Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Diese Haushaltsberatungen waren nach meiner Erinnerung die längsten, die wir jemals hatten. Ob man drei Tage nach Abschluss der Haushaltsberatungen solche Vorschläge machen muss, lasse ich einmal dahingestellt. So lange haben wir noch nie beraten. Es können einem aber noch sehr spät gute Ideen kommen. Das ist keine Frage.

Ich glaube allerdings eher, dass Sie, als die Diskussion über den Stabilitätspakt bundesweit aufgekommen ist, gedacht haben: Das ist eine Chance. Auf den Zug springen wir auf. – Das ist meines Erachtens ein größerer Motor gewesen als wirkliche Vorschläge.

Ich habe mir einmal zusammenstellen lassen, was Sie entgegen der Ausgabenschwerpunkte, die Sie genannt haben und die ich respektiere – – – Das kann man so sehen. Es ist Ihr gutes Recht, eigene Ausgabenschwerpunkte zu formulieren. Dort nicht einbezogen sind allein in diesem Jahr – von Januar bis Anfang März – Forderungen, die sich, wenn man ganz vorsichtig rechnet, auf 87,8 Millionen Euro bzw., wenn man ein bisschen reichlicher rechnet, auf 106,9 Millionen Euro belaufen. Das haben Sie in diesem Jahr gefordert, in Ihrem Stabilitätspakt aber mit keinem Wort erwähnt.

Kann man das zusammenbringen? Geht das wirklich auf eine Reihe? Ist das ernst zu nehmen? Muss das für uns ein Ansatz sein, die Haushaltsberatungen neu zu beginnen, wenn man solch große Brocken, die man selbst fordert, daneben stehen lässt und einfach nicht darüber redet?

(Beifall bei SPD und FDP)

Dann würde ich Ihren Mitarbeitern, die gerechnet haben, raten, zu schauen, ob nicht manche Vorschläge, die ich gern als gutwillig einstufen will, sehr abenteuerlich sind. Sie haben beispielsweise vorgeschlagen, die Personal

kosten bei den Ministerien zu reduzieren. Diese Vorschläge bedeuten, dass wir, wenn wir das Ziel im Jahr 2002 noch erreichen wollten, rückwirkend zum 1. Januar 2002 250 Leute entlassen müssten.

(Böhr, CDU: Für wie blöd halten Sie uns eigentlich?)

Ich halte Sie gar nicht für blöd. Das ist ein einfaches Rechenexempel. Genau das haben Sie vorgeschlagen.

(Zuruf des Abg. Böhr, CDU)

Ich habe sie gelesen und rechnen lassen. Genau das ist Ihr Vorschlag.

(Böhr, CDU: Nein, Sie haben sie nie gelesen!)

Entschuldigung, wenn ich Sie dabei ertappe, können Sie nicht behaupten, wir hätten es nicht gelesen. Das ist exakt so. Genau das haben Sie vorgeschlagen.

(Beifall der SPD und der FDP – Böhr, CDU: Das ist so billig!)

Herr Kollege Böhr, ich versuche nur, mit Realitäten zu argumentieren.

(Böhr, CDU: Das ist billig, nicht die Realität!)

Darüber hinaus behaupten Sie als Grundlage der Analyse, weshalb abgebaut werden soll, dass sich das Pers onal in den vergangenen Jahren vermehrt habe. Das stimmt auch nicht. Obwohl wir unter dem Strich fast 3.000 Lehrer zusätzlich einges tellt haben, liegen wir unter dem Strich unter dem Stand – – –

(Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Herr Jullien, regen Sie sich doch nicht auf. Sie können nachher alles sagen, was Ihnen einfällt. Sie haben aber schon aufgeschrieben, was Sie sagen wollen. Deshalb wird es schwierig werden.

(Beifall bei SPD und FDP – Böhr, CDU: Er trifft aber den Punkt!)

Sie haben vorgeschlagen, dass im Bereich der Ministerien diese Einsparungen vorgenommen werden sollen, die diesen 250 Stellen entsprechen. Ihnen müsste, wenn im Jahr 2002 das Ziel erreicht werden sollte, rückwirkend zum 1. Januar schon gekündigt sein. Das ist die Wahrheit. Darüber können Sie nicht hinwegreden. Das ist so, oder Ihre Rechnung geht nicht auf.

(Jullien, CDU: Da waren keine Lehrer und Polizisten dabei gewesen!)

