Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Wenn sie bei einer solchen Debatte, bei der es um Lebensmittelqualität geht – Lebensmittelqualität fängt mit der Produktion an –, nicht im Saal ist, dann zeigt mir das, was die Landesregierung und die Verbraucherschutzbeauftragte von diesem Plenum halten. Ich erwarte, dass sie im Ausschuss, in dem wir das Thema ausführlich diskutieren, anwesend ist. Ich werde mich deshalb an dieser Diskussion nicht beteiligen.

(Dr. Weiland, CDU: Sehr gut!)

Ich fühle mich leider von der Landesregierung und von der Verbraucherschutzbeauftragten – das sage ich Ihnen ganz offen – nicht nur getäuscht, sondern auch für dumm verkauft. (Beifall der CDU – Dr. Weiland, CDU: So ist es!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Geisen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch für den Verbraucherschutz gilt ohne Wenn und Aber: Nachhaltigkeit geht vor blinden Aktionismus. Das Vertrauen der Bürger in Produkte wird nur dadurch erreicht, dass nachhaltiges Handeln die Verbraucherpolitik bestimmt und nicht dadurch, dass die Bürger immer wieder durch neu vorgebrachte, sich oft nur noch wiederholende Forderungen verunsichert werden.

Das trifft offenkundig bei dem eingebrachten Antrag zu. Für mich ist es alter Wein in neuen Schläuchen.

(Beifall der FDP)

Fakt ist, dass der Verbraucherschutz in Rheinland-Pfalz sehr gut organisiert ist und sich in besten Händen befindet. (Jullien, CDU: Das sieht man! – Zuruf von der CDU: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

In Rheinland-Pfalz ist der Verbraucherschutz seit dem 1. Januar 2000 landesweit beim Landesuntersuchungsamt in Koblenz gebündelt. Diese bundesweit – ich betone ausdrücklich bundesweit – einmalige Struktur hat sich bewährt.

Besonderer Verbraucherschutz erfordert Beratung und Information des Verbrauchers. Die FDP-Fraktion unterstützt deshalb nachdrücklich das vom Wirtschaftsministerium vorgegebene Leitbild des mündigen Verbrauchers und das der Verbraucherpartnerschaft.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meines Erachtens hängt die Effizienz der Futtermittelkontrolle und des Verbraucherschutzes nicht davon ab, ob diese Aufgaben in einem einzigen Ministerium gebündelt sind, sondern sie ist viel mehr eine Frage der Qualität, auch die der Mitarbeiter. In diesem Bereich arbeiten die beiden jeweils zuständigen Abteilungen im Umwelt- und im Landwirtschaftsministerium sehr gut zusammen. (Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, daher werden auch die meisten Forderungen Ihres Antrags bereits erfüllt, oder sie entbehren jeder Realität. Rheinland-Pfalz hat vorbildlich, vorbeugend und vorsorglich reagiert. Die Kontrollsysteme in diesem Land haben funktioniert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, landwirtschaftliche Erzeugung kann man nicht kurzfristig per Dekret oder schlimmstenfalls ganz gegen den Willen der Erzeuger in bestimmte, politisch gewünschte Richtungen dirigieren. (Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Vertrauen der Verbraucher gewinnt man nicht durch spontane Erklärungen und willkürliche Richtwerte ohne Realisierungschance auf politischer Ebene.

Ich behaupte, in Berlin ist das anders. Gerade aber durch die Einführung des Ökosiegels, basierend auf einer alten EG-Verordnung von 1991, die erheblich niedrigere Anforderungen an die Gewährung des Siegels stellt, als dies anerkannte Verbände des ökologischen Landbaus in Rheinland-Pfalz – Bioland und Demeter – bei ihren Erzeugern tun, wurden die Marktchancen der bisherigen Ökoverbraucher und Ökobauern verringert. So ist das.

(Beifall der FDP)

Jetzt haben wir genau das, was Frau Künast zu Beginn ihrer Amtszeit vollmundig ändern wollte, nämlich Masse statt Klasse auch bei den biologisch erzeugten Nahrungsmitteln. Jetzt scheint es sogar schon Biofabriken, Bioagrarfabriken in den neuen Bundesländern sowie in Norddeutschland zu geben, meine Damen und Herren. Das ist die Entwicklung innerhalb von anderthalb Jahren.

(Beifall der FDP und der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Landtagsfraktion darf ich in diesem Zusammenhang betonen, dass wir in Rheinland-Pfalz am Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs auch im Ökobereich festhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall der FDP – Zurufe von der FDP: Sehr gut, bravo!)

Alles in allem unterscheidet sich Verbraucherpolitik in Rheinland-Pfalz durch konkrete Handlungsaufträge im Sinne des Verbraucherschutzes von der Berliner Ankündigungspolitik der Frau Künast, die Landwirte und Verbraucher gleichermaßen stark verunsichert.

