Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Landtag hat in seiner Sitzung am 23. August letzten Jahres sowohl die Anträge der CDU-Fraktion – Drucksache 14/177 – „Einsatz ausländischer Hilfs- und Betreuungskräfte“ als auch der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/198 – „Zukunft der häuslichen Betreuung und Pflege“ an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen. Dieser Ausschuss hat insgesamt dreimal diese Anträge beraten, und zwar am 30. August 2001, am 25. Oktober 2001 sowie am 28. Februar 2002.
Darüber hinaus hat der Ausschuss zu der Thematik im Oktober letzten Jahres eine Anhörung durchgeführt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie wir von dem Berichterstatter gehört haben, hat die erste Beratung schon im letzten Sommer stattgefun
den. Ich möchte daher eingangs noch einmal kurz die problematische Situation schildern, mit der sich unsere Anträge befassen.
Es geht in der Regel, in den meisten Fällen, um Familien, die betreuungsbedürftige Angehörige haben, die nicht unbedingt pflegebedürftig sein müssen, weil sie altersverwirrt oder dement sind oder unter der Alzheimer-Krankheit leiden. Familienangehörige müssen diese Personen in der Regel rund um die Uhr beaufsichtigen, betreuen, um sie und andere auch vor Schaden zu bewahren.
Viele Familien – zumindest eine Reihe von Familien – haben sich beholfen, indem sie Kräfte beschäftigen, in der Regel ausländische Kräfte aus Osteuropa, die zumindest vorübergehend diese Familienbetreuung ersetzen, also für die Familienangehörigen die dementen, verwirrten Menschen beaufsichtigen, betreuen, ihnen vielleicht auch einmal einen Joghurt reichen und in einigen Fällen Pflegeleistungen anstelle der Familienangehörigen erbringen.
Diese Situation in vielen Familien war bislang illegal geregelt, sowohl was den ausländerrechtlichen Aspekt, die Aufenthaltsmöglichkeiten, als auch die Sozialvers icherung, also die arbeitsrechtliche Situation, anbelangt. Dies wurde bei einer Razzia – dies kann man sagen –, einer Überprüfungsaktion der Staatsanwaltschaft Frankfurt im Rhein-Main-Gebiet, festgestellt. Einige Fälle wurden aufgedeckt. Zum Teil sind auf sehr drastische Art und Weise unmittelbar Ausweisungen der Betreuungskräfte verfügt worden. Das hat die Familien in arge Nöte und Bedrängnis gebracht.
Wir waren der Auffassung und sind froh, dass wir von Teilen aller Fraktionen dieses Hauses darin unterstützt werden, dass wir diese betroffenen Familien, die ein schwieriges Los zu tragen haben, nicht mit diesem Thema allein lassen können, wir nach Wegen suchen müssen, sie auch aus dieser Illegalität herauszuführen, ihnen legale Hilfemöglichkeiten anzubieten. Dass dies über eine Reihe von Wegen möglich ist, zeigt auch die zwischenzeitlich erfolgte Änderung im Ausländerrecht, die jetzt eine bis zu drei Jahre währende Aufenthaltsmöglichkeit für solche Haushaltshilfen eröffnet. Allerdings ist die Aufenthaltserlaubnis an die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gebunden.
Ich denke, das ist mit ein wesentlicher Grund, weshalb zumindest nach einer Meldung aus der Zeitschrift „Capital“ bis Mitte März für nur 40 Personen diese Ausnahmegenehmigung in Anspruch genommen wurde. Das zeigt für uns von der CDU-Fraktion, dass es weiterhin Regelungs- und Hilfebedarf gibt und es deshalb wichtig ist, dass wir diese Anträge heute verabschieden.
Wir sind auch bereit, den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP mit zu tragen, weil es uns wichtig ist, die in diesem Antrag von der Landesregierung geforderten Fakten hoffentlich alsbald zu erhalten, damit wir ein besseres Bild bekommen. Das haben wir auch schon in den Ausschussberatungen so dargelegt.
Wir sind nach wie vor der Überzeugung – darin hat uns auch die Anhörung bestätigt –, dass es einer Reihe von Maßnahmen bedarf, um den Familien tatsächlich zu helfen. Da können die Dienstleistungsagenturen ein Stück Druck aus den Familien nehmen, wenn es um stundenweise Hilfestellung geht, diese gefördert wird und nicht die Bruttostundenkosten für die Familien zu erbringen sind. Da kann – dies war eine Idee des Herrn Bockemühl von der AOK – selbst eine Art Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung in die Überlegungen eingebunden werden, was mir allerdings im Moment noch in der Umsetzung, in der Realität schwer vorstellbar erscheint. Aber wir sollten bereit sein, alle Ideen und Anregungen, die auch in dieser Anhörung dargeboten wurden, zu überprüfen.