Wenn man sich als Opposition auf konkrete Vorschläge einlässt, muss man gewähren, dass andere nachrechnen und feststellen, ob es stimmt oder nicht stimmt.

Insoweit kann ich das, was Sie vorgeschlagen haben, nicht als konkretes Angebot nutzen, weil es den Fakten

nicht standhält. Ich sage Ihnen aber gern zu, dass wir uns mit den Anregungen, die in Ihren Vorschlägen stecken, natürlich befassen werden.

Ich bin beispielsweise froh darüber, dass der Vorwurf, der noch in der ersten Beratung eine Rolle gespielt hat, wir hätten eine zu große Globale Minderausgabe eingestellt, deshalb nicht mehr aufrechterhalten werden kann, weil Sie einen Teil Ihrer Vorschläge mit einer eigenen oben drauf gesetzten noch höheren Globalen Minderausgabe gedeckt haben. Ich bin froh, dass wir uns darin einig sind und das offensichtlich ein Instrument ist, das auch Sie jetzt akzeptieren.

Insgesamt gibt es sicher Anregungen, die Sie gegeben haben. Damit werden wir uns im Haushaltsvollzug und in der Zukunft ehrlich auseinander setzen.

Verehrte Frau Fraktionsvorsitzende Thomas, ich hätte mir gewünscht, dass Sie uns in dem, was Sie gesagt haben, Aufklärung hätten zuteil werden lassen, wie Ihre im Internet nachzulesende Forderung, dass Kindergärten beitragsfrei werden, umgesetzt werden kann. Sie haben entsprechend argumentiert und einen Entschließungsantrag dazu vorgelegt. Sie wissen, welche Finanzvolumina Sie damit ansprechen. Es geht in Rheinland-Pfalz um exakt 95,8 Millionen Euro. Ich wäre dankbar, wenn man nicht nur einfach einen Entschließungsantrag dazu vorlegt und darüber beschließt. Das sind präterpropter nach früherer Rechnung über 200 Millionen DM. Die Landesregierung soll dann zusehen, wie sie die 200 Millionen DM zusammenbekommt. Dann kritisieren Sie uns noch, wir seien unseriös.

(Beifall der SPD und der FDP)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass man die Frage der Qualitätsstandards sehen muss, wenn man sich über die prinzipielle Frage der Elternbeiträge unterhält. Für uns waren die Qualitätsstandards immer von entscheidender Bedeutung. Wenn aufgrund der Ergebnisse der PISAStudie gefordert wird, den pädagogischen Anteil zu stärken, kann nicht der Standardanteil zurückgeschraubt werden. Diese Forderung unterstelle ich Ihnen zwar nicht, aber von anderer Seite kommt diese Forderung hinzu.

Meine Damen und Herren, diese 95,8 Millionen Euro – dazu haben Sie, wenn ich es richtig im Kopf habe, in Ihrem Entschließungsantrag auch nichts gesagt – gingen zulasten der Kommunen.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann hätten Sie beantragen müssen, dass Landesmittel im Finanzausgleich für diese Aufgabe bereitgestellt werden. In der Form, wie Sie es gefordert haben, handelt es sich rein um kommunale Sachmittel.

(Beifall bei SPD und FDP – Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist keine Lüge. Davor verwahre ich mich. Das ist keine Lüge, sondern das ist die Wahrheit. Wenn Sie

Kürzungen vornehmen wollen und nicht sagen, dass Sie originäre Landesmittel dafür einsetzen wollen, und nicht entsprechende Vorschläge unterbreiten, dann handelt es sich um kommunale Mittel. Das ist doch keine Lüge. Das entspricht der Gesetzeslage.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen genauso, dass damit ein großes Problem verbunden ist. Wir haben damals gegen unser Votum erlebt, dass noch von der früheren Bundesregierung wohlmeinend ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab dem dritten Geburtstag eingeführt wurde. Das bedeutet, dass wir, wenn wir keine Kindergartenbeiträge mehr erheben würden, damit rechnen müssten, dass in massiver Form Kinder nach dem Motto angemeldet würden: Es kostet nichts. – Die Kommunen müssten die Plätze dann zur Verfügung halten. Es werden Geisterplätze in nicht mehr bemessbarer Dimension.

