Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Noch ein Wort zur aktuellen Debatte. Die jetzt wieder aufkommende Diskussion über die Kosten von Kombilohnmodellen, die auf einer Studie des Arbeitsministeriums Nordrhein-Westfalen beruhen, ist aus rheinlandpfälzischer Sicht nicht ganz nachvollziehbar. Ich weiß nicht, ob Sie es der Presse bereits entnommen haben. Nach der Vorabveröffentlichung der Ergebnisse dieser Studie musste jede Stelle pro Jahr mit 73.000 Euro bezuschusst werden. Der Betrag ist so exorbitant hoch, dass man sich schon fragt, welche Kosten im Rahmen dieser Studie eingerechnet worden sind. Da als Begründung unter anderem eine Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen und damit ein Ausfall von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen angeführt wird, kann es sich wiederum nur um die bereits zu Beginn meiner Rede dargestellten ursprünglichen Kombilohnmodelle handeln, die in keiner Weise mit dem Mainzer Modell verglichen werden können.

Die Kosten für eine Bezuschussung im Rahmen des Mainzer Modells sind weitaus geringer und liegen in einer Größenordnung von 3.000 Euro bis 6.000 Euro pro Jahr.

Fazit: Angesichts der aktuellen Arbeitslosenzahlen müssen wir alle geeigneten Instrumente und Mittel nutzen, um Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger in Beschäftigung zu bringen. Das Mainzer Modell ist ein solcher Weg. Es ist aber kein Allheilmittel – das muss immer wieder betont werden –, sondern es ist ein Instrument,

eine Philosophie. Herr Abgeordneter Günter Rösch hat vorhin gesagt: Arbeit muss sich lohnen. – Das ist ein alter Grundsatz. Schon in der Bibel heißt es: Der Arbeiter ist seines Lohnes wert. – In diesem Sinn bitte ich herzlich um die Unterstützung des Mainzer Modells.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Thelen das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mir bleiben noch vier kurze Minuten, die ich mit vier kurzen Punkten füllen möchte.

(Staatsminister Zuber: Die können lang werden!)

Sehr geehrter Herr Rösch, ich kann zunächst einmal feststellen, dass es bei Ihrer Rede in der Schule geheißen hätte, dass Sie das Thema verfehlt haben. Sie haben zu dem Mainzer Modell gesprochen, das auf Bundesebene übernommen wurde. Die Große Anfrage, die heute zur Debatte steht, behandelt aber das Mainzer Modell, seine Inanspruchnahme, seine Förderdauer und so weiter, wie es in Rheinland-Pfalz bis Anfang des Jahres 2002 praktiziert wurde. Ich kann verstehen, dass die Übertragung auf Bundesebene für Sie heute angenehmer war.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Rösch, SPD)

Sie tragen vor, dass wir, anstatt das zarte Pflänzchen „Mainzer Modell“ mit zu pflegen und mit zu hegen, es mit zu scharfer Kritik am Wachsen hinderten. Sehr geehrter Herr Kollege Rösch, wer ein noch nicht eingepflanztes Samenkorn schon als Mammutbaum preist,

(Beifall bei der CDU – Zurufe aus dem Hause)

der darf sich nicht wundern, wenn wir uns erlauben, diesen Mammutbaum mit sachgerechter Kritik auf Primelgröße zurückzustutzen, was unseres Erachtens dem Ergebnis angemessen ist.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Frau Ministerin Dreyer führte aus, in manchen Arbeitsbereichen wie zum Beispiel im Dienstleistungsbereich sei der Preis der Arbeit durch die hohen Lohnnebenkosten zu hoch. Herr Rösch, Sie führten aus, die Sozialabgaben drückten niedrige Einkommen unter Sozialhilfeniveau. Ich stimme Ihnen beiden ausdrücklich zu. Das ist aber nicht gottgegeben. Meine Auffassung ist, dass es Aufgabe dieser Koalitionsparteien in den vergangenen Jahren gewesen ist, auf anderer Ebene etwas daran zu ändern.

(Beifall bei der CDU)

Wir würden das gern tun, wenn wir die Möglichkeit dazu haben.

Ich komme zum letzten Punkt, dem Punkt 4. Da werden sich die Gemüter vielleicht wieder etwas beruhigen.

(Rösch, SPD: Augen zumachen! In der Vergangenheit hängen bleiben!)

Herr Rösch, ich stimme Ihnen zu, dass es nach wie vor auch die CDU für sinnvoll hält, Kombilohnmodelle, ob es sich um das Mainzer Modell oder um andere Modelle handelt, auszuprobieren, um Menschen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wir werden auch weiter bereit sein, ein solches Pflänzchen mit zu hegen und zu pflegen.

(Rösch, SPD: Erst nach der Bundestagswahl! Sie machen das erst nach der Bundestagswahl!)

Allerdings erlauben Sie uns, dass wir das nicht durch die rosarote Brille tun, sondern genau hinsehen und die Erkenntnisse, die nicht sehr erfreulich sind, für Änderungen nutzen wollen, damit das auf anderer Ebene erfolgreich ist.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass bei der Umsetzung auf Bundesebene nicht die Fehler gemacht worden sind, die das Modell in seiner Anlaufphase hatte. Das ist kein Vorwurf; denn dafür haben wir Modellprojekte. Es war zu bürokratisch, es war zu kompliziert, und es war für viele nicht vermittelbar.

(Rösch, SPD: Dafür wurde es geändert!)

Herr Rösch, das ist dann geändert worden.

(Rösch, SPD: Bitte schön!)

