Protokoll der Sitzung vom 19.06.2002

an Hauptschulen bzw. an Schulen mit dem Bildungsgang Hauptschule verbessern – Drucksache 14/1009 –, an den Ausschuss für Bildung und Jugend überwiesen worden.

Der Ausschuss für Bildung und Jugend hat die Anträge in seiner 9. Sitzung am 2. Mai 2002 beraten. Die Beschlussempfehlung lautet: Der Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/708 – wird abgelehnt. Der Alternativantrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/1009 – wird angenommen.

(Beifall der SPD und der FDP – Mertes, SPD: Das ist keine Überraschung!)

Die Fraktionen haben eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Schreiner das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Februar stellte die CDU-Fraktion ihr Konzept vor, die Chancen abschlussgefährdeter Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Es war wie immer.

Herr Beck, Ihre Regierung hatte nicht die Größe, eine Idee der Opposition aufzugreifen. Die SPD und die FDP wollten dem Antrag der CDU nicht zustimmen. So diskutieren wir heute natürlich wie immer über zwei Anträge. Das ist schade. Man wird es wohl nicht ändern können.

(Zuruf der Abg. Frau Spurzem, SPD)

Es ist noch schlimmer; denn auch Ihr plötzlicher Aktionismus im April, Herr Beck, war wenig hilfreich. Sie haben die Forderung aufgestellt, der Schulpsychologische Dienst in Rheinland-Pfalz müsse endlich ausgebaut werden. Dazu sage ich nur: Bravo!

(Ministerpräsident Beck: Das habe ich nie gesagt! Sie sagen die Unwahrheit!)

Unter Ihrer Regierung ist gegen den Rat von Experten der Schulpsychologische Dienst unbedeutend und totgespart worden. Manchmal, nämlich dann, wenn es um das Geld geht, ist die Politik sehr konkret. Auf der einen Seite haben wir den Schulpsychologischen Dienst ges ehen, bei dem gespart wird. Auf der anderen Seite hat die CDU bei ihren Haushaltsberatungen, als es darum ging, ein Konsolidierungsprogramm zu haben, bei der Schulsozialarbeit einen Schwerpunkt gesetzt, weil wir nämlich in diesem Bereich, vor allen Dingen in den sozialen Brennpunkten, eine Offensive brauchen, um die Zahl der Schüler ohne Abschluss zu verringern.

(Beifall der CDU)

Für die Schulsozialarbeit ist bisher im Land zu wenig Geld aufgewendet worden. Wir haben im Moment 23 Stellen. Eine Aufstockung auf 32 ist geplant. Ob es bei der Haushaltssituation dazu kommen wird, ist fraglich. 32 bzw. 23 Stellen für das ganz Land Rheinland-Pfalz, das ist zu wenig. Wir haben mehr Stellen gefordert. Die CDU hat gesagt, wir wollen hier einen Schwerpunkt setzen. Wir haben den Haushaltsansatz verdoppelt. Wir haben trotz Konsolidierung 736.000 Euro mehr ausgegeben wollen. Natürlich ist uns dies auch diesmal von der SPD und der FDP abgelehnt worden.

Frau Dreyer, Sie erinnern sich noch an unsere Tage im Sozialausschuss in Mainz. Wir waren uns immer einig, dass wir mehr Geld für die Schulsozialarbeit ausgeben müssen und die Kommunen vom Land in dieser wichtigen Frage nicht allein gelassen werden dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Deshalb haben wir einen Antrag gestellt „Chancen abschlussgefährdeter Schülerinnen und Schüler verbessern“. Wir bleiben am Thema dran und fordern ganz konkrete Dinge. Wir fordern ein landesweites Konzept, und zwar ganz speziell für diesen Bereich der Schulsozialarbeit, im Gegensatz zu ihrem Rundumschlag, den Sie mit ihrem Antrag versuchen wollen, weil wir einfach den Blick auf diesen Punkt lenken, die Chancen abschlussgefährdeter Schülerinnen und Schüler zu verbessern.

Wir sagen auch, was dazu gehören muss. Es muss dazu gehören, dass die Schüler eine Qualifikation bekommen, sie Deutsch können müssen, sie Mathematik können müssen und die Arbeitslehre verbessert werden muss. Es darf nicht mehr so sein wie bisher, dass die Hauptschule das Stiefkind der Bildungspolitik in RheinlandPfalz ist.

(Beifall bei der CDU)

Es muss natürlich auch den Kindern mit geringer Sprachkompetenz – seien es Kinder deutscher Herkunft, seien es Kinder ausländischer Herkunft – eine besondere Förderung zuteil werden. Wir brauchen auch Verbundlösungen mit anderen Trägern, mit Arbeitsämtern, mit Ausbildungsbetrieben. Es darf einfach nicht mehr so sein, dass wir aufgrund eines Qualifikationsmangels, der in der Wissensgesellschaft unserer Tage tödlich ist, wenn man einen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz sucht, und der Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler keinen Abschluss mehr bekommen, die Chancen der Jugendlichen verbauen.

Wir brauchen Schulsozialarbeit. Dazu habe ich eingangs schon etwas gesagt. Die qualifizierenden Maßnahmen dürfen nicht erst einsetzen, wenn die Jugendlichen keine Lehrstelle finden. Dieser Antrag ist ein erster Schritt. Wir werden als nächstes einen weiteren Schritt gehen müssen, nämlich die berufsbildenden Schulen in den Blick zu nehmen. Im Jahr 2001 haben 36.402 Abgänger der berufsbildenden Schulen ein qualifiziertes Zeugnis bekommen. 10.453 haben nur ein Abgangszeugnis bekommen, dass heißt, jeder fünfte hat keinen qualifizier

ten Abschluss bekommen. Sind wir ehrlich, bei der aktuellen Situation auf dem Ausbildungsmarkt und bei der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt

(Glocke der Präsidentin)

sind Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen, die ohne qualifiziertes Zeugnis abgehen, chancenlos.

