Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Ausführungen der beiden Oppositionsparteien aufmerksam folgt, dann hat man das Gefühl, die Fachsprecher beschäftigen sich mehr mit dem Lesen von Gerster-Interviews als mit der Vorbereitung ihrer fachlichen Inhalte. Verehrte Kollegin Thelen, verehrter Kollege Marz, bei der Masse der Interviews zurzeit wundert das zwar nicht. an Ihren eigentlichen Aufgaben geht das doch etwas vorbei.
Herr Marz, eine Sache, wenn ich damit anfangan darf, kann ich nur nachdrücklich unterstützen. Wir haben in der Tat eine grundsätzliche Auseinandersetzung in der Sozialpolitik zwischen „weiter so“, „sehenden Auges in die Katastrophe“ oder „Reform der Sozialsysteme“ – auch wenn es manchen „Gutmenschen“ schwer angeht –, um diese Systeme, die uns allen wichtig sind, zu retten. Wenn Sie dann, um nur ein Beispiel herauszugreifen, Ihren formidablen Antrag zum Thema „Altersarbeitsteilhabe“ präsentieren und wieder einmal ein Beispiel dafür zeigen, dass Sie diesen komplexen Bereich nicht insgesamt erfassen, sondern einen Teil herausziehen, das Ganze mit einer unsäglichen Äußerung garnieren, dass es merkwürdiges Arbeitnehmerverhalten ist, was dazu führt, dass ältere Arbeitnehmer gegebenenfalls ihren – – –
Herr Marz, wenn Sie behaupten, es sei im Wesentlichen merkwürdiges Arbeitgeberverhalten, was dazu führt, dass viele ältere Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze verlie
ren, dann muss ich sagen, Sie zeigen, dass Sie von diesen Dingen, von unternehmerischen Entscheidungen so viel Ahnung haben wie ein Schwein vom Heu fressen.
Wenn diese Arbeitgeber Arbeitnehmer, die vielfach verdiente Mitarbeiter sind, entlassen, dann tun sie das bitterer Not gehorchend und nicht, weil sie der Meinung sind, sie müssten Manchester-Methoden anwenden.
Herr Marz, im Gegensatz zu Unternehmern, ja. Sie müssen sich aber auch so etwas anhören, wie Sie es eben vorgetragen haben.
Wenn wir schon beim Austeilen sind: Frau Thelen, wenn wir noch einmal diese Problematik „Sozialsystem reformieren oder nicht reformieren“ vor Augen halten, dann steht das, was Sie beigetragen haben, für die perfekte Gratwanderung, für das Pelzwaschen, ohne nass zu werden. Wenn Sie zum hundertzweiundzwanzigtausendsten Mal der staunenden rheinland-pfälzischen Öffentlichkeit kundtun, wie sehr es Sie stört, dass grenznah wohnende Rheinland-Pfälzer Arbeitsplätze finden, sei es in Köln oder Frankfurt, dann habe ich das schon beim ersten Mal nicht und diesmal auch nicht verstanden. Wenn Sie deutlich machen, dass Rheinland-Pfalz ein hohes Maß an Bevölkerungszuzug hat und daraus
den Schluss herleiten, die günstigen Arbeitsmarktdaten seien in irgendeiner Form nicht so günstig, dann ist das eine krude Logik, die sich mir nicht erschließt. Vielleicht können Sie das nachher noch einmal aufklären.
In die gleiche Richtung geht Ihre eigentümliche Art, mit einem Ergebnis des Landes Rheinland-Pfalz umzugehen, auf das wir in Hambacher Patriotismus alle gemeinsam stolz sein sollten, dass ein Land, das lang Schlusslicht der alten Bundesländer war, jetzt in der Arbeitsmarktstatistik auf Platz 3 oder aktuell auf Platz 4 steht. Das sollte uns über alle Parteigrenzen hinaus stolz machen. Dass Sie das schlechtreden, ist für mich unerträglich.
