Protokoll der Sitzung vom 22.05.2001

(Zurufe des Abg. Lewentz und der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Sie haben nicht definiert, was nachhaltig ist. Sie wissen sehr wohl, dass nachhaltige Politik ressourcenschonend ist, dass nicht mehr Ressourcen verbraucht werden dürfen als nachwachsen. Sie wollen uns doch nicht weismachen und nicht unterschieben, dass das, was Sie an Umweltzerstörung und Umweltvernichtung in Rheinland-Pfalz betreiben, nachhaltige Politik sein soll.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schwarz, SPD: Wo denn? Wo? Wo? So ein Quatschkopf!)

Ich bitte doch, den „Quatschkopf“ zurückzunehmen. Herr Creutzmann, achten Sie bitte darauf. Bitte, ich

denke, man muss darauf achten, dass die Zwischenrufe in Ordnung sind.

(Schwarz, SPD: Ich nehme es zurück!)

Okay, er nimmt es zurück. Danke, Herr Creutzmann.

Die Dinge, die wir hier hauptsächlich thematisieren wollen, fehlen in der Koalitionsvereinbarung oder sind sehr weit zurückgedrängt worden. Wo steht in der Koalitionsvereinbarung der Naturschutz? An welcher Stelle steht der Naturschutz? Herr Beck, Sie haben das Biosphärenreservat Pfälzerwald erwähnt, das vor sich hin dümpelt. Das haben wir hier in einer Aktuellen Stunde schon einmal festgestellt. Es nutzt seine Chance nicht aus. Es hat die Chancen der Direktvermarktung und des Naturschutzes bisher nicht ausgeschöpft. Wo kommt noch in der Koalitionsvereinbarung der Naturschutz vor? Irgendwo unter ferner liefen und nicht als einer der Punkte einer nachhaltigen Politik in Rheinland-Pfalz. Es wären doch Chancen des Umbaus der Politik in eine ökologischere Zukunft vorhanden. Meine Damen und Herren, die Chance ergreifen Sie nicht. Sie wollen dafür eine Milliarde DM ausgeben, die Sie nicht haben, für Straßenbau und für Straßenneubau, nicht einmal für den Erhalt der Straßen. Das wäre doch noch einzusehen.

(Schwarz, SPD: Das ist auch wieder falsch!)

Sie wollen es für Straßenneubauten, die absolut nicht diese Vorteile bringen, die Sie sich versprechen.

(Schwarz, SPD: Es geht um die Erhaltung und den Ausbau, nicht um den Neubau! Sie können nicht einmal vernünftig lesen!)

Es geht um die Mobilität im Kopf, Herr Schwarz. Ich glaube, die können Sie im Moment nicht vorweisen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schwarz, der Straßenneubau, der klar festgelegt ist – das sind die einzigen konkreten Ziele, die Sie hier im Koalitionsvertrag ausgeführt haben –, ist doch Ihr Schwerpunkt an Investition innerhalb der nächsten fünf Jahre.

(Lewentz, SPD: Spricht etwas dagegen?)

Da haben Sie der FDP in den Verhandlungen nachgegeben. Da hat sich dann Herr Bauckhage doch mit seiner Mobilitätsmilliarde durchgesetzt, und Sie haben für den Straßenbau eine Milliarde DM investiert und nur 500 Millionen DM für die Bildung.

(Hartloff, SPD: Kommen Sie einmal in den ländlichen Raum, und schauen Sie sich die Straßen an! – Schwarz, SPD: Das ist auch wieder falsch!)

Dieses Missverhältnis muss man sich einmal vor Augen führen. Herr Ministerpräsident Beck, dann stellen Sie sich hierhin und propagieren, Bildung wäre das Hauptthema in Rheinland-Pfalz. Bildung ist leider nicht das

Hauptthema. Aber Sie haben Recht, Bildung muss ein Hauptthema werden. Dazu hätten Sie Ihre Schwerpunkte anders setzen müssen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Umweltschutz kommt einerseits nicht als Naturschutz, andererseits beispielsweise nicht als Ressourcenschonung vor. Er kommt aber auch nicht als ökologische Landwirtschaft vor. Auch da wurde betont – Herr Kuhn, Sie haben versucht, es dreimal zu sagen –, wir machen umweltschonenden Landbau. Das ist keine ökologische Landwirtschaft, Herr Kuhn. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Das ist integrierter Anbau. Das ist etwas ganz anderes als ökologische Landwirtschaft.