So ist nach einem Bericht des „Handelsblatts“ vom 7. Juni 2002 zufolge – ich zitiere wörtlich – „...der mangelnde Informationsfluss zwischen ihrem Ministerium und den untergeordneten Behörden Hauptgrund dafür war, dass der Nitrofen-Skandal so weite Kreise zog. Die schlecht funktionierenden Informationsstränge zwischen den damals zuständigen Ministerien und Behörden war seinerzeit vom Bundesrechnungshof als entscheidende Ursache für das Ausmaß der BSE-Krise ausgemacht worden und kosteten Gesundheitsministerin Andrea Fischer das Amt.“

Ich zitiere Ihnen noch eine ähnliche Bewertung aus der „Wirtschaftswoche“ vom 6. Juni dieses Jahres: „Dass Kontrollen ein gefährlicher Schwachpunkt in der Landwirtschaftspolitik von Ministerin Künast sind, hätte diese wissen müssen. Schon im vergangenen Jahr hatte die damalige Bundesrechnungshofpräsidentin, Hedda von Wedel, in einem Gutachten wesentliche organisatorische Schwachstellen im gesundheitlichen Verbraucherschutz festgestellt. Doch bis heute unterliegen Ökolandbauprodukte keiner konsequenten Lebensmittelüberwachung.“

Diesen beiden überparteilichen Feststellungen ist meines Erachtens nichts hinzuzufügen.

(Jullien, CDU: Die Uhr läuft! – Dr. Weiland, CDU: Schneller, schneller! – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, in wessen Behördendschungel bleiben denn die Informationen stecken? Bestimmt nicht hier in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der FDP)

Ich bin der festen Überzeugung, der richtige Adressat Ihres Antrags ist das Bundesverbraucherministerium und nicht die Landesregierung in Rheinland-Pfalz.

Danke schön.

(Beifall der FDP und der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Frau Abgeordnete Kiltz das Wort.

Herr Geisen, darf ich Ihnen sagen, das, was Sie ausgeführt haben, trieft vor Ideologie.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten mit unserem Antrag einen blinden Aktionismus betrieben. Ich sage Ihnen, ich bin seit 1996 im Gespräch mit denen, die verantwortlich sind für die Aufgaben vor Ort, mit den Lebensmittelkontrolleuren und ihren Verbänden.

Ich sage Ihnen, jeder der sagt, die machen nur Besitzstandswahrungspolitik, wenn sie um mehr Stellen kämpfen, hat das Problem nicht erkannt, glaube ich. Sie sagen, sie brauchen eigentlich das Doppelte an Pers onal als das, was sie im Moment haben, wenn sie ihre Aufgaben vernünftig wahrnehmen wollen.

Man kann doch einfach sagen, wenn man nicht genug Leute und nicht genug Material hat – es fehlen zum Teil die Fotoapparate –, um zu kontrollieren, findet man nichts und sagt: Bei uns ist alles in Ordnung. Wenn man mehr kontrolliert, stellen Sie sich vor, dann findet man das eine oder andere, das den Weg in die Nahrung besser nicht gefunden hätte.

Sie haben gesagt, die Forderungen, die wir aufgelistet hätten, wären entweder erfüllt oder würden jeder Grundlage entbehren. Dann seien Sie doch so gut und sagen Sie, welche Forderung aus Ihrer Sicht erfüllt ist und welche aus Ihrer Sicht warum jeder Grundlage entbehrt. Einfach ein rhetorisches Totschlagargument zu bringen, bringt uns nicht weiter.

Sie haben auch wieder einmal das Märchen erzählt, das Biosiegel würde den Ökos den Markt verderben. So etwas ärgert mich. Das ist dasselbe, was Ingo Steitz letzte Woche in der Fachhochschule erzählt hat. Ich muss Ihnen eins sagen. Es war das Beste, was Renate Künast machen konnte: sich auf Ratschlag der Ökoverbände auf einen Standard zu einigen, auf den noch einmal aufgesattelt werden kann.

Man muss doch für Ökoprodukte einen EU-einheitlichen Standard haben. Wenn dann der Verbraucher sieht, auf diesem einheitlichen Standard klebt zusätzlich noch das Biosiegel, dem ich vertraue, weil ich es schon lange kenne, dann ist das nur gut. Man hat dann zumindest eine gemeinsame Grundlage.

Sie haben von Berliner Ankündigungspolitik gesprochen. Herr Dr. Geisen, Sie hatten Jahre Zeit! Sie hatten Jahrzehnte Zeit, die Versäumnisse aufzuarbeiten. Es hat Jahre gedauert, bis es eine Ausbildungsverordnung für die Lebensmittelkontrolleure gab und bis ein Sachkundenachweis für die Futtermittelkontrolleure gefordert wurde.

(Zuruf des Abg. Dr. Geisen, FDP)

Was haben Sie und Ihre Kollegen denn gemacht? – Sie haben geschlafen!

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Sie haben die alten Agrarstrukturen, die mit daran schuld sind, dass wir nun diesen Nitrofen-Skandal haben, ordentlich wachsen lassen.

Ich sage Ihnen, wenn Sie von Behördendschungel reden, kann ich Ihnen auch sagen, wer ihn zu verantworten hat: Das sind die Vorgänger von Renate Künast.

(Zurufe von der FDP: Oh je! – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Sie haben einen Dschungel herangezüchtet. Übernehmen Sie doch einmal die Verantwortung dafür! Es ist schwierig, einen Dschungel zu lichten. Ich bin froh darüber, dass wir nun eine tatkräftige Frau in Berlin haben,

(Zurufe von der FDP: Oh!)

die die Auseinandersetzung mit dem Berufsstand und die Auseinandersetzung mit der Agrarlobby nicht scheut, sondern die sich daran begibt, die Verbraucherinteressen und die Landwirtschaft zusammenzuführen.