Wichtig ist es uns, sehr deutlich zu machen, dass wir zwischen der rein familienergänzenden hauswirtschaftlichen betreuenden Arbeit und derjenigen, die in die Pflegeleistungen hineingeht, trennen müssen. Auch wir sehen die Notwendigkeit von Qualitätskontrollen. Wir sehen sie allerdings genau so, wie wenn Familienangehörige Pflegeleistungen erbringen. Auch da muss gewährleistet sein, dass die Pflegebedürftigen ordentlich betreut werden.
In diesem Sinn hoffen wir, dass die Anträge uns auch hier in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus ein Stück weiterbringen und bitten um möglichst baldige Vorlage des Berichts der Landesregierung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Berichterstatter, Herr Kollege Marz, hat die Geschichte dieser Anträge bereits geschildert. In der Zwischenzeit ist einiges geschehen. Durch Änderungen im Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungsrecht ist seit Anfang Februar die Vermittlung ausländischer Hilfskräfte aus so genannten Drittstaaten in Haushalte mit Pflegebedürftigen möglich, wenn sich dafür keine inländischen Kräfte finden und es sich um sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse handelt. Dies war schon geschildert.
Zum Zweiten gibt es die Bundesratsinitiative zur Förderung regulärer Beschäftigung in Privathaushalten. Seit dem 1. März hat das Land Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit einer Zeitarbeitsagentur das Modell „Homepower“ in Mainz gestartet. Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich.
Diese Initiative greift eine über die Frage der ausländischen Hilfskräfte hinausgehende Problematik auf; denn ein großer Teil der derzeit in den Haushalten beschäftigten Hilfen in der Bundesrepublik wird heute in Schwarzarbeit beschäftigt. Die illegale Beschäftigung ausländischer Hilfskräfte in pflegenden Haushalten stellte eigentlich nur die Spitze dieses Eisbergs dar.
Das hat uns, die Fraktionen der SPD und FDP, dazu bewogen, unseren Antrag wesentlich weiter zu fassen, als es die CDU mit ihrem Antrag getan hat. Die Ergebnisse der Anhörung im Oktober haben uns dazu noch weitere Argumente gebracht.
Der Bedarf an Hilfskräften zur Sicherstellung einfacher, aber zeitaufwendiger häuslicher Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen wächst weiter. Aber ausländische Hilfskräfte lösen das Problem allein nicht; denn der Grund für die bevorzugte Beschäftigung ist bisher vor allem, dass sie außerhalb jeglicher arbeitsrechtlicher Bestimmungen zu finanziellen Bedingungen tätig sind und waren, die weit unter denen für Arbeitnehmer aus EU-Staaten liegen. Dazu kommt, dass auch in der häuslichen Versorgung Pflegebedürftiger einer Pflegekraft ein hohes Maß an Fachkompetenz abverlangt wird. Zur Vermeidung einer gefährlichen Pflege muss daher die Tätigkeit der ausländischen Hilfskräfte auf hauswirtschaftliche Hilfe und einfache Betreuung begrenzt sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sicherung der häuslichen Pflege muss darüber hinaus in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Die Zahl der über Sechzigjährigen wird in den nächsten zehn Jahren um mehr als zwei Millionen ansteigen. Es werden dann 26 % über sechzig Jahre alt sein; im Jahr 2030 wahrscheinlich 35 % der Gesamtbevölkerung. Nach dem achtzigsten Geburtstag wird jeder Dritte von uns, der dieses Datum erreicht, damit rechnen müssen, pflegebedürftig zu werden.
Die dafür zur Verfügung stehenden Hilfen sind sehr gemischt zusammengesetzt: von der hoch professionellen Geriatrie und Altenpflege über einen zunehmenden Markt an Dienstleistungen bis hin zu der eher informellen nachbarschaftlichen und verwandschaftlichen Pflege und den Mitpflegeaktivitäten. Die Familien tragen heute noch die Hauptlast.
Wir werden uns nach den vorliegenden Prognosen, die seriös sind, entscheiden müssen, ob wir in den kommenden Jahren Jahr für Jahr etwa 10.000 zusätzliche Plätze in stationären Einrichtungen finanzieren wollen oder ob wir niederschwellige Entlastungsangebote, Tagespflege und weitere Dienste sowie eine „CareManagement-Infrastruktur“ – so nennt man dies –, schaffen, die wirksamere häusliche Pflegearrangements schaffen helfen.
