darum geht es, und ich glaube, wenn man es so sieht, kann man auch eine solche Formulierung nicht missverstehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über das Thema Kompetenzkatalog miteinander reden, muss es natürlich auch darum gehen, dass wir uns die Frage klar vor Augen führen: Wie ist in Europa eine solche Forderung verträglich? - Sie ist aus meiner Sicht nur verträglich, wenn wir akzeptieren, dass es in föderal organisierten Mitgliedstaaten und in zentralstaatlich organisierten Mitgliedstaaten unterschiedliche Antworten auf der jeweils weiter- und nachgeordneten Ebene gibt.

Wir werden natürlich auseinander halten müssen, dass es keine Akzeptanz in Frankreich geben wird, wenn wir so tun, als wären die französischen Regionen vergleichbar mit den Ländern in Deutschland oder in Österreich oder mit den Regionen in Belgien.

Es gibt grundsätzliche Unterschiede. Ich hatte Sonntag und Montag dieser Woche die Gelegenheit, unter der Leitung des Kollegen Jean-Claude Juncker eine Großregion-Gipfelkonferenz in Luxemburg mitzuerleben. Wer sieht, wie sehr der französische Staat dort in Form und Person der Präfektin in diesem Falle auf seine Kompetenzen achtet, weiß, man muss Unterschiedlichkeiten zulassen, oder wir werden uns gegenseitig lähmen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir das sagen - darin stimme ich mit Ihnen überein -, dann heißt das für unseren Teil, für unseren Strang der föderalen Mitgliedsstaaten, dass wir natürlich mit dem Bund nicht nur darüber reden müssen, wie die Kompetenzverteilung zwischen Europa, dem Bund, den Ländern und den Kommunen aussieht, sondern auch darüber, ob nicht dieser föderale Gedanke insgesamt an Reichtum gewinnen kann, wenn wir einen Teil der so genannten konkurrierenden Gesetzgebung durch klare Zuständigkeitsabgrenzungen verändern.

Das ist zunächst unsere interne Sache, die wir nicht mit einbringen dürfen, sondern die wir intern regeln müssen. Wir müssen uns in Europa nur erstreiten, dass die Regionen mit entsprechender staatlicher Verfasstheit in diesen Entscheidungsprozess eingebunden sind, dass sie dort eine Gewichtigkeit haben.

Im Übrigen gibt es eine solche Arbeit. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat, nachdem die Fragen des Finanzausgleichs und des Solidarpakts gelöst worden sind, einen Auftrag an sich selbst gegeben, eine solche Vorbereitung zu treffen. Bis 2003 wollen wir so weit sein, dass wir Vorschläge unterbreiten können, wie die Verfassung in Deutschland geändert werden kann, um Zuständigkeiten wieder klarer zuzuordnen.

Nur aus rheinland-pfälzischer Sicht warne ich davor, dort allzu forsch vorzugehen. Wir haben in einer Reihe von Punkten deutliche Nachteile gegenüber anderen Ländern, die stärker gefördert worden sind, sodass wir dort die Zeitschiene sehr sorgfältig beachten müssen.

Ich muss zuerst einmal vergleichbare Wettbewerbsbedingungen haben, wenn ich föderalen Wettbewerb als Ziel ausrufe. Wenn ich bayerischer Ministerpräsident wäre, mit den riesigen Förderkulissen, die über Jahre dorthin geflossen sind, weil gerade zu dieser Zeit der Strukturwandel in Gang war und man ihn auch gut genutzt hat, was ich ausdrücklich anerkenne, dann würde ich anders argumentieren.

Wir aber sind in Rheinland-Pfalz, und wir müssen sehen, wie wir mit unseren Bedingungen zurechtkommen, so wie andere Länder mit ihren. Das lässt sich, ohne das Ziel bezüglich der Zeitschiene aus den Augen zu verlieren, glaube ich, durchaus lösen. Diesen Weg müssen wir gehen, wir müssen nur vorsichtig sein.

Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen mit der Bitte, dass wir in diesen Fragen sehr sorgfältig miteinander umgehen. Ich bin sehr dafür, dass wir, wo wir vernünftigerweise einheitliche Standards haben, diese auch vorgeben.

(Dr. Schmitz, FDP: So ist es!)

Hinter den Begriffen „einheitliche Standards“ und „Überwachung des Wettbewerbs“ ist natürlich die große Auseinandersetzung verborgen, die wir mit Herrn Monti und anderen Mitgliedern der Kommission ständig führen.

Wenn wir es so allgemein formulieren, ist es deshalb gefährlich, weil es wie eine „Kompetenz-Kompetenz“ wirkt. Hinter dieser Frage der Vereinheitlichung der Standards können Sie alles und jedes verbergen. Dann

können Sie entscheiden, dass das Reinheitsgebot für deutsches Bier nicht dem gemeinsamen Standard entspricht und nicht aufrecht erhalten werden darf. Da können Sie entscheiden, dass Nudeln in einer bestimmten Weise produziert werden und andere nicht mehr auf den Markt dürfen. Ich warne davor, dass wir zu offen sind, genauso wie wir bei dieser Gelegenheit definieren müssen, welche Wettbewerbsteile überwacht werden müssen. Für mich sollte dies überall dort sein, wo der Binnenmarkt untereinander gestört wird und wo wir letztendlich Nachteile auch gegenüber den Exporten außerhalb der Europäischen Union erleiden könnten. Auch dort müssen wir sorgfältig mit diesem Punkt umgehen, sonst bauen wir uns, wenn auch nicht böswillig, selbst die Falle, in die wir hinein tappen. Ich rate deshalb dazu, dass wir in der Umsetzung ganz sorgfältig und detailliert vorgehen.

