Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Herr Bracht, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerster?

Herr Kollege Bracht, könnte es sein,

(Unruhe bei der CDU)

dass Ihre Rede auch eine Missachtung des Parlaments ist, weil Sie überhaupt nicht auf den bisherigen Debattenverlauf eingehen, sondern eine Rede vorlesen, die Sie gestern aufgeschrieben haben?

(Zurufe von der CDU)

Herr Abgeordneter Gerster, ich habe nicht diesen Eindruck.

Meine Damen und Herren, Sie machen 2,2 Milliarden neue Schulden in nur einem Jahr. Das kann Sie ärgern, aber wir sagen das so oft, wie wir wollen.

(Keller, CDU: Das war Ihnen unangenehm!)

Im Jahr 2003 machen Sie 2,1 Milliarden DM neue Schulden. In diesem Jahr überschreiten Sie wahrscheinlich die Verfassungsgrenze im Haushaltsvollzug. Das kann Sie doch alles nicht kalt lassen.

Meine Damen und Herren, wer Sparsamkeit und Kons olidierung nur predigt, aber über Jahre hinweg nach SPDManier spart, also das Geld nur mit einer Hand zum Fenster hinauswirft und dies konsequent praktiziert, darf sich nicht wundern, wenn das so endet.

(Ramsauer, SPD: Das sagen Sie!)

Das werde ich noch öfter sagen.

Meine Damen und Herren, wer in guten Zeiten nicht vorsorgt, steht in der Not wie ein nackter Mann da.

(Beifall der CDU)

Dabei haben Sie selbst bis in die letzten Tage den Bürgern etwas in die Tasche gelogen. Darauf ist heute Morgen mehrfach eingegangen worden, was die Wahlversprechen betrifft, die Nettokreditaufnahme bis 2006 auf Null gebracht zu haben. Ich möchte dies nicht im Wortlaut wiederholen, da es viele Dinge betrifft.

Es wurden die technischen Korrekturen angesprochen, auf die Herr Finanzminister Mittler auf seiner Pressekonferenz hingewiesen hat. Er hat darauf hingewiesen, dass durch die Steuerschätzung nur noch technische Korrekturen zu erwarten sein dürfte, und nun kommen 150 Millionen Euro jedes Jahr dabei heraus. Herr Minister, das ist eine ungeheure Fehleinschätzung, der Sie unterlegen sind. Die Nettokreditaufnahme und die Landesbetriebe, das Stichwort vom Sommer im Haushaltsund Finanzausschuss, wo Minister Mittler auf meine Frage hin geantwortet hat, dass die Vorgabe, die Nettokreditaufnahme bis zum Jahr 2006 auf Null herunterzufahren, natürlich auch für die Haushalte der Landesbetriebe gelte. Wenige Monate später sieht das ganz anders aus. Was kann man vor dem Hintergrund dieser Aussage noch auf das Wort dieser Landesregierung geben?

Unsere Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass in den letzten Wochen nicht weniger als dreimal die prognostizierte Nettokreditaufnahme nach oben korrigiert werden musste.

Meine Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf ist nicht nur in seinem finanzpolitischen Status eine Katastrophe. Er beinhaltet auch keinerlei Zukunftsperspektiven. Er ist kein Beitrag, über den die politische Handlungsfähigkeit erhalten oder – besser gesagt – wiederhergestellt werden könnte. Er trägt den gewaltigen Herausforderungen der Inneren Sicherheit und der immer schwächer werdenden Wirtschaftsstruktur des Landes in keiner Weise Rechnung. Er leitet keine Gegenmaßnahmen ein.

Die Regierung ist weder in der Lage, sich eine richtige Diagnose zu stellen, noch darauf aufbauend die richtigen Therapievorschläge einzuleiten. Dazu fehlt ihr offensichtlich die Kraft.

(Beifall der CDU – Böhr, CDU: Richtig!)

Dafür sind auch Einschnitte notwendig. Es müssen nicht nur investive, sondern auch konsumtive Leistungen gestrichen werden.

(Zurufe von der SPD: Welche denn?)

