Protokoll der Sitzung vom 29.08.2002

Mit 296 hier Beschäftigten pro 1.000 Einwohner sind wir bei der Arbeitsplatzdichte das Schlusslicht in ganz Deutschland. Jeder von uns kennt die schwierige Ausgangslage unseres Landes.

(Zurufe von der FDP)

Herr Creutzmann, mit Ihnen redet doch keiner in diesem Zusammenhang. Das müssten Sie doch langsam merken.

Aber das Alarmsignal, das uns alle und besonders die Landesregierung aufwecken müsste, ist die Tatsache, dass sich diese Abhängigkeit unseres Arbeitsmarkts und der Lebenschancen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger von Wachstum und Wohlstand in den deutschen und europäischen Nachbarländern unaufhörlich Jahr für Jahr und Schritt für Schritt verschärft. So lautet eine Kernfrage für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes: Was können und müssen wir tun, damit in unserem Land neue mittelständische Betriebe entstehen, damit die

heimischen Unternehmen expandieren können, damit ein weit größerer Teil der Menschen unseres Landes hier in Rheinland-Pfalz Arbeit findet und damit in unserem Land mehr Wohlstand geschaffen wird und nicht zuletzt auch mehr Geld aus eigener Kraft in der Landeskasse zu haben, um Rheinland-Pfalz politisch zu gestalten?

Mit unserem Antrag möchten wir in einer Lage ein Zeichen setzen, in der immer deutlicher wird, dass Deutschland Schlusslicht in Europa zu werden droht und Rheinland-Pfalz in großer Gefahr ist, als Schlusslicht in Deutschland absolut den Anschluss zu verlieren.

(Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

In dieser Lage muss die Landesregierung endlich entschlossen und konsequent für die Interessen dieses Landes eintreten. Sie muss dafür kämpfen, dass die bundespolitischen Rahmenbedingungen für die mittelständische Wirtschaft entscheidend verbessert werden. Deshalb muss in einem ersten Schritt erreicht werden, dass der gesammelte Unfug, der in der nun ablaufenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestags angerichtet wurde, wieder beiseite geräumt und korrigiert wird, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Zurufe der Abg. Hartloff und Schwarz, SPD)

Franz, wenn du dich einmal mit dir selber beschäftigst, kämst du zu ganz anderen Aussagen.

Meine Damen und Herren, der Antrag nennt die Haupttehmen: Deregulierung des Arbeitsmarkts, Scheinselbs tständigengesetz, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, mittelstandsgerechte Betriebsverfassung. –

Meine Damen und Herren, unsere Unternehmen müssen von der Rekordabgabenbelastung befreit werden, die wir in diesem Jahr erreichen. Der von Ihnen so gepriesenen Steuerreform zum Trotz ist die Einkommensbelastung in Deutschland auf ein Rekordniveau gestiegen.

Was die Bundesregierung mit der einen Hand gegeben hat, nimmt sie mit der anderen wieder weg.

Meine Damen und Herren, was nützt es einer Familie oder einem Handwerksbetrieb, wenn er etwas weniger Einkommensteuer, dafür aber jährlich saftigere Ökosteuern, höhere Tabak- und Versicherungssteuern und Sozialbeiträge zahlen muss?

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Tabaksteuer ist für den Mittelstand entscheidend!)

Deshalb muss in einem ersten Schritt erreicht werden, dass wenigstens die Steuerentlastung für 2003 nicht aufgeschoben wird.

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Der rauchende Mittelstand!)

Dann brauchen wir eine Entlastung von Steuern und Abgaben, deren Gesamtumfang Schritt für Schritt auf bis zu 40 Prozent sinken muss.

(Pörksen, SPD: Aha!)

Die Unternehmen müssen wieder in die Lage versetzt werden, aus höheren Erträgen die Eigenkapitalbasis entscheidend zu erhöhen. In der veränderten Bankenlandschaft – das ist wirklich nicht zum Lachen – droht sonst ein Massensterben des Mittelstands. Die dram atisch gestiegenen Insolvenzen dieses und des letzten Jahres sind ein schrilles Alarmsignal.

Die Zahl der Beschäftigten im Baugewerbe ist im ersten Halbjahr erneut um 4,3 % gesunken. Der Umsatzrückgang des Großhandels liegt bei 4,6 %, der Arbeitsplatzverlust bei 3 %.