Darauf weist auch die Thematik hin, die der jetzt in Auftrag gegebene vierte Bericht zur Lage der älteren Generation der Bundesregierung hat. Dieser vierte Bericht heißt: „Chancen und Risiken der Hochaltrigkeit unter besonderer Berücksichtigung von Demenz – eine Herausforderung an Politik, Wissenschaft und Gesellschaft“.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht allzu viel von der Analyse wiederholen, die bereits erwähnt worden ist; denn die Auffassung teile ich. Es ist unbestreitbar, dass in vielen Familien – auch in Rheinland-Pfalz – eine ungeheuer große Leistung bei der Pflege pflegebedürftiger Angehöriger vollbracht wird. Ferner ist unbestreitbar, dass diese Menschen unsere Unterstützung benötigen.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung Anfang dieses Jahres die so genannte Anwerbestoppausnahmeverordnung – weshalb gibt es dafür eigentlich keine Abkürzung? – geändert hat, damit Familien legal Arbeitskräfte aus EU-Beitrittsstaaten wie aus Polen, aus der Slowakei, aus Slowenien, Tschechien und Ungarn einstellen können.
Ich denke, mit der Änderung der Verordnung ist zumindest in einer Hinsicht ein richtiger Schritt getan und die Richtung gewiesen. Jetzt bin ich bei einem Punkt angelangt, bei dem ich Schwierigkeiten mit beiden vorliegenden Anträgen habe.
Die Änderung dieser Verordnung besagt, dass Haushaltshilfen zur Unterstützung von Pflegenden eingestellt und angeworben werden können, man aber ausschließen will, dass diese Angeworbenen indirekt im Pflegebereich tätig werden, um die Qualität der Pflege zu sichern und um Menschen in Pflegeberufen nicht durch billigere Arbeitskräfte die Arbeitsplätze wegzunehmen. Dieser Weg erscheint mir richtig und ein guter Kompromiss zu sein sowie eine gute Möglichkeit, den Pflegenden im Haushaltsbereich Arbeit abzunehmen, damit sie insgesamt entlastet werden, aber nicht direkt im Pflegebereich, weil das eine andere Geschichte ist. Deshalb besagt die Änderung dieser Verordnung, dass sie nur für hauswirtschaftliche Arbeiten Verwendung finden kann.
Im Antrag der Fraktion der CDU sowie im Antrag der Fraktionen der SPD und FDP werden leider trotz intensiver Beratungen die Bereiche der Betreuung und der Pflege vermischt. Das führt meines Erachtens nicht unbedingt zu einer sachgerechten Lösung. Zum anderen hat sich ein Teil des Koalitionsantrags glücklicherweise bereits erledigt. Im Antrag der Koalitionsfraktionen wird gefordert, dass primär inländische Arbeitskräfte eingesetzt werden. Die Verordnung auf Bundesebene stellt genau das sicher. Sie fordert, die Notwendigkeit des Einsatzes ausländischer Arbeitskräfte zu prüfen. Es ist festgestellt worden, dass es eine solche Notwendigkeit
Sie haben vorhin selbst aufgeführt, dass die Schaffung neuer Betreuungsangebote im Rahmen von Dienstleistungsagenturen ebenfalls auf den Weg gebracht worden ist, auch im Land Rheinland-Pfalz. Daher hat sich bereits relativ viel erledigt.
Was bleibt, ist im Kern die Vermischung zwischen Pflege- und Betreuungsbereich. Das kann meines Erachtens aber nicht sachgerecht sein. Das müssen wir auseinander dividieren; sonst gibt es keine sachgerechte und mit der Regelung auf Bundesebene konforme einheitliche Regelung.
Die vorliegenden Anträge haben auch deshalb noch eine gewisse Berechtigung, weil es wichtig ist, eine Erhebung für das Land Rheinland-Pfalz vorzunehmen, um festzustellen, welchen Handlungsbedarf es auf Landesebene gibt.
Wegen der geschilderten Widersprüchlichkeiten, aber auch wegen der gewissen Relevanz für die Landesebene werden wir uns bei der Abstimmung über die beiden Anträge der Stimme enthalten.
Als Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüße ich Mitglieder des Kneipp-Vereins Altenkirchen/Bad Marienberg sowie Mitglieder des AWO-Ortsvereins Arzheim. Herzlich willkommen im Landtag!