Frau Präsidentin, wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen. Ich würde mich freuen, wenn auch die Regierungsfraktionen endlich einmal einem guten Antrag der Opposition ihre Zustimmung geben würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Fuhr das Wort.

Herr Kollege Schreiner, diese Schallplatte habe ich jetzt doch schon ein paar Mal von Ihnen gehört.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielleicht sollten Sie einmal überlegen, dass das daran liegt, dass Ihre Anträge schlecht sind, dass wir sie leider immer ablehnen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch für die SPD-Fraktion sind knapp 10 % Hauptschüler ohne Abschluss zu viel. Auch für uns sind Wege der Förderung und der Unterstützung wichtig. Ich möchte Ihnen jetzt nicht aufzählen, welche Wege wir schon gehen, um diese Punkte zu verbessern. Diese Punkte sind Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir haben die Probleme erkannt und handeln seit langem. Wir brauchen dazu nicht Ihren Antrag, der nur einen kleinen speziellen Punkt herausgreift.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, es genügt manchmal nicht, ein Spezialproblem zu erkennen und sofort nach einem Spezialprogramm zu rufen. Das greift in diesem Fall zu kurz. Wir brauchen eine weitergehende Betrachtungsweise. Wir brauchen eine Handlungsweise für die ganze Hauptschule. Uns geht es um die ganze Hauptschule und nicht nur um die abschlussgefährdeten Schülerinnen und Schüler, sondern um die ganze Hauptschule.

(Beifall bei SPD und FDP)

Dieser Weg ist deshalb auch richtig, weil wir so viel mehr für alle Hauptschüler erreichen, nicht nur für die ab

schlussgefährdeten. Herr Schreiner, deshalb steht in unserer Koalitionsvereinbarung das Aktionsprogramm „Hauptschule“. Ich denke, dass werden Sie mitbekommen haben. Sie wissen, dass momentan an der Umsetzung dieses Programms gearbeitet wird. Es mag sein, dass Sie vielleicht mit diesem Antrag ein bisschen schneller sein wollten, aber Sie sind nicht umfassend genug, und Sie greifen das Problem nicht.

(Beifall bei der SPD – Schreiner CDU: Alles in Ordnung!)

Herr Schreiner, wenn Sie sich einmal der Mühe unterziehen, in die MARKUS-Studie zu sehen, dann werden Sie für das Fach Mathematik interessante Ergebnisse finden.

(Lelle, CDU: Ausgerechnet MARKUS! Umwerfend erfolgreich!)

Dort sehen Sie nämlich, dass die Lernmotivation und die Schulzufriedenheit bei Hauptschülerinnen und Hauptschülern höher liegt als bei den Realschülern und bei Gymnasiasten. Das verbindet sich mit einer höheren Zufriedenheit mit den Lehrkräften, weil nach Aussage der befragten Schüler diese Lehrkräfte es schaffen, die Motivation der Schüler zu steigern und so zu geringerer Leistungsangst und zu größerem Selbstvertrauen führen.

Meine Damen und Herren, die Situation kann bei solchen Ergebnissen nicht so schlecht sein, wie es Teile dieses Hauses darstellen wollen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist mit der Abschlussquote?)

Man muss an dieser Stelle auch ein Kompliment an die Lehrkräfte machen, die dieses Ergebnis erreichen, weil nämlich teilweise das Klientel, das wir in der Schule haben, nicht ein einfaches Klientel ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, für Schülerinnen und Schüler, die Lernprobleme haben, hilft natürlich oft eine sehr praktische Form des Unterrichts. Dabei wird in vielen Fällen das Selbstbewußtsein gestärkt. Die Schülerinnen lernen sich nicht nur als Versager zu erfahren, sondern bei der praktischen Arbeit auch richtig etwas zu können. Gestärktes Selbstbewußtsein gibt neue Motivation. Neue Lust aufs Lernen gibt die Chance, doch noch den Abschluss zu schaffen. Wie man den Weg wählt, den Schülerinnen mit Abschlussgefährdung Selbstvertrauen zu vermitteln, ist fast egal. Hauptsache, sie fassen Mut zu sich selbst und sehen einen Sinn im Lernen. Dazu möchte ich zwei Punkte sagen. Wir haben bereits an acht Standorten in Rheinland-Pfalz arbeitsweltorientierte Klassen eingerichtet und fordern mit unserem Antrag die weitere Einrichtung. Wir begrüßen, dass das Ministerium daran arbeitet, die Zahl dieser arbeitsweltorientierten Klassen auszubauen.

(Beifall bei SPD und FDP – Zurufe von der CDU)

Herr Schreiner, ein weiterer wichtiger Punkt: Wir fordern mit unserem Antrag die Landesregierung auf, verstärkt Kooperationsprojekte zur Berufs- und Arbeitsweltorientierung durchzuführen. Dies muss und kann mit vielen Partnern geschehen,

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

mit den Kammern, mit den Verbänden, mit den Gewerkschaften, mit der Arbeitsverwaltung, mit Betrieben, mit außerschulischen Bildungsträgern und der Jugendhilfe. Dieser enge Dialog zwischen Politik, Schulen und Kammern ist uns deshalb wichtig, weil wir Praxisorientierung und Berufsvorbereitung nur sinnvoll organisieren, wenn die künftigen Arbeitgeber, die die Jugendlichen dann einstellen sollen und müssen, an diesem Programm beteiligt sind.