Ich hoffe, dass es noch ein Stück erfolgreicher wird, aber auch da müssen wir sehen, welche Gruppen es erreicht hat, wie hoch der Aufwand war und wie effektiv tatsächlich die Steuermittel eingesetzt worden sind. Deshalb werden wir auch an diesem Thema dranbleiben.

(Rösch, SPD: Wir werden darüber reden!)

Ich hoffe, das wird in einem konstruktiven Diskurs geschehen, Herr Kollege.

(Rösch, SPD: In einem Jahr, nach der Bundestagswahl!)

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Besprechung dieser Großen Anfrage erledigt.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

Gemeindenahe Psychiatrie in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ernst-Günter Brinkmann, Peter Wilhelm Dröscher, Friederike Ebli, Marianne Grosse, Jochen Hartloff, Heribert Heinrich, Gerd Itzek, Ruth Leppla, Joachim Mertes, Renate Pepper, Günther Ramsauer und Günter Rösch (SPD) und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksachen 14/725/960/983 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart.

Ich erteile Frau Abgeordneter Leppla das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am Anfang der 90er-Jahre gab es in Rheinland-Pfalz drei große Fachkliniken in Andernach, Alzey und Klingenmünster für die Krankenhausversorgung psychisch erkrankter Menschen. Für diese Patienten gab es rund 400 Plätze im betreuten Wohnen und ansonsten nur gemeindeferne große Wohnheime. Bei der Suche nach einem Heimplatz wurde in der Regel nicht darauf geachtet, dass die Menschen in ihrer Heimatregion einen Wohnplatz fanden. Gefragt wurde vielmehr danach, ob es irgendwo einen Platz gab, wo der kranke Mensch in das jeweilige Konzept passte.

(Rösch, SPD: Alles zu CDU-Zeiten! Hören Sie mal zu!)

Mit dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen vom November 1995 verfolgte die Landesregierung ein neues Ziel zum Wohl unserer kranken Mitmenschen. Es sollen wohnortnahe Hilfen entstehen, die durch soziale Netzwerke den einzelnen Menschen stützen und fördern, um den sozialen Ausgrenzungen entgegenzuwirken. Mit dieser Neuregelung wurde die Planung und die Koordination der psychischen Hilfen den Landkreisen und Städten als Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung übertragen.

Im Mai 2001 wurden überarbeitete Empfehlungen für Krankenhausplanungen zur Psychiatriereform mit folgender Zielsetzung verabschiedet: Dezentrale teil- und vollstationäre Behandlungsangebote mit einer Versorgungsverpflichtung an psychiatrischen Fachabteilungen von Allgemeinkrankenhäusern. Damit einhergehend sollen die psychiatrischen Krankenhäuser durch die Beschränkung auf eine regionale Versorgungsverantwortung bis zu einer fachlich und wirtschaftlich vertretbaren Größe verkleinert werden. Psychiatrische Tageskliniken und die fachliche Anbindung an vollstationäre Angebote sind ebenso zu installieren wie psychiatrische Institutsambulanzen und die Nachsorge von chronisch psychisch kranken Personen durch aufsuchende Arbeit sicherzustellen, und die ambulanten komplementären Angebote sind weiter zu entwickeln.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die Landesmittel, die seit 1996 dafür bereitgestellt werden – das sind pro Einwohner der kreisfreien Städte und Landkreise 52 Cent pro Jahr, was im Jahr 2001 etwas mehr als 4 Millionen DM waren –, waren und sind eine gute Basis für den Aufbau einer gemeindepsychiatrischen Struktur.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die Fachaufsicht durch die Landesregierung, die diesen Entwicklungsprozess berät und unterstützt, hat sich sehr bewährt.

Meine Damen und Herren, die drei großen Fachkliniken gestalten seit Ende der 90er-Jahre ihre Langzeitbereiche in Wohnheime für psychisch kranke Menschen um. Innerhalb von sechs Jahren wurden 365 Betten in drei Häusern abgebaut, und es wurden dort gleichzeitig 100 tagesklinische Plätze neu geschaffen. Insgesamt werden nochmals 350 Betten an andere Standorte abgegeben werden müssen. Damit dies aber alles sozialverträglich für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibt, unterstützt das Land diesen Umstrukturierungsprozess. Auch im neuen Haushalt sind Mittel für neue Maßnahmen in den drei Einrichtungen eingestellt.

Seit der Novellierung des SGB V haben viele Krankenhäuser psychiatrische Hauptfachabteilungen eingerichtet und Anträge auf Zulassung psychiatrischer Institutsambulanzen gestellt. Diese Einrichtungen sind für die Behandlung chronisch psychisch kranker Personen ein unverzichtbares Instrument mit hoher Akzeptanz, wie uns die gemeinsamen Arbeitskreise von Krankenhäusern, Ärzten und der niedergelassenen Ärzteschaft bestätigen.

Dieser Beginn der Dezentralisierung der Krankenhausversorgung ermöglicht es nun schon vielen chronisch psychisch kranken Menschen, in ihrer Heimat in ihrem gewohnten Lebensumfeld zu bleiben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, einhergehend mit der Krankenhausreform wurden viele Konzepte der teilstationären und ambulanten Hilfe entwickelt und mit Hilfe des Landes auch umgesetzt. So gibt es mittlerweile ein großes Spektrum an Versorgungs- und Betreuungsangeboten im Land Rheinland-Pfalz.

Ein wichtiges Projekt war die Entwicklung des „Betreuten Wohnens“, das Ende der 80er-Jahre in Rheinland-Pfalz begann und dann kontinuierlich ausgebaut wurde. Heute leben etwa 1.520 Menschen mit seelischer Behinderung in dieser Wohnform.