Liebe Frau Thomas, es war ein ermutigendes Signal, dass alle diesem Antrag zugestimmt haben. Diese neue Verordnung wird am 1. Januar 2002 in Kraft treten. Ich sage dies nicht wegen der Sache an sich, sondern ich bin der festen Überzeugung, dass dies ein Beispiel für gelebte Subs idiarität ist.
Dinge, die wir nicht zu regeln brauchen, sollten wir auch nicht regeln. Wir überlassen dies den Kommunen, die in Zukunft die neue Freiheit, die sich ihnen eröffnet, selbst in eigener Verantwortung beispielsweise dann einschränken können, wenn das berechtigte Interesse der Anwohner dieser prinzipiellen Öffnungsfreiheit entgegen steht. Das ist in Ordnung. Aber wir als Land brauchen dies nicht zu regeln. Meine Damen und Herren, dies ist ein Beispiel für gelebte Subsidiarität, denn auch die Kommune muss nicht alles entscheiden, wenn die Bürger oder der freiwillige Zusammenschluss von Bürgern selbst die Dinge regeln können.
Ein wichtiger Motor im europäischen Einigungsprozess war über die ganzen Jahrzehnte hinweg immer die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich. Nach dem Regierungsgipfel in Nizza gab es laut Zeitungsberichten mehrere Regierungschefs anderer europäischer Länder, die sich kritisch über den Zustand der Zusammenarbeit bzw. der Nichtzusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich beklagt haben. Das finde ich schon etwas Besorgnis erregend. Wir sollten Bundeskanzler Schröder sowie Bundesaußenminister Fischer ermuntern, sich in der Tradition der guten Partnerschaft mit Frankreich weiter zu engagieren.
Ich bin froh darüber – dies möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen –, dass wir in Rheinland-Pfalz mit Ministerpräsident Kurt Beck eine wichtige Vertrauensperson für das deutsch-französische Verhältnis haben. Ich hoffe, dass Rheinland-Pfalz in Europafragen deshalb zukünftig in Berlin eine noch größere Rolle spielen wird.
In Rheinland-Pfalz selbst wollen wir als FDP-Fraktion gemeinsam mit unserem Partner durch eine europäische Ausrichtung unseres Bildungssystems die jungen Menschen auf die Europäisierung vorbereiten. Wir wollen,
dass die jungen Menschen in unserem Land die Chancen der europäischen Zusammenarbeit auch ganz persönlich nutzen, um sich berufliche Perspektiven aufzubauen.
Deshalb wollen wir – dies wurde heute schon mehrfach erörtert, und dazu stehe ich auch – beispielsweise die Fremdsprachenkenntnisse ab dem Kindergartenalter weiter ausbauen, bilinguale Abschlüsse verstärkt fördern und die europaweite Mobilität durch die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen und Einzelleistungen weiter entwickeln. Was SPD und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart haben, bedeutet ein Quantensprung in der Bildungspolitik, der uns einen großen Vorsprung vor anderen Ländern bringen wird.
Beide Fraktionen – davon gehe ich aus – werden mit Nachdruck die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung begleiten. Der wichtigste Rohstoff in Deutschland heißt nicht Kohle, sondern Bildung. Bildung und Erziehung sind das Fundament der Freiheit und des Erfolges für unser Land. Kleine Kinder sind große Botschafter für die Zukunft unserer Gesellschaft.
Erziehung ist, wie das Grundgesetz formuliert, Recht und Pflicht der Eltern. Das gehört zu Beginn dieses Jahrhunderts auf die bildungspolitische Tagesordnung. Eltern müssen wissen, dass die Formulierung des Grundgesetzes auch die Pflicht mit einschließt. Nur wenn Eltern ihren Kindern Grenzen setzen, können Kinder auch ihre eigenen Grenzen wahrnehmen.
Erziehung im Elternhaus ist die Grundvoraussetzung für die Fähigkeit zu einem zivilisierten Umgang mit anderen und darf in einer freiheitlichen Gesellschaft ohne Zweifel erwartet werden. In den ersten Lebensjahren, bevor ein Kind überhaupt mit den Einrichtungen des öffentlichen Bildungssystems in Berührung kommt, werden bereits die Grundlagen für Kompetenz, Unabhängigkeit, Teamfähigkeit, Originalität, Neugier, Fantasie und Einfallsreichtum gelegt. Wenn diese Jahre ungenutzt verstreichen, werden alle staatlichen Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen weitgehend wirkungslos verpuffen.