Sie hätten in Rheinland-Pfalz unter guten Bedingungen tatsächlich die Chance, die Ökologisierung der Landwirtschaft voranzutreiben, dies mit der Bundesregierung im Rücken, nicht im Kreuz. Wir würden Sie unterstützen, aber Sie ergreifen die Chance nicht. Sie haben nicht verstanden, dass es eine Chance für die Landwirte ist. Sie stellen sich hierher und sagen: Weiter so! Weiter so! – Damit werden dann die Landwirte eines Tages in Rheinland-Pfalz von der FDP voll an die Wand gefahren.

(Kuhn, FDP: Oh, là, là!)

Herr Kuhn, Sie und Ihre Fraktion und natürlich der Landwirtschaftsminister tragen dafür die Verantwortung, dass die Verbraucher dann nicht mehr das Vertrauen in die Landwirte haben, das diese brauchen. Die Verbraucher müssen das Vertrauen in die Landwirte und Winzer haben, sonst werden die Produkte nicht gekauft. Hier hätten Sie die Chance gehabt, innerhalb der nächsten fünf Jahre die Programme der Bundesregierung, die Frau Kühnast angekündigt hat, zu unterstützen. Sie hätten sich eine Marge setzen können, 5 %, 10 % oder 20 % ökologische Landwirtschaft innerhalb der nächsten Jahre zu erreichen. Nichts davon, Sie haben die Chance verpasst, Herr Kuhn.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nicht nur im Bereich der Landwirtschaft, sondern auch im Verbraucherschutz haben Sie eine Chance vertan. Wir sehen den Verbraucherschutz durchaus breiter als Sie. Verbraucherschutz ist es nicht allein, dass die Leute wissen, was im Essen ist, sondern es ist auch eine dringend notwendige Aufklärung beispielsweise jetzt und für die nächste Zeit über die Produkte, die es neu gibt, wie beispielsweise für die Rente. Verbraucherschutz heißt, wir brauchen Aufklärung in allen Bereichen. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wo bitte stärken Sie den Verbraucherschutz? Ich habe das in dem Koalitionspapier nicht gelesen. Ich habe es nicht gehört. Ich habe bisher von keinem Regierungsmitglied und von keinem Mitglied der Regierungskoalition erfahren, wo der Verbraucherschutz gestärkt werden soll. Auch da handeln Sie nach dem Motto: Weiter so! – Es ist aber ein „Weiter so“ auf einem völlig abgesenkten Level. Die Verbraucherzentrale allein kann das bestimmt nicht regeln, was die Regierung nicht in den Griff bekommt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß auch nicht, welcher geheime Verbraucheranwalt demnächst den Schutz der Verbraucher in die Hand nehmen wird. Mir ist er oder sie noch nicht vorgestellt worden. Es muss ein sehr mächtiger Mensch sein, der jetzt so lange unter der Decke geheim gehalten wird, bis er vorgestellt wird.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor allen Dingen fleißig!) – Frau Morsblech, FDP: Sie werden es bestimmt nicht sein!)

Ich weiß nicht, wo er gewählt werden soll oder wer ihn präsentieren soll. Aber derjenige hat natürlich eine ries ige Aufgabe, vor allem dann, wenn er von der Landesregierung so wenig unterstützt wird, wie das zurzeit der Fall ist. Dann ist es eine Aufgabe, die man nicht leisten kann. Dann ist es Unsinn, einen solchen Verbraucherschützer, einen solchen Verbraucherbeauftragten beziehungsweise einen Verbraucheranwalt einzurichten, wenn man nicht fähig ist, die Ministerien so zuzuschneiden, dass es Verbraucherschutz geben kann. Die Chance hätte in Ihrem Kabinett bestanden. Herr Beck, Sie haben die Chance nicht genutzt, Verbraucherschutz im Kabinett direkt festzumachen und ein Verbraucherschutzministerium einzurichten. Dies hätte bestimmt anders zugeschnitten werden müssen als das, was im Moment im Landwirtschaftsministerium zur Diskussion steht. (Schwarz, SPD: Wir erleben, was die Nordrhein-Westfalen mit Ihrer Ministerin machen!)

