Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Aber ich denke, wir haben etwas erreicht, das sich auszahlen wird: Wir haben die Strukturen im Krankenhauswesen zukunftsfest gemacht. Ich bin an dieser Stelle ganz sicher, mehr Wettbewerb im Krankenhaus wird fast ohne Ausnahme die Krankenhäuser, die in RheinlandPfalz heute schon bedarfsgerecht strukturiert sind – das sind fast alle –, nicht schwächen, sondern stärken.

Wir werden möglicherweise an der einen oder anderen Stelle noch etwas zurückbauen. Die Krankenhäuser werden es selbstständig tun wollen, weil sie nicht mehr durch eine Planung gezwungen werden, sondern vergleichen können: Was kostet bei uns in der realen betriebswirtschaftlichen Rechnung eine Operation, die möglicherweise in einem anderen Krankenhaus günstiger angeboten wird? Geben wir vielleicht sogar die eine oder andere Spezialität ab, weil wir sie nicht mehr so gut abbilden können, und konzentrieren uns auf etwas anderes?

Dieser Wettbewerb wird eine leistungsfähige Struktur stärken. Er wird sicherlich das Angebot etwas zurückführen, aber dies wird kein Nachteil im internationalen Vergleich sein.

Wichtig war uns, Gesundheitspolitik den Menschen nahe zu bringen und nicht nur über Institutionen wie die großen Krankenhäuser zu sprechen, die, wenn wir ehrlich sind, jedem gemischte Gefühle verschaffen.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemischte?)

Ich sage ganz offen, bei jedem Krankenhaus, das ich besuche, bin ich froh, wenn ich wieder draußen bin und mir sagen kann, dass ich zwar als Patient gut behandelt würde – da bin ich mir bei fast allen Krankenhäusern sehr sicher; oder bei allen, sonst fragen Sie mich: Bei welchem nicht? –, aber natürlich ist jeder froh, wenn er nicht als Patient dort eingewiesen wird.

Wichtig ist, dass das Gesundheitswesen eben nicht nur mit Unannehmlichkeiten, also der Reparatur eines schädlichen Zustandes, verbunden ist, den man nicht möchte, sondern Gesundheit auch etwas ist, das man durch eine vernünftige Lebensweise, durch Prävention, durch Vorbeugung und auch durch freudvolles Leben selbst gestalten und erhalten kann.

Dazu gehören – – –

(Ministerpräsident Beck: Plenarsitzungen!)

dazu gehören Plenarsitzungen, manchmal, nicht immer. (Heiterkeit im Hause)

Dazu gehört aber zum Beispiel das Glas Rotwein, das wir gestern Abend getrunken haben oder das wir heute

Abend noch einmal trinken werden. Wenn es nicht vier oder fünf Gläser werden, sondern vielleicht bei zwei oder drei bleibt, ist dies auch gesundheitsfördernd.

(Jullien, CDU: War das jetzt wieder eine Einladung?)

Meine Damen und Herren, damit möchte ich sagen, Gesundheitspolitik hat auch etwas mit Selbsthilfe, mit regionaler Verankerung, mit Aufklärung, mit Schule und mit der frühen Beeinflussung junger Menschen zu tun. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in einem nicht unwichtigen Bereich bewiesen haben, was man tun kann, indem man Kinder sehr früh erreicht. Ich spreche von der Schulzahnpflege. Karies gibt es im Grund genommen nicht mehr. Wenn ich in die Reihen schaue und mir meine Jahrgänge anschaue, können wir nur davon träumen, welche Gebisse junge Menschen heute haben. Das liegt nicht nur an der Kieferorthopädie, sondern auch an solchen Dingen. In diesem Bereich haben wir einen Zugewinn an Lebensqualität erreicht.

(Hartloff, SPD: Mehr Biss! – Unruhe im Hause)

Meine Damen und Herren, zu den Gesundheitsämtern möchte ich nur so viel sagen: Vorhin wurde von einer Anhörung berichtet, wobei die Landräte und die Leiter der Gesundheitsämter zitiert wurden.

Ich darf das konkretisieren, es geht um zwei Männer, die ich übrigens sehr schätze. Es geht um Landrat Dr. Groß und um Herrn Dr. Michels. Diese beiden repräsentieren ein Gesundheitsamt mit einem Etat von 5,5 Millionen DM, das gute Dinge macht, aber besonders aufwändig. Andere Gesundheitsamtsdirektoren und Landräte haben mir im Lauf des letzten Jahres gesagt – ich könnte sie an einer Hand aufzählen, es waren mindestens fünf –: Mein lieber Herr Gesundheitsminister, du hast mir oder Sie haben mir – je nachdem, wie nah man sich ist – eine tolle Sparkasse mit dem Gesundheitsamt beschert. Ich habe sofort die Verwaltung in meine Verwaltung integriert und habe fünf Plätze innerhalb von Wochen eingespart. – Dann habe ich ehrlich gesagt auch keine Widerstandskraft mehr, gegen den geschätzten Kollegen Mittler oder gegen Staatssekretär Dr. Deubel zu sagen: Um Himmels willen, da dürft ihr keinen Pfennig oder keinen Cent streichen. – Meine Damen und Herren, nein, da gab es Luft. Diese musste beschnitten werden, damit keine Überausstattung die Folge ist.