Bildung ist mehr als nur das Erreichen von Abschlüssen und Berufslaufbahnen. Die Verdienstrechtlichung des Schul- und Universitätsbetriebs ist eine der schlimmsten Perversionen des deutschen Bildungswesens, schreibt Konrad Adam. Wir sind, seit wir in dieser Koalition sind, dabei, dieses Denken zu beerdigen.
Wir müssen eine Mentalität überwinden, die jede Kultur der Selbstständigkeit und den Mut zu individuellen Bildungswegen blockiert. Wir müssen Wege finden, die Fülle der Begabungen, die eine Gesellschaft reich macht, auch auszuschöpfen, die unterschiedlichen Talente der Einzelnen früh aufzuspüren sowie zu fördern und zu entwickeln und sie nicht abzuschleifen, meine Damen und Herren. (Beifall der FDP)
Am wenigsten haben das die GRÜNEN in RheinlandPfalz erkannt, die sich immer noch für die Einheitsschule für alle und am liebsten noch für den Einheitslehrer in der Ausbildung einsetzen.
Sie hätten am liebsten eine Schule ohne Noten und würden gern den Übergang von Schule zur Pension fließend gestalten. Das ist ein Denken von gestern. Die FDP-Fraktion will keine Ergebnisgleichheit am Ziel, wie Sie dies vielleicht wollen. Sie setzen sich dafür ein, dass alle ihr Abitur machen sollen.
Unterschiedliche Bildungswege sind weder entbehrlich noch unsozial. Wir wollen keine Nivellierung. Herr Mertes hat dies heute Morgen schon gesagt. Unterschiedliche Bildungswege sind nicht unsozial. Wir wollen keine Nivellierung, sondern wir wollen die Schwachen fördern und die Starken fordern.
Als die FDP zum ersten Mal Eliteschulen gefordert hatte, glaubte niemand so recht – wahrscheinlich außer ihr selbst –, dass dies bald Wirklichkeit wird.
Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz wird das erste Land in Deutschland sein, in dem der Staat über die gesamte fachliche Breite den Hochbegabten aus dem In- und Ausland ein Bildungsangebot unterbreitet. Das ist gut so. Diese Kombination von Internationalität und Förderung von Hochbegabten wird beispielgebend für die Bildungspolitik auch der anderen Bundesländer sein.
Wir sind gemeinsam stolz darauf. Heute haben nur die Hochbegabten eine Chance, deren Eltern gleichzeitig über Geld verfügen. Sie können auf ausländischen Eliteschulen eine angemessene Förderung einkaufen. Die FDP-Fraktion will jedoch keine Geld-Elite, keine Geldbeutel-Elite,
sondern wir wollen die besonders leistungsbereiten und leistungsfähigen Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung fördern. Deshalb ist uns das staatliche Angebot von solchen Schulen so wichtig.
Wer es sich leisten kann und ins Ausland abwandert, um angemessen gefördert zu werden, droht ganz für unser
Land verloren zu gehen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, das Kreativität, die schöpferischen Kräfte der Menschen und Innovationen fördert und nicht glattbügelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit den neuen Eliteschulen ein Signal setzen, mit dem wir unser Land in viel stärkerem Maße innovations- und zukunftsfähig machen, als es viele Kleingeister heute auch nur zu träumen wagen.
Mit dem Aufbau eines Ganztagsangebots für alle Schularten setzen wir ein bundespolitisches Signal. Das ist nicht nur bildungs-, sondern auch familienpolitisch ein gewaltiger Fortschritt. Es stand auch in unserem Programm, aber die große Initialzündung kam vor der Wahl von unseren Partnern. Aber wir stehen dahinter. Wir wollen das auch. Wir wollten es schon vorher, nun wollen wir es gemeinsam.