Das überlassen wir Ihnen. Dafür sind Sie verantwortlich.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Ja, Sie sind gewählt, die Verantwortung zu übernehmen.

(Mertes, SPD: Ja, das ist wie ein Tormann vor dem Elfmeter! Das überlassen wir Ihnen! Wenn wir es machen, wird es kritisiert! Das ist gut!)

Ja, Sie sind gewählt. Wenn wir an der Regierung sind, machen wir die Vorschläge. Jetzt sind Sie gewählt, und nun haben Sie die Vorschläge zu machen und niemand sonst.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD: Ja, so macht man das! – Mertes, SPD: Ja, Herr Opportunist! – Zurufe von der CDU)

So macht man Oppositionsarbeit. Das ist unsere Aufgabe, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Sie haben die Aufgabe, die Vorschläge zu machen. So ist das.

(Zurufe der Abg. Mertes und Ramsauer, SPD)

Das werden Sie nicht mehr lange so weiter machen, Herr Ramsauer.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole, es müssen konsumtive Leistungen gestrichen werden,

(Mertes, SPD: Aber ohne uns! Bitte machen Sie das selbst! – Ramsauer, SPD: So bleiben wir noch lange an der Regierung!)

damit investive, die Struktur fördernde Leistungen wieder ermöglicht werden. Die Mittel müssen auf Bildung und Infrastruktur konzentriert werden,

(Hartloff, SPD: Das ist Theorie und Praxis!)

anstatt jede, möglicherweise selbst verschuldete Notlage eines Einzelnen seitens des Landes lindern zu wollen. Das funktioniert nicht.

Aber wie sollen wir das von Ihnen verlangen, die Sie über Jahre den Landesstraßenbau heruntergefahren haben und lange nicht in der Lage waren, die landesweite strukturpolitische Dimension eines Flughafens ystems Frankfurt/Hahn zu erkennen?

Man kann heute Verständnis dafür haben, dass vor Abschluss einer Vereinbarung über den Verkehrswegeausbau dieses Systems noch keine Haushaltsansätze formuliert werden. Aber kein Verständnis können wir dafür haben, dass Sie sich dafür keinerlei haushaltsmäßigen Spielräume verschaffen.

Sie sagen ständig, wir haben ein Einnahmenproblem. Das wird immer wieder geäußert. Sicherlich haben wir momentan auch ein Einnahmenproblem, meine Damen und Herren. Aber wir hätten kein so großes Einnahmenproblem, wenn wir kein Ausgabenproblem hätten.

(Ramsauer, SPD: Wo?)

So ist das. Ihre Politik orientiert sich ausschließlich an der ersten Aussage. Sie wollen immer nur verteilen. Von Sparen oder Ausgabeveränderungen, von neuen Schwerpunktsetzungen haben Sie noch nie etwas gehört. Das ist die Ursache für die desolate Haushaltslage, in der wir uns derzeit befinden.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte nun noch zu einigen Einzelthemen Stellung nehmen. Mein erstes Stichwort sind die Vorbelastungen. Darauf ist heute noch gar nicht eingegangen worden. Meine Damen und Herren, die wahre Dimension der Verschuldung wird leider über die Nettokreditaufnahme noch nicht voll umfänglich dargestellt. In mehreren Politikbereichen haben Sie in den letzten Jahren zusätzliche, kaum vorstellbare Vorbelastungen aufgehäuft, die unsere Kinder abbezahlen müssen. Ich möchte einige Beispiele nennen:

Der Stand der Restschulden aus Mietkaufmaßnahmen bezüglich Landesstraßen- und Deichbau beläuft sich zurzeit auf rund 670 Millionen DM Vorbelastung, die wir in den nächsten Jahren bezahlen müssen.

Die Restkapitalschuld im Bereich der Krankenhausfinanzierung betrug zum 1. November rund 464 Millionen DM.

(Frau Schmitt, SPD: Haben Sie irgendeiner privat finanzierten Maßnahme nicht zugestimmt, Herr Bracht? Sie haben überall die Hand gehoben!)

Der Stand der ab dem Haushaltsjahr 2002 fällig werdenden Verpflichtungsermächtigungen beträgt derzeit rund 4,47 Milliarden DM.