Ich glaube, dass es deshalb gut ist, dass der Antrag nicht den Versuch unternimmt, jede Frage im Detail vorzubestimmen. Das könnte ein gefährlicher Weg sein. Wir sollten uns dann auch nicht überheben; denn unsere Kraft als Land Rheinland-Pfalz innerhalb dieser Gemeinschaft ist vorhanden. Wir bemühen uns auch sehr. Ich denke, dass das, was im Ausschuss der Regionen über Rheinland-Pfalz eingebracht wird – Frau Morsblech und Herr Dr. Schiffmann werden das bestätigen können –, durchaus seine Gewichtigkeit hat. Wir haben auf der deutschen Ebene auch unsere Beiträge geleistet, um zur europäischen Entwicklung und zum Vorankommen beizutragen. Im Sommer dieses Jahres haben wir beispielsweise eine große Veranstaltung des Deutschen Bundesrates und Ähnliches mehr gemacht. Wir können schon einiges mitbewegen.

Wenn wir aber meinen, wir könnten hier detailliert Regelungen beschließen, und diese müssten detailliert durchgesetzt werden, dann verordnen wir uns sozus agen selbst Handlungsunfähigkeit; denn da muss man noch sehr weit aufeinander zugehen und ein Stück Flexibilität zeigen. Deshalb ist es mir wichtig, und deshalb bin ich dankbar für den Antrag, dass die Linien klar sind, um die es dem Parlament geht, und dass wir auf der Grundlage dieser Linien, die beschrieben werden, und der Ziele, die auf der Seite 1 beschrieben werden, sodass ich sie nicht zu wiederholen brauche, einen Auftrag als Regierung haben, uns weiterhin zu bemühen. Ich möchte Ihnen gern zusagen, dies zu tun.

Vielen Dank. (Beifall bei SPD und FDP)

Den Fraktionen stehen wegen Überschreitung der Redezeit noch acht Minuten zur Verfügung.

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Schreiner das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich werde die acht Minuten Redezeit nicht ausschöpfen. Herr Mi

nisterpräsident, ich möchte aber noch einmal sagen, wir brauchen keine Nachhilfe in Europapolitik.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD: Oh je!)

Die CDU ist immer noch die Europapartei in Deutschland.

Ich möchte daran erinnern, es war Ministerpräsident Gerhard Schröder, der seinerzeit gegen den Euro gestimmt hat

(Keller, CDU: Hört! Hört! – Staatsminister Gerster: Und Stoiber!)

und der noch heute von einer kränkelnden Währung spricht. Ich muss schon sagen, das ist wirklich eine Interessenvertretung auf europäischer Ebene durch führende Sozialdemokraten.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einen Satz anfügen. Sie stellen dies so dar, wie toll alles ist und dass wir für die Strukturförderung unter die Schwellen gekommen seien. Es war doch nicht nur der Schwellenwert. Es war auch ein ganz wichtiges Thema in Rheinland-Pfalz, dass wir Mittel über das KONVER-Programm erhalten haben und dass es dies nicht mehr gibt. Wenn es Sie interessiert, darf ich in dem Zusammenhang gern an unseren Antrag erinnern, den wir seinerzeit im Plenum eingebracht haben. Die Überschrift lautete in etwa: Gipfel von Berlin, schwierige Situation, trotzdem ist nichts herausgekommen. – Da haben wir deutlich gemacht, was es für Rheinland-Pfalz bedeutet, dass das eigenständige Förderziel „Ländlicher Raum“ und das KONVER-Programm nach der Agenda 2000 nicht mehr als Möglichkeit für die Landkreise da sind.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, allerdings die acht Minuten Redezeit nicht ausschöpfen. Die Rede von dem parteipolitischen Geplänkel ist einfach. Parteipolitisches Geplänkel ist das, was wir hier mit der Besetzung der Abgeordneten dieses Hauses im Ausschuss der Regionen erleben.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Wenn sich eine Oppositionspartei erlaubt, die Politik der Landesregierung zu kritisieren, dann ist das für mich kein parteipolitisches Geplänkel.

Vielen Dank. (Beifall bei der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Da keine Ausschussüberweisung beantragt ist, stimmen wir direkt über den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/392 – ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP bei Stimmenthaltung der CDU angenommen.

Meine Damen und Herren, die Punkte 17 bis 21 werden von der Tagesordnung abgesetzt.

Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung.

Ich lade Sie sehr herzlich zur nächsten Plenarsitzung im Dezember ein.

E n d e d e r S i t z u n g: 18:56 Uhr