Herr Braun, ich habe es Ihnen noch nicht gesagt, aber ich sage es Ihnen jetzt: Ich habe, als festgestellt worden ist, dass es in Philippsburg nicht nur einmalige Vorkommnisse gab, dass es wiederkehrende Vorkommnisse waren, dass sie insbesondere bei den Druckwasserreaktoren in mehreren Atomkraftwerken des Betreibers EnBW vorgekommen sind, veranlasst, dass man rückwärts betrachtet überprüft, ob bei einem ähnlichen Ereignis in Mülheim-Kärlich beim Anfahren des Reaktors nach einem Brennelementewechsel zum Beispiel solche Vorkommnisse geschehen sind. Ich kann Ihnen sagen, das hat für uns unheimlich viel Arbeit bedeutet.
Gott sei Dank kann ich Ihnen sagen, dass bei der einzigen Revision 1986, die vergleichbar war mit der Situation nach einem Brennelementewechsel sowohl nach dem Handbuch, dem Schichtbuch, dem Betriebsablaufsprotokoll und dem wasserchemischen Handbuch, welches notwendig ist, alle Zeichen auf grün standen bzw. dass keine Fehler gemacht worden sind.
Das beruhigt mich, denn sonst wäre es unter Umständen an dieser Stelle noch einmal zu einer Debatte mit dem Betreiber, der RWE, gekommen. Aber auch das haben wir jetzt gemacht, im Nachhinein betrachtet, um gegebenenfalls Schlüsse daraus zu ziehen.
Jetzt noch einmal zu Biblis A, Herr Dr. Braun. Wunderbar! Biblis A und Biblis B sind schon gelaufen, als Joschka Fischer noch die Atomaufsicht in Hessen gehabt hat.
Wir können gern über Philippsburg reden – ich werde nachher noch sagen, was wir alles unternommen haben.
Aber es kommt mir manchmal so vor, wenn Sie uns jetzt quasi auffordern – zumindest suggerieren Sie der Bevölkerung, auch wenn Sie es jetzt etwas zurückgenommen haben –, als könnten wir entscheiden, was dort passiert, als hätten Sie offensichtlich mehr Vertrauen zu uns als zu Ihrem eigenen Bundesumweltminister. Das könnte ja sein.
Sie müssten doch, was Biblis betrifft – das ist doch ganz einfach – wissen, dass sowohl der Staatssekretär im Bundesumweltministerium als auch der Abteilungsleiter für die Atomaufsicht im Bundesumweltministerium aus Hessen kommen.
Wenn die nicht wissen, ob Biblis A und Biblis B sicher sind, ob sie am Netz bleiben dürfen, wer soll es dann, verdammt noch mal, denn sonst wissen? Sollen wir das wissen, obwohl wir keine Atomaufsicht haben?
Doch, das mache ich; nicht an jeder Stelle, das sage ich Ihnen auch, aber an dieser Stelle muss ich sagen, nehme ich ihn in Schutz vor seiner eigenen Partei, weil er einen Teil des Atomkonsenses mit vereinbart hat. Ein Teil des Atomkonsenses ist nämlich eine Erklärung des Bundesumweltministeriums gegenüber der RWE zum weiteren Verfahren der Nachrüstung bezogen auf Biblis A.
Ich nenne Ihnen auch gern die Laufzeiten. Im Atomkonsens steht, dass Biblis A bis 2007 und Biblis B bis zum Jahr 2009 – wenn sich nichts mehr ändert – am Netz bleiben können.
Es wird jetzt im Übrigen im Einvernehmen mit der Atomaufsicht ein Nachrüstprogramm für Biblis A erfolgen.
Ich bin gespannt, ob der Bundesumweltminister – ich gehe davon aus, dass der Bundesumweltminister auch damit einverstanden ist bzw. dass das im Einvernehmen mit dem Bundesumweltminister erfolgt –, wenn ihm Erkenntnisse über durchaus mögliche Grobverstöße vorliegen, Weisungen erteilt bzw. Weisungen erteilen kann.
Aber davon unbelastet ist die Frage, ob man jetzt, unabhängig von atomrechtlichen Möglichkeiten, auf dem Verhandlungsweg nicht auch einiges erreichen könnte und erreichen sollte.
Meine Damen und Herren, ich will auch noch etwas über die Unklarheiten sagen, die wir mit Baden-Württemberg zu klären versucht haben. Ungeachtet dessen, dass wir natürlich manchmal auf lückenlose Informationen ange
Wir haben zusätzlich auch fachliche Fragen gestellt, die mittlerweile beantwortet sind. Dabei handelte es sich um Antworten, die unsere Einschätzung der gesamten Situation, die auch in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, bestätigt haben.
Ich war auch nicht einverstanden – um das auch noch einmal zu sagen; Sie wissen dies aus dem Ausschuss – mit der ersten Antwort, die mir der Kollege Müller nach über vier Wochen gegeben hat.
Er äußerte die Meinung, dass mit dem Austausch des technischen Betreibers an zwei Stellen schon die Betreiberzuverlässigkeitsfrage geklärt wäre.
Ich habe ihm erneut geschrieben und deutlich gemacht, dass das nicht alles sein kann; denn das, was bei den Problemen in den Reaktoren festgestellt worden ist, war, dass über 17 Jahre, mit einer Ausnahme, immer wiederkehrende Probleme entstanden sind und Themen immer entgegen den Betriebshandbüchern angegangen worden sind. Dies kann einfach nicht sein. Das ist eigentlich ein Skandal an sich. (Beifall der SPD – Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Richtig!)
Diese Frage hätte nämlich bedeutet, dass ich mehr über das erfahre, was jetzt an Sicherheitskultur implementiert worden ist und was gegen diesen Verschleiß an Sicherheitskultur durch Routine unternommen worden ist.
