Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb abschließend noch einmal feststellen, wir wollen mit der Einführung der Vergleichsarbeiten kein Grundschulabitur einführen. Wir wollen, dass diese Vergleichsarbeiten bei der Entscheidungsfindung bezüglich der weiteren Schullaufbahn Hilfestellung leisten. Sie können überzogene Erwartungen dämpfen. Sie ersetzen aber weder die pädagogische Beurteilung der Lehrkraft noch die verantwortliche Entscheidung der Eltern. Ich bin davon überzeugt, mit dem vorliegenden Konzept wird man die Forderung umsetzen können und Rheinland-Pfalz bildungspolitisch noch einen Schritt weiter voranbringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiechmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass nicht nur meine Fraktion und ich, sondern unter anderem auch der VBE den Vorschlag der Einführung der Vergleichsarbeiten auch weiterhin für ein schulpädagogisches Windei halten.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Herr Kuhn, hören Sie mir einmal zu.

Zum einen werden in der Grundschule genügend Leistungsnachweise erbracht, um eine verlässliche Beurteilung vornehmen zu können. Zum anderen wird dadurch die soziale Selektion der Schülerinnen und Schüler beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen verschärft. Genau diese soziale Selektion ist laut PISA ein eklatanter Mangel des deutschen Schulwesens, den es zu beheben gilt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnnen und Kollegen, wenn ich irgendwann einmal Vater bin und möchte, dass mein Kind groß und stark wird,

(Mertes, SPD: Tun Sie etwas dafür! – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oder klug und schön!)

was sollte ich denn dann wohl tun? Sollte ich mein Kind jeden Tag messen und wiegen, oder braucht das Kind nicht einfach gutes und gesundes Essen wie zum Beispiel Joghurt?

(Böhr, CDU: Biojoghurt! – Jullien, CDU: Aus biologischem Anbau!)

Genauso frage ich Sie hier und heute: Ist es sinnvoll, die Schülerinnen und Schüler immer häufiger abzuprüfen und zu testen, oder wäre es nicht besser, den Schülerinnen und Schülern Inhalte, Methoden und manchmal auch Fakten auf eine didaktisch und methodisch sehr gute Art und Weise nahezubringen, damit sie die Chance haben, etwas zu lernen? – Ein ständiges Abprüfen bringt uns nicht weiter.

(Beifall der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Klarzustellen gilt es für mich, dass die Eltern in den vergangenen Jahren bewiesen haben, dass sie im Zusammenhang mit der Beratung durch die Grundschullehrerinnen und -lehrer ihrer Verantwortung gerecht geworden sind und in der Regel die richtige weiterführende Schule für ihre Kinder ausgesucht haben.

Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion, Ihr Antrag enthält überdies keinerlei konkrete Aussage über den Umfang der so genannten Vergleichsarbeiten. Das hat die Ministerin dann nachgeholt. Es geht heute um Ihren Antrag.

Ihr Antrag versucht, ein wenig den Anschein zu vermitteln, als ob er einen wirklich validen Test mit wissenschaftlich belegten Prognosen über die zukünftige Leistungsfähigkeit der einzelnen Schülerinnen und Schüler darstellen könnte. Die Vergleichsarbeiten sagen aber überhaupt nichts über die Leistungsentwicklung einer Schülerin und eines Schülers von der 1. bis zur 4. Klasse aus. Es sind und bleiben Momentaufnahmen.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Zur Einschätzung der zukünftigen individuellen Leistungsfähigkeit sind sie nicht geeignet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nämlich mit noch so raffinierten Methoden und Mitteln nicht möglich, die Bildungsmöglichkeiten und die Bildungskarriere eines zehnjährigen Kindes verlässlich vorherzusagen.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Wie die Entwicklungspotenziale jedoch erhalten bleiben und besser genutzt werden können, zeigen die Ergebnisse der PISA-Studie.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der großen Regierungsfraktion, interessant ist weiterhin, dass die FDP mit ihrem Antrag – Herr Lelle hat es gerade noch einmal bestätigt – eine alljährliche zentrale Prüfung in unser Schulsystem über einen Umweg einführen will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, dazu hätte ich gern eine Aussage von Ihnen gehört.