Insoweit reden wir nicht über 200 Millionen DM oder 95,8 Millionen Euro, sondern über einen Betrag, der über diese Forderung weit hinausgeht. So viel zur Seriosität der Forderungen, die Sie stellen. So einfach können wir es uns nicht machen. Deshalb müssen Sie uns schon einräumen, dass wir dagegen argumentieren.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Rahmen dieser Haushaltsberatungen wird natürlich auch die kommunale Frage zu Recht wieder eine Rolle spielen. Es ist gar keine Frage, dass wir innerhalb dieses Haushalts eine erhebliche Anstrengung zu unternehmen haben werden, wir uns auf Landesebene – ich hoffe, die Enquete-Kommission, die sich mit den Fragen der kommunalen Aufgaben und Beziehungen zueinander befassen wird, wird bald ihre Arbeit aufnehmen können – mit unseren Hausaufgaben in diesem Zusammenhang auseinander setzen müssen.

Es ist für mich auch keine Frage, dass wir in der kommenden Legislaturperiode des Bundestags über eine kommunale Finanzreform werden reden müssen. Dabei fällt zwar kein Geld vom Himmel, aber wir werden über die Verteilung miteinander reden müssen. Wir werden auch über eine Verstetigung der Einkünfte der Kommunen reden müssen, weil wir erleben, dass die Gewerbesteuer eine immer weniger berechenbare Einkommensquelle für die Kommunen ist. Das muss natürlich passieren.

Dennoch glaube ich, dass wir bei aller Anstrengung und bei aller Belastung für die kommunalen Haushalte, die ich überhaupt nicht bestreite und die aufgrund des Ausbalancierens und der Notwendigkeit, Ihnen einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen, entstanden sind, in diesem Land Rheinland-Pfalz darauf verweisen dürfen, dass wir zum einen hinsichtlich des Kommunalisierungsgrads, also der Zahl der Aufgaben, die vom Land an die Kommunen überwiesen worden sind, deutlich unter den meisten anderen Ländern und wir zum anderen dennoch an drittgünstigster Stelle in Bezug auf die Zuweisungen des Landes an die Kommunen pro Kopf

der Einwohner liegen. Wir liegen bei 6.901,35 DM, während der Bundesdurchschnitt bei 6.757,78 DM liegt.

Ich bin der Meinung, dass wir uns bei aller Notwendigkeit, über Reformen zu reden, die Diskussion miteinander führen, um den Kommunen auf diese Art und Weise verantwortlich zu helfen und uns in einem verantwortlichen Maß gemeinsam an der Herausforderung, einen verfassungsgemäßen Haushalt vor dem Hintergrund der obwaltenden Umstände vorzulegen, orientiert haben.

(Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte zu diesen Orientierungen aus der Sicht der Landesregierung einige Anmerkungen machen. Hinsichtlich vieler anderer Sachpunkte beziehe ich mich auf das, was Herr Kollege Mertes und Herr Kollege Kuhn gesagt haben. Dies will ich ausdrücklich nicht wiederholen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt aber dabei, dass dieses Land Rheinland-Pfalz, das in seiner jetzt 55-jährigen Geschichte viele Anstrengungen unternehmen musste, um auf den Stand zu kommen, auf dem es sich jetzt befindet, Menschen in seinen Reihen weiß, die diese Anstrengungen erbracht haben und auch heute bereit sind, Anstrengungen zu erbringen.

Es bleibt dabei, dass wir in unserer gemeinsamen Verantwortung bei aller Unterschiedlichkeit der Verantwortlichkeiten von Regierung und Opposition eines nicht tun sollten, nämlich die Zeichen der Hoffnung, die Zeichen, auf die man aufbauen kann, falsch zu bewerten oder kaputtzureden, weil wir dann nämlich ein Stück Ansporn wegnehmen würden. Wir brauchen Ansporn, wir brauchen Unterstützung, wir brauchen die kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen und künftigen Situation, aber wir brauchen auch die Anerkennung dessen, was die Menschen und was wir gemeinsam in diesem Land Rheinland-Pfalz bisher geleistet haben.

Es wird meiner Meinung nach nicht einfacher in der Zukunft, aber es steht auch nirgendwo, dass es einfacher sein soll. Gemessen an der Generation, die vor 55 Jahren angefangen hat, dieses Land aufzubauen, haben wir es bei allen Schwierigkeiten ungleich leichter. Deshalb haben wir überhaupt kein Recht zu resignieren, sondern wir haben unsere Aufgabe zu erfüllen.

Dieser Haushalt soll ein Beitrag dazu sein.