- Herr Schwarz, Sie haben eine gute Idee, anscheinend doch Mobilität im Kopf, jawohl. Jawohl, wir haben im Bund und in Nordrhein-Westfalen sehr gute Beispiele von Möglichkeiten, wie man Verbraucherschutz betreiben kann. Das haben Sie nicht genutzt. Meine Damen und Herren, das ist schade; denn wir wissen, diese Chance gibt es nur alle fünf Jahre. Eine solche Chance wird so schnell nicht wiederkommen. Wenn man die Chance erst in fünf Jahren ergreift, dann hat man verloren. Dann ist man nicht vorn, sondern dann ist Rheinland-Pfalz in dem Bereich leider ganz weit abgeschlagen auf einem der letzten Plätze.

Wir sind der Meinung, dass Verbraucherschutz und die Möglichkeit, diesen Schutz wirklich auszubauen, oberste Prioritäten hätten haben müssen, und zwar so, wie das von Ihnen gesagt worden ist. Herr Kuhn, man hätte es umsetzen müssen. Man hätte es nicht nur verbal vortragen sollen, sondern man hätte Tatsachen und Fakten schaffen müssen. Diese haben Sie nicht geschaffen. Meine Damen und Herren, wenn keine Tatsachen und keine Fakten geschaffen werden, dann sieht es für die nächsten fünf Jahre düster für den Verbraucherschutz aus. Das bedauern wir. Wir hätten es anders gemacht, und ich behaupte, wir hätten es auch besser machen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass Sie gegen das Dosenpfand sind. Es ist eine wun

derbare Leistung, in einem Koalitionsvertrag, der auf fünf Jahre ausgelegt ist, festzuschreiben, dass man gegen das Dosenpfand ist. Über das Dosenpfand wird im Bundesrat am 22. Juli 2001 entschieden. Die Sache ist also demnächst sowieso erledigt. In einem Koalitionsvertrag festzuschreiben, dass man gegen eine Maßnahme ist, die Umweltschutz und Mittelstandsschutz ist, zeigt doch die Kleinkariertheit und den kleinen Horizont, den Sie haben. Herr Beck, dazu braucht man keine Visionen. Da weiß man, man könnte mit den anderen Bundesländern gemeinsam eine vernünftige Lösung finden. Sie sperren sich zusammen mit der Umweltministerin dagegen. Sie sperren sich zusammen mit der FDP dagegen. Sie sperren sich dagegen zusammen mit der Industrie, die in Dosen abfüllt. Sie sperren sich außerdem dagegen mit den Lobbyisten, die diese Dosen herstellen. Natürlich ist das verständlich, aber es ist keine zukunftsführende Politik, Herr Ministerpräsident, zu sagen, ich mache hier Lobbypolitik, und alles andere interessiert mich nicht. Ich mache nur Lobbypolitik für Rheinland-Pfalz, und eine Lobbypolitik für den Umweltschutz möchte ich nicht machen.

Herr Ministerpräsident, wir hätten eine Chance gehabt, eine Lobbypolitik für den Umweltschutz beispielsweise gegen das so genannte Littering zu machen, das heißt, dass der Müll einfach in die Landschaft geworfen wird. Wir hätten hier etwas für den Umweltschutz voranbringen können.