Die gesamte AKW-Debatte seit 30 Jahren hat ja immer die Frage gestellt, wie sicher die Technik im Verhältnis zum Menschen, der den größten Risikofaktor darstellt, ist. (Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Genau!)
Deshalb muss alle Sicherheitsphilosophie auch an dem „human factor“, also an dem menschlichen Faktor ansetzen, und auch darüber hätte ich einige Erklärungen und Erläuterungen erwartet.
Ich muss sagen, die vorliegende Situation ist unbefriedigend, weil ich diese Informationen nicht habe. Sie können jetzt vielleicht den Schlussstrich ziehen, ich kann es nicht. Ich erwarte eine Antwort auf meine zweite Intervention und auch eine zeitnahe Auskunft zu den Entscheidungen, die jetzt anstehen.
Warum? Ich weiß, dass ein Maßnahmenbündel verordnet worden ist, aber ich kenne nicht die Details. Ich weiß auch nicht, welche abschließenden Erkenntnisse der Bundesumweltminister und die Atomaufsichtsbehörde in Baden-Württemberg jetzt gewonnen haben, um zuzulassen, dass der Reaktor wieder angefahren wird. Beide Parteien sitzen heute in Berlin zusammen und werden das veranlassen können.
Wir erwarten eine Auskunft über diese Erkenntnisse – auch im Sinn der Transparenz, die immer wieder von Herrn Müller wie von Herrn Goll beschworen worden ist,
auch im Sinn gut nachbarschaftlicher Beziehungen, auch im Sinn der Wiedergewinnung des Vertrauens, das total zerstört worden ist, was die Sicherheit von Atomreaktoren betrifft. Ich erwarte, dass dieses Vertrauen wiederhergestellt wird, vor allen Dingen zeitnah, meine Damen und Herren.
Ich kann Ihnen das heute nicht erklären, vielleicht können Sie aber schon heute alle Schlüsse daraus ziehen. Ich kann es noch nicht; denn ich bin gewohnt, an dieser Stelle redlich zu arbeiten.
Ich habe so viel Vertrauen – das ist vielleicht der Unterschied zu Ihnen –, dass ich Herrn Trittin als Letztem eine Kungelei mit EnBW unterstellen würde.
Ich habe so weit Vertrauen, dass heute die Frage geklärt wird oder eben auch nicht, ob man Philippsburg anfahren kann. Es gibt vielleicht noch weitere Auflagen.
Nur eines müssen Sie noch zur Rechtslage wissen. Da Philippsburg freiwillig vom Netz genommen worden ist, auf welchen Druck auch immer, das wissen wir beide sehr wohl, bedeutet es, dass sie keine Extragenehm igung zum Wiederanfahren brauchen. Sie können anfahren, wobei diese Aktion zwar durch atomrechtlichen Bescheid untersagt werden kann, dieser dann jedoch beklagt werden kann.
In dieser Zwickmühle sitzen alle, die heute – natürlich auch in Berlin und Baden-Württemberg – zu entscheiden haben. Trotzdem erwarte ich, dass all diese Fragen zur Sicherheitskultur, die wir auch diskutiert haben, und auch die Gutachten vom TÜV Rheinland/BerlinBrandenburg, die noch einmal in Auftrag gegeben worden sind, angesprochen werden und eine Transparenz jetzt auch in der Öffentlichkeit darüber hergestellt wird, welche Maßnahmen ergriffen worden sind. Das sind Aussagen, die mir zurzeit noch fehlen.
Dann können auch wir mit einiger Sicherheit und Zuverlässigkeit davon ausgehen, dass dieser Reaktor an der Grenze zu verantworten ist. Wenn das nicht der Fall ist, dann werde ich die Letzte sein, die nicht noch einmal die Frage stellt, wie es mit der Betreiberzuverlässigkeit aussieht.
Ich habe gehört, in der EnBW ist man aufgrund unserer Fragestellung einigermaßen nervös geworden. Wir waren nicht die Einzigen, die es gestört hat.
Ich empfinde es im Nachhinein als Bestätigung meiner Position, dass der baden-württembergische Wirtschaftsminister, der für die Genehmigung der Anlage zuständig war, genau diese Überprüfung vorgenommen hat.
Meine Damen und Herren, so schlecht können wir mit unserer Interpretation der Sicherheitslage nicht gewesen sein, und wir haben offensichtlich den Finger genau in die Wunde gelegt.
Zu einer Sicherheitsdebatte in der heutigen Zeit gehört natürlich auch die Frage, wie es mit dem Schutz vor terroristischen Aktivitäten aussieht. Auch darüber habe ich Sie unterrichtet, und mittlerweile hat Herr Trittin auch geantwortet.
Ich habe es begrüßt – wir sind hier auf einer Linie –, dass er eine Sicherheitsüberprüfung aller Reaktoren angeordnet hat, vor allen Dingen im Hinblick darauf, wie sicher sie bei terroristischen Angriffen und vor allem bei Abstürzen von großen Verkehrsflugzeugen sind.
Es liegt ein Auftrag an die entsprechenden Kommissionen und Gutachter vor, entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen, weil es nicht nur um die Frage des Containments geht, also die äußere Hülle, sondern auch um die Frage, wie es insgesamt mit der Entwicklung in einem Reaktor bei einem Terrorakt aussieht.
Was ist sonst noch gefährdet: Die Notleitstellen, die Kühlleitungen, die möglicherweise brechen können, usw.? Genauso wichtig ist die Frage nach einem Kerosinbrand.
Wir haben mit Herrn Trittin vereinbart, dass ein Szenario durchgespielt werden soll und wir uns verständigen, und zwar rechtzeitig.