(Beifall bei FDP und SPD – Zurufe des Abg. Bracht, CDU, des Abg. Mertes, SPD, und des Abg. Kramer, CDU)
Die FDP-Fraktion und ich in Person müssen festhalten, dass der Sozialhaushalt, der Einzelplan 06, eine hervorragende Schwerpunktbildung betreibt, für die ich die Landesregierung nur loben kann und für die ich der Landesregierung im Sinn der vielen Menschen, die Sie aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen pauschal herauskicken wollen, Frau Thelen, dankbar bin. Dieser Einzelplan dokumentiert Schwerpunkte, die nach unserer Ansicht – – –
Herr Rosenbauer, bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir noch eine zweite Runde haben. In der Annahme, dass Herr Rosenbauer selbst gleich noch hier vorn stehen wird, sollten wir das vielleicht zurückstellen.
Meine Damen und Herren, die FDP sieht insbesondere drei Schwerpunkte in der Sozialpolitik für die Zukunft von Rheinland-Pfalz als wesentlich an. Dem Beispiel meiner Vorredner folgend werde auch ich im ersten Redebeitrag nicht auf alle Bereiche eingehen. Ich erlaube mir, mich im ersten Teil auf den umfassenden Abbau der Massenarbeitslosigkeit zu konzentrieren, weil das vorhin schon Thema war.
Für die FDP ist der Abbau der Massenarbeitslosigkeit ein so zentrales Thema, dass er im Mittelpunkt aller Bemühungen des Handelns unserer Fraktion in den
nächsten Jahren steht. Das sind Bereiche, die weit über das Sozialpolitische hinausgehen. Dazu gehören auch die Bereiche Bildung und Wirtschaftspolitik, die eine große Rolle spielen.
Wenn im vorigen Jahr 135.000 Rheinland-Pfälzer ohne Arbeit waren, dann waren das 135.000 zu viel. Ich hoffe, dass wir uns wenigstens in dieser Frage alle einig sind.
Selbstverständlich hängt das an der Regierung und insbesondere an dem Herrn Ministerpräsidenten, der sich vor lauter Scham schon verdrückt hat, und zwar aus Angst vor Ihren schneidigen Bemerkungen, Herr Kramer.
Meine Damen und Herren, wenn es im Jahr 2001 – in einem Jahr, das überall sehr schwierig war – gelungen ist, diese unangenehmen Zahlen, die uns alle, die aus tiefem inneren Antrieb heraus Politik betreiben, belasten, auf ein besseres Niveau zu heben als im Jahr 2000, dann müssen wir dankbar sein. Wenn wir im Jahr 2002 etwas schlechtere Zahlen haben – den 4. Platz im Bundesvergleich haben wir immer noch –, dann muss uns das traurig und nachdenklich stimmen. Dann müssen wir in der Tat in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Wir müssen zusätzlich drauflegen.
Frau Thelen, wenn Sie gesagt hätten, dass wir mehr tun müssten, dann könnte ich das verstehen. Wenn Sie aber sagen, dass wir unsere Anstrengungen unter dieser Maßgabe abschwächen müssten, dann ist das für mich nicht nachvollziehbar.
Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind in der Tat neben den sozialpolitischen Rahmenbedingungen die zentrale Stellschraube für die Höhe der Arbeitslosigkeit, aber nicht das Ein- und Auspendeln.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, dem liberal geführten Wirtschaftsministerium ein ganz großes Kompliment zu machen. Auch das stand schon im Zentrum Ihrer Kritik im Lauf des heutigen Tages. Wenn es irgendwo etwas zu tun gilt, dann in diesen Bereichen.
Frau Thelen, ich bin nicht zu blauäugig, um Ihnen in einem kleinen Bereich Recht zu geben: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen müssen überprüft werden. Nicht jede gute Idee, die mit Begeisterung angestoßen wird, ist letztlich im Ergebnis perfekt. Frau Thelen und liebe CDU-Fraktion, ich bin nicht der Meinung, dass Sie Herrn Minister Gerster in seiner Art und Weise, wie er Politik macht, so einschätzen, dass er aus Angst vor müden Zahlen kneift. Er wäre sicherlich der Erste, der sagen würde: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut.
Für uns sind bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik Beratung, Vermittlung, Fortbildung, Umschulung, Qualifizierung und Arbeitsmarktbeschaffungsprogramme wesentlich. Dabei gilt selbstverständlich, dass man noch stärker als bisher den Schulterschluss mit den Arbeitgebern und den Bedürfnissen der Wirtschaft suchen muss. Das ist doch gerade das, was in den vergangenen Jahren rheinland-pfälzische Arbeitsmarktpolitik ausgezeichnet hat.