Das ifo Institut hat erst vorgestern eine Expertise vorgelegt, die uns allen größte Sorge bereiten muss. Die Prognosen für unsere Wirtschaft wurden für die zweite Jahreshälfte deutlich nach unten korrigiert. Ifo Präsident Sinn hat in einem Interview der „WELT“ klar und unzweideutig gesagt, weshalb Deutschland zum ökonom ischen Schlusslicht Europas wird. Ich zitiere: Das liegt an den Verkrustungen, an der gewaltigen Abgabenlast, dem überbordenden Steuerstaat.

Die Industrie- und Handelskammer zu Koblenz hat vor kurzem die Vorschläge der Wirtschaft präsentiert, wie die strukturellen Grundlagen für Wachstum und Zukunft zu schaffen sind.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Die Umfrage unter den Unternehmen des Kammerbezirks zeichnet ein klares Bild, wo den Mittelstand der Schuh drückt. (Mertes, SPD: Von partei- politischer Einseitigkeit!)

Herr Kollege, es geht nicht darum, dass wir alles eins zu eins übernehmen. Aber ich kann Ihnen nur raten, diese sorgfältig ausgearbeiteten Thesen mit allem Ernst zu prüfen und in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. (Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Auf keinen Fall aber sollte der Ministerpräsident dieses Landes Äußerungen, die nicht in den „ideologischen SPD-Kram“ passen, als – so wörtlich – „parteipolitische Aussagen“ beschimpfen.

(Beifall der CDU – Keller, CDU: Jawohl!)

Wenn sich der Herr Ministerpräsident schon über irgendetwas aufregt, dann sollte er noch viel kritischere Bemerkungen an die DGB-Gewerkschaften richten, die sich einmal wieder als die zahlungskräftigsten und lautstärksten Wahlhelfer der SPD hervortun.

(Beifall der CDU – Unruhe im Hause)

Blindheit auf einem Auge hat noch niemandem geholfen, aber schon gewaltig geschadet.

(Hartloff, SPD: Aber beidseitig ist es viel schlimmer!)

Der Herr Ministerpräsident sollte die Stimmen aus der Wirtschaft unseres Landes, auch wenn er jetzt nicht hier ist, mit dem gebotenen Ernst aufnehmen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen für eine vernünftige Politik in Bund und Land ziehen. Blanke Nerven und ideologische Scheuklappen waren noch immer schlechte Ratgeber für erfolgreiche Politik.

Meine Damen und Herren, aber auch die Landespolitik muss sich neu orientieren.

Herr Minister Bauckhage, im Zeichen drückender Sparzwänge muss es nun endlich gelingen, die Struktur der Wirtschaftsförderung zu bereinigen, die Programme zu konzentrieren, den Mitteleinsatz punktgenau auszurichten. Wir müssen zugleich von allzu breit gestreuter direkter Betriebsförderung auf die Verkehrserschließung der Flächengebiete und deren Verbindung zu den Wirtschaftszentren der Nachbarn umschichten. Wir müssen die Investitionskraft der Kommunen stärken, sonst geht die Bauwirtschaft schlicht vor die Hunde.

Schichten Sie die überbordenden Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt um, damit an den Schulen besser Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt wird und die Kinder ausländischer Eltern gleiche Bildungs- und Berufschancen für den ersten Arbeitsmarkt bekommen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Unsere Lage ist ernst. Aber wir haben die Mittel, das Blatt zu wenden. Wir müssen es nur wollen. Diese Landesregierung muss sich zu Taten aufraffen.

(Glocke der Präsidentin)

Nicht nur Schröder, sondern auch diese Landesregierung werden an ihren Ergebnissen gemessen werden.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Mertes das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! So viel Leidenschaft in später Stunde: Hat uns Herr Kollege Wirtz alles gesagt?

(Jullien, CDU: Er hätte noch mehr sagen können!)

Ja, er hat zehn Minuten viel gesagt.

Er sprach unter anderem von „unserem Antrag“, also von einem Antrag der CDU-Landtagsfraktion.

Wir haben das alle sehr sorgfältig gelesen. Weil wir sorgfältig sind, sind wir auch ins Internet gegangen und haben geschaut, wo es her ist.

Meine Damen und Herren, „unser Antrag“, das gegilbte – ich werde Ihnen gleich sagen, wo es herkommt; sehen Sie das richtig, haben Sie die Brille auf? –, also fast alles, ist aus der Entschließung der Arbeitstagung der CSU-Landtagsfraktion vom 14. bis 17. Januar in Wildbad Kreuth. So viel eigene Leistung mit Leidenschaft vorgetragen.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Was sind Sie doch für ein Held. Sie haben es gut vorgetragen. Wissen Sie was: Eines der ehrlichsten Komplimente für ein gutes Papier ist ein Plagiat. Herzlichen Glückwunsch!