Frau Martini hat jetzt einen Vorschlag unterbreitet, dass diejenigen, die Dosen oder Müll in die Landschaft werfen, bestraft werden sollen, dass sie Knöllchen bekommen sollen. Sie macht aber gleichzeitig den Vorschlag, dass die Kommunen dies übernehmen sollen. Das Umweltministerium ist da nicht zuständig. Die Kommunen sollen wieder einmal ausbaden, was an Ideenlosigkeit im Ministerium vorhanden ist.

Meine Damen und Herren, die Aufgaben immer wieder an die Kommunen abzudrücken, so kann man keine Politik machen, die dann später mit den Kommunen zusammen erfolgreich sein wird.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Sie sind doch zuständig! Mein Gott, reden Sie etwas zusammen!)

Sie wissen sehr wohl, dass die Hilfskonstruktionen, die Frau Martini gegen das Dosenpfand gebraucht hat, nicht stimmen, beispielsweise, dass nur 6 % des Mülls in der Landschaft Getränkeverpackungen seien. Das hat sich jetzt erwiesen. Das Witzenhausen-Institut, also Herr Wiemer, der normalerweise Berater von Frau Martini ist, hat festgestellt, dieses Gutachten, das Frau Martini in der Öffentlichkeit immer wieder als Argumentationshilfe herangezogen hat, ist völlig falsch, hat völlig falsche Zahlen, geht von völlig falschen Voraussetzungen aus. Ich glaube, es ist der Zeitpunkt gekommen, nachdem der Bundestag eindeutig mit der Mehrheit von SPD – da gibt es die SPD noch – und GRÜNEN entschieden hat,

dass es ein Dosenpfand in der Bundesrepublik Deutschland geben soll.

(Ministerpräsident Beck: Es reicht langsam wirklich! – Pörksen, SPD: Arroganter Pinsel! – Ministerpräsident Beck: Diese Arroganz!)

Herr Ministerpräsident, in Niedersachsen wollte der Ministerpräsident auch gegen das Dosenpfand stimmen. Die SPD hat ihn dann daran gehindert. Die Fraktion stand zu ihrem Wort, dass sie Umweltschutz betreiben will. Da musste auch der Ministerpräsident einmal einige Schritte zurück gehen. Das ist in Rheinland-Pfalz eben nicht der Fall. Das habe ich gerade schon geschildert. Deswegen täte es dem Land gut, wenn wir eine Diskussion hätten, die offener wäre, die ehrlicher wäre und die auch Bewegung zeigen könnte.

(Ministerpräsident Beck: Ehrlich ist das, was Sie sagen? Unglaublich!)

Deswegen gibt es jetzt für Sie eine Chance, am 22. Juni für das Dosenpfand im Bundesrat zu stimmen.

(Pörksen, SPD: Sie geben eine Chance!)

Überlegen Sie, und denken Sie nach, ob das nicht eine Chance für den Umweltschutz in der Bundesrepublik Deutschland wäre.

Meine Damen und Herren, es gibt noch ganz andere Themen als den Umweltschutz, die Sie hier behandelt haben oder vielleicht nicht so weit behandelt haben, dass man damit zufrieden sein könnte.

(Pörksen, SPD: Das erreichen wir bei Ihnen nie!)

Die Arbeit in Rheinland-Pfalz, zu der Sie eine EnqueteKommission einberufen wollen, muss bestimmt anders organisiert werden, sodass Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger Arbeit annehmen können, die sich lohnt. Das haben Sie meiner Meinung nach völlig richtig definiert und völlig richtig gesagt, natürlich muss es einen Anreiz geben, Arbeit anzunehmen. Es hat keinen Sinn, wenn Leute, die arbeiten, weniger bekommen als solche, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Wenn wir solche Instrumente auch im Landtag diskutieren, müssen wir offen in die Diskussion gehen. Was im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist, ist alles andere als Offenheit. Das genau haben der DGB und die IG Metall sowie die ver.di zu Recht kritisiert, dass die Instrumentarien schon festgelegt sind, nämlich Flexibilisierung der Löhne und Gehälter und nicht Flexibilisierung der Wirtschaft. Nein, es soll wieder einmal auf dem Rükken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen werden, was an Flexibilisierung vorhanden ist.