(Beifall bei SPD und FDP – Abg. Schmitt, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Schmitt, gestatten Sie mir, dass ich meine Rede fortsetze, da ich insgesamt nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen möchte.

Ich komme nun zum Thema Familie. Lassen Sie mich zu Beginn dieses Themas und zu den wenigen Ausführungen, die ich dazu machen möchte, sagen, das ist nicht in erster Linie Sache des Sozialministeriums. Der größte Schritt der Familienpolitik ist das gemeinsame Projekt der Landesregierung, Ganztagsversorgungsangebote zu

schaffen, damit Frauen frei wählen können, wie sie ihr Leben verbringen möchten.

(Beifall bei SPD und FDP)

Herr Ministerpräsident, ich erwähne an dieser Stelle auch, ich war fasziniert, als dieses Projekt von Ihnen zum Thema gemacht wurde. Das muss ich jetzt auch einmal so sagen. Ich habe es übrigens noch nie gesagt. Als Sie dies zu Beginn des vergangenen Jahres zum Thema gemacht habe, haben alle gern mitgemacht, aber es war ein großes Projekt, ein Megathema der Landespolitik. Wir waren die Ersten. Andere orientieren sich zu Recht an uns.

Das, was das Sozialministerium dazu beitragen kann, wird es machen. Das Bildungsministerium muss natürlich das größte Rad drehen. Ich bin aber ganz sicher, dies ist auch für den Arbeitsmarkt ein Megathema. Wir müssen es schaffen, Frauen die Sicherheit zu geben, dass sie auch beispielsweise als Alleinerziehende nicht gezwungen sind, wenn sie eine gute Mutter sein wollen, zu Hause zu bleiben. Vielmehr wissen sie, dass sie zumindest für einen Teilzeitjob ihr Kind in einer guten Betreuung vor oder während der Schule wissen, um dann auch ihre Arbeitskraft im Arbeitsleben zur Verfügung zu stellen. Wir haben so gut ausgebildete junge Frauen wie keine Generation vor uns. Wir können es uns nicht leisten, sie zu Hause sitzen zu lassen.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen letzten Akzent inhaltlicher bzw. fachlicher Art nennen, der mir sehr wichtig ist. Ich meine das Thema „Armutsbekämpfung“. Wir haben im Haushalt unverändert einen Betrag von etwa 1,4 Millionen Euro zur Bekämpfung von Armut und zugunsten von sozialen Brennpunkten eingestellt. Nun kann man sagen: Was sind 1,4 Millionen Euro? Natürlich muss man in einer Saldierung zum Beispiel sämtliche kommunalen Sozialhilfeausgaben als Bekämpfung von Armut registrieren. Heute geht es mir darum, dass wir richtige Schwerpunkte mit diesen modellhaften und projektbezogenen Mitteln setzen müssen. Bisher war dies die Wohnumfeldverbesserung.

Ich kann Ihnen Beispiele nennen, die ich aus der nächsten Nähe beobachten konnte, ohne Einfluss darauf zu nehmen, wo die Landesmittel eingesetzt werden. Darum habe ich mich nicht gekümmert. Ich konnte es aber aus nächster Nähe beobachten. Ich habe gesehen, wie man einen Stadtteil, in dem ein hohes Maß an Zuwanderern aus Mittel- und Osteuropa mit ihren Kindern die Strukturen zu verändern begannen, durch eine vernünftige Sozialarbeit, die gar nicht viel kostet, bei der man zwei oder drei Stellen für diese Zeit mit finanzieren muss, befrieden kann. Wir haben dort Akzente gesetzt, die ich wichtig finde.

Das Nächste wird das Schwerpunktprogramm für Kinder und Familien in sozialen Brennpunkten sein.

Meine Damen und Herren, ich habe auf Zahlen und Statistiken verzichtet. Lassen Sie mich abschließend sagen, der soziale Standort Rheinland-Pfalz ist nach meiner festen Überzeugung ein guter Lebensstandort.