Wer an den Kindern und an der Jugend spart, der macht die Zukunft ärmer. Die Ganztagsschule ist wichtig, gerade auch, weil wir gezielt Familien mit Kindern fördern müssen. Das gesellschaftliche Klima in Deutschland ist alles andere als kinderfreundlich. Solange Vermieter Paaren mit Hunden gegenüber Paaren mit Kindern den Vorzug geben, läuft in Deutschland etwas falsch. Wir wollen in Rheinland-Pfalz dazu beitragen, dieses gesellschaftliche Klima zu verändern.
Es ist bekannt, dass die Gesamtschule in vielen Bundesländern heute zum Teil ein Monopol auf Ganztagsbetreuung hat. Wir warten einmal ab, wie sich bei uns in Rheinland-Pfalz die Nachfrage nach Schularten entwickelt, wenn wir in Rheinland-Pfalz für alle Schularten Ganztagsangebote auf den Weg gebracht haben. Ich bin sicher, dass wir auf diesem Weg das gegliederte Schulwesen stärken werden.
FDP und SPD im rheinland-pfälzischen Landtag wollen ein regional ausgewogenes und bedarfsgerechtes Ganztagsangebot an etwa 300 Schulen realisieren. Wichtige Kernpunkte bei der Realisierung des Ganztagsschulangebots sind für die FDP-Fraktion der Angebotscharakter dieser Schulform und die Freiwilligkeit bei seiner Nutzung. Wir wollen nicht das Erziehungsrecht und die Erziehungspflicht des Elternhauses auf die Schule verlagern.
Die Eltern müssen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von ganztägigen Betreuungsangeboten in Kooperation mit der Schule spielen. Allen Beteiligten muss klar sein, die Schulen können nicht wettmachen, was zu Hause versäumt wird. Dann würden wir eine falsche Erwartung wecken, und wir würden in die falsche Richtung gehen.
In Rheinland-Pfalz wird es keine verpflichtende Ganztagsschule geben, erst recht keine staatliche Einheitserziehung. Die FDP-Fraktion setzt nachdrücklich auf Vielfalt und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen, um bedarfsgerechte Ganztagsangebote zu entwickeln. Das Konzept von SPD und FDP besteht eben nicht in einem Unterricht von vorhandenen Lehrern, verteilt über den ganzen Tag, wie es zum Beispiel der saarländische Bildungsminister Jürgen Schreiner von der CDU behauptet hat, was ich mit großem Erstaunen gelesen habe. Er hätte es einmal durchlesen müssen. Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass sich die Saarländer so falsch informieren. Er hat sich dagegen gewandt und gesagt, das sei unmöglich, wie wir das hier machen. Er ist von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen.
Herr Jullien, das ist übrigens jedenfalls partiell eine erschreckende Gemeinsamkeit der CDU in unserem Nachbarland mit der CDU in Rheinland-Pfalz. Ich muss das doch jetzt einmal sagen, Herr Jullien. Ich meine das, was am 16. Mai 2001 in der „Rheinpfalz“ geschrieben wurde, was Sie über den Landesbetrieb „Liegenschaftsund Baubetreuung“ äußerten. Das hat mich schon erschüttert. Vielleicht war es aber auch eine Zeitungsente. Aber zur LBB komme ich später noch.
Ich komme nun zum Stellenwert der beruflichen Bildung. Diesen wollen wir weiter stärken. Deshalb begrüßt die FDP-Fraktion nachdrücklich, dass in der Koalitionsvereinbarung von SPD und FDP die Einrichtung weiterer Dualer Oberschulen, ein wesentlich von der FDP entwickeltes Modell, vorgesehen ist.
Wenig öffentliche Aufmerksamkeit hat bisher gefunden – das möchte ich aus diesem Grunde sagen, weil ich auch persönlich dazu stehe –, dass die Koalitionspartner das Ziel verfolgen, zum Ende der Grundschule Vergleichsarbeiten in Deutsch und Rechnen einzuführen.
Ich sage Ihnen heute voraus, ohne Prophet sein zu müssen: Es wird eine neue Debatte sehr grundsätzlicher Natur über Fehlleitungen geben. Es geht um die Existenz und den Werdegang unserer Kinder. Die FDPFraktion will das Leistungsniveau in den Grundschulen sichern. Das wird dazu führen. Wir setzen ganz bewusst auf eine größere Vergleichbarkeit und mehr Sicherheit bei der Wahl der richtigen Schule, ohne die Entscheidungsfreiheit der Eltern einzuschränken.