Meine Damen und Herren, die FDP steckt ihre politische Energie im Bildungsbereich in Abprüfen und Aussortieren. Wir wollen unsere politische Energie und die Mittel aus dem Landeshaushalt ins Helfen und Fördern aller Schülerinnen und Schüler stecken. Wir GRÜNE stehen für eine Förderung der vorschulischen Bildung in den Kindertagesstätten und die Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen in ihrer Aus-, Fortund Weiterbildung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie ziehen aus unserer Sicht die komplett falsche Schlussfolgerung. Statt früher Auslese brauchen wir eine für alle Schülerinnen und Schüler frühere, bessere und integrierte Förderung. Die PISAStudie bestätigt uns in uns erer Auffassung.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der FDP zu den vorgesehenen Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik hat im Ausschuss weitgehende Zustimmung gefunden. Das ist auch heute in der parlamentarischen Debatte deutlich geworden.

Herr Abgeordneter Lelle, ich fand es schon ein bisschen mühsam, wie Sie versucht haben herauszuarbeiten, was vielleicht doch ein Problem sein könnte.

Ich finde, wir haben gerade zu diesem Punkt eine unheimlich konstruktive Debatte im Ausschuss gehabt, die übrigens sehr von dem Verständnis für Schule geprägt war, für die ich mich damals bedankt habe und auch heute noch einmal bedanken möchte.

Die Vergleichsarbeiten haben aus meiner Sicht eine dreifache Funktion.

Punkt 1: Sie sind eine Rückmeldung an die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern und ergänzen damit die

Schullaufbahnempfehlung und die Zeugnisnoten. Sie können keines dieser Bestandteile ersetzen. Wir sind uns völlig einig, dass das nicht gewünscht ist, sondern es ist eine weitere Information an die Betroffenen.

Punkt 2: Sie sind eine Rückmeldung an die Schulen und an die Lehrerinnen und Lehrer über den in der Schule in der Klasse erreichten Leistungsstand. Warum gibt man eine solche Rückmeldung? – Natürlich mit dem Interesse, dass man dann möglichst gut fördern kann. Auch da sind wir uns einig.

Punkt 3: Ich sage aber auch, Sie sollen einen Beitrag leisten zur Standardsetzung und Standardisierung. Hier sehe ich sehr wohl in dem rheinland-pfälzischen Ansatz die Möglichkeit, einen solchen Ansatz in die bundesweite Diskussion mit einzubringen und auch auf Bundesebene zu nutzen, um Standards, aber auch um Aufgabenkultur weiterzuentwickeln. Das ist auch damit beabsichtigt. Das werden wir auch angehen.

(Beifall bei der FDP)

Gerade Letzteres hat aus meiner Sicht nach PISA an Bedeutung gewonnen, wobei für mich wichtig ist, dass solche zusätzlichen qualitätssichernden Maßnahmen möglichst den Lernprozess begleiten und nicht erst bei den Schulabschlüssen ansetzen, sondern zu einem Zeitpunkt, wo wir für die betroffenen Schülerinnen und Schüler noch etwas tun können.

Sie sollen sowohl dem Profil einer Einzelschule als auch einem generellen landesweiten Abschlussprofil entsprechen. Das hatte ich im Ausschuss schon ausgeführt und darauf hingewiesen, dass beabsichtigt und sinnvoll ist, die Hälfte der Aufgaben zentral zu stellen und die andere Hälfte nach Schwierigkeitsgraden von den Schulen ausgewählt werden kann, um dem Profil der jeweiligen Schule zu entsprechen. Auch hier habe ich bisher keinen Widerspruch gehört. Ich denke, das ist ein vernünftiges Verfahren, das uns auf Landesebene ermöglicht, jeweils eine Stichprobe zu ziehen, was auch vorgesehen ist. Auch dazu haben wir uns klar geäußert.

Herr Abgeordneter Wiechmann, wie Sie bei diesen beschriebenen Intentionen sagen können, dass die Vergleichsarbeiten ein Beitrag wären, dass sich die soziale Selektion ausweitet, ist mir bis heute völlig unverständlich geblieben.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Absolut das Gegenteil ist der Fall. Absolut das Gegenteil werden wir damit erreichen. Wir werden damit besser fördern können.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich nur wiederholen. Wir haben das an anderer Stelle bereits des Öfteren miteinander diskutiert. Ich habe schon öfter darauf hingewiesen.

Wer an jede Maßnahme, die im Parlament diskutiert wird, die von der Regierung, von einem Verband oder von der Gewerkschaft vorgeschlagen wird, die Messlatte

anlegt, ob diese einzelne Maßnahme alle Probleme löst, der wird zu jeder Maßnahme Nein sagen müssen.

(Kuhn, FDP: Richtig!)