Dies hat auch damit zu tun, dass so viele Menschen zu uns kommen, die hier leben wollen. Wenn man den Pendlersaldo nimmt und abzieht, wer nach Ludwigshafen, Koblenz und nach Mainz einpendelt und wer auspendelt, kommen wir auf etwa 120.000. Es pendeln 120.000 Personen mehr ein als aus. Wenn man diese Zahl mal zweieinhalb oder mal drei nimmt, dann hat man die Familie. Wo ist dort das Problem? Soll ich einem Menschen, der in Frankfurt arbeitet und mich fragt, ob er jetzt nach Offenbach oder Ober-Olm zieht, sagen, er soll nach Offenbach ziehen? Er hat gesagt, dass er in OberOlm ein Häuschen angeboten bekommen hat. Ober Olm ist ein wunderschönes Dörfchen. Eines der schönsten in Rheinhessen.

(Schweitzer, SPD: Nieder-Olm aber auch! – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Es könnte aber auch Ebersheim sein!)

Ich rede aber im Moment von Ober-Olm. Wenn er sagt, er hat in Ober-Olm ein Häuschen angeboten bekommen, das er sich im Rhein-Main-Gebiet im Kern gar nicht leisten kann, soll ich ihm dann sagen, dann musst du eine halbe Stunde fahren und bleib doch bitte schön in Frankfurt, oder gehe, wenn du es dir nicht leisten kannst, nach Offenbach?

(Frau Thelen, CDU: Das haben wir nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren, ich verstehe denjenigen, der von Frankfurt nach Ober-Olm geht und damit Rheinhesse wird und dann mit Freude feststellt, dass es hier schön ist und man hier gut leben kann.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte einige wenige Worte in eigener Sache sagen. Sie wissen, dies ist meine letzte Landtagsrede, es sei denn, ich werde noch durch anschließende Kurzbeiträge provoziert.

Ich habe diesem Parlament mit Unterbrechungen seit 1977 angehört. Ich bin auch etwas erschrocken, als ich diese Zahl gelesen habe. Ich weiß sehr genau, wie es sich auf Oppositionsbänken fühlt, aber auch, wie es sich fühlt, wenn man als Minister oder zeitweise auch als Abgeordneter mehr gestalten kann. Ich bin dankbar für diese Zeit. Es war für mich eine wirklich schöne Zeit.

Ich war nicht immer ganz einfach für alle, manchmal auch nicht für die eigenen Freundinnen und Freunde.

(Mertes, SPD: Übertreib‘ nicht!)

Deswegen danke ich zunächst den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion, dass sie mich manchmal ertragen, aber meistens getragen haben. Ich danke Herrn Ministerpräsident Kurt Beck dafür, dass er mir in freundschaftlicher Verbundenheit und großer Übereinstimmung in den wesentlichen Fragen Freiheiten gelassen hat.

Ich danke dem Koalitionspartner für viele interessante und gemeinsame Projekte bei manchem Grundsatz

streit, der aber dann in den konkreten Folgen gar nicht mehr so wichtig war.

Ich danke auch den Mitgliedern der Oppositionsfraktionen für viele, wie ich finde, interessante und lohnende Debatten.

(Dr. Altherr, CDU: Sie werden mir fehlen, Herr Minister! – Heiterkeit im Hause)

Ich habe zumindest nie den Eindruck gehabt, dass die persönliche Achtung unter dem Streit leidet. Bei mir hat sie nicht gelitten, wenn ich das an Ihre Adresse sagen darf. (Dr. Altherr, CDU: Bei mir auch nicht!)

Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit. Ich sage jetzt wirklich uneingeschränkt, ich habe phantastische und gute Mitarbeiter. Ich danke dem Amtschef, Herrn Dr. Auernheimer, der in einer phantastischen Weise gemeinsam mit mir das Ministerium geführt hat. Davor war es Klaus Jensen, der, wie Sie wissen, ungern aus dieser Funktion ausgeschieden ist.

Wenn wir etwas dazu beitragen konnten, dass Sozialpolitik nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zur Modernisierung sein kann bei Beachtung der Menschenwürde und bei Beachtung der wichtigen sozialen Aufgaben, die wir alle gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern und gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern haben, wenn wir also neue Wege wenigstens ein Stück weit gemeinsam gehen konnten, dann bin ich froh, wenn ich daran mitwirken konnte.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit. Ich werde sehr genau beobachten, was in Rheinland-Pfalz vor sich geht, nicht nur bei den monatlichen Arbeitsmarktzahlen.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall im Hause – Die Abgeordneten der SPD und FDP erheben sich von den Plätzen)

Herr Minister Gerster, Herr Kollege Gerster, Sie haben vielen für die Zusammenarbeit und für das gedankt, was Sie gemeinsam in Ihrem politischen Leben bis jetzt, das noch lange nicht zu Ende ist, geleistet haben. Ich denke, wir haben Ihnen zu danken, was Sie als Minister, als Abgeordneter in all diesen Jahren für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes geleistet haben. Noch einmal ganz herzlichen Dank; ich denke, in Ihrer aller Namen. (Beifall im Hause)