Protokoll der Sitzung vom 30.08.2002

(Dr. Gölter, CDU: Das sind doch zwei Seiten einer Medaille!)

Verehrter Herr Dr. Gölter, nein das sind nicht zwei Seiten.

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Wir stehen in einer massiven Verantwortung. Da gehört es sich nicht – – –

(Dr. Gölter, CDU: Das entscheidet immer ihr!)

Nein, das entscheiden wir nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Herr Dr. Gölter, wir zwei kennen uns so lange, dass Sie wissen, dass es bei dem Thema darum geht, seine Betroffenheit einzubringen und nicht schaumschlägerisch obendrüber zu gehen. Herr Weiner hat bewiesen, dass er seine Betroffenheit einbringen kann. Er hat deutlich gemacht, wie betroffen er mit dieser Ausbildung ist.

(Dr. Gölter, CDU: Zwei Seiten einer Medaille!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden fast jedes Jahr in diesem Haus über die Ausbildungssituation. Wir reden immer darüber, in welchen Schwierigkeiten die mittelständischen Betriebe und das Handwerk immer sind. Wir machen auch Vorschläge. Unser Problem ist nur, dass wir nicht bereit sind anzuerkennen, dass Ausbildung Geld kostet. Wir erinnern uns noch an die Diskussion über den Vorschlag der Gewerkschaften, durch eine Ausbildungsplatzabgabe am Ausbildungsmarkt Möglichkeiten zu schaffen. Die Mehrheit in diesem Hause war damals der Meinung, wenn das duale System funktionieren soll, wird es auch beweisen, dass es aus eigener Kraft seinen eigenen Nachwuchs für die Zukunft ausbilden kann. Ich bin Gewerkschafter. Wir waren nicht der Meinung, dass das ein Weg wäre, der uns helfen würde.

Aber die jetzige Diskussion, wenn man sagt, das kostet zu viel, es bricht alles weg, bringt selbst in Handwerksbetrieben plötzlich die Diskussion wieder auf: Wenn ich schon ausbilde, dann will ich dafür Geld haben. – Warten Sie nächstes Jahr ab. Sie werden es erleben, die Diskussion um die Sicherung des dualen Systems – Herr Minister Bauckhage hat darauf hingewiesen – wird erneut losbrechen.

Ich bitte darum, an der Stelle Hilfestellung zu gewähren, an der es möglich ist. Das Land gewährt alle Hilfestellungen. Es hilft nicht, darauf zu verweisen, dass die Steuerreform vorgezogen wird. Es hilft nichts, dass der Mittelstand belastet ist. Man muss sagen: Wenn du Probleme bei der Ausbildung hast, dann geben wir, das Land, dir jede Möglichkeit der Unterstützung, sowohl

finanziell als auch ideell. – Warum sagen Sie das nicht den Leuten, wenn Sie mit Ihnen konfrontiert werden und sie Probleme haben? Nein, Sie reden von der großen Welt und nicht davon, dass das Land eine Menge begleitende Programme hat, die durchaus so weit helfen, dass ausgebildet werden kann.

(Beifall der SPD)

Herr Weiner, Sie haben von Krisensitzungen bei den Arbeitsverwaltungen gesprochen. Nach 1998 kennen Sie die Aktion „Runder Tisch“. Sie kennen auch „Jump“. Das ist angesprochen worden. „Jump“ beinhalt nämlich genau das, dass die Arbeitsverwaltungen im Frühjahr und im Herbst eine Ausbildungskonferenz machen, bei der alle an den Tisch kommen sollen, um darüber zu reden, was an Möglichkeiten noch geschaffen werden muss, damit Ausbildungsplätze und auch schulische Plätze entsprechend bereitgestellt werden können. Das sind keine Krisensitzungen, sondern das sind Sitzungen, die eine Region nutzen sollte. Sie sollte hingehen und sagen: Wir wollen mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, dies m achen.

Ich möchte die Zahlen von 1998 bis 2001 nicht wiederholen. Herr Weiner, wenn Sie sich die angesehen haben, werden Sie feststellen, dass das Land RheinlandPfalz eine ganz massive Steigerung im Bereich der Ausbildungsplätze vollbracht hat.

In Rheinland-Pfalz ist noch ganz wichtig, dass es vier neue technologische Berufe gibt. Wir in Rheinland-Pfalz waren die Ersten. Von den Kammern muss man die IHK in Koblenz natürlich ganz besonders loben, die offensiv in dieses Geschäft mit den Betrieben hineingegangen ist, mit den Betrieben Rahmenbedingungen geschaffen hat, damit diese neuen Berufe ausgebildet werden können.

Natürlich müssen wir allen, die jetzt einen Ausbildungsplatz bereit gestellt haben, sehr herzlich danken. Es ist sicher vermessen, wenn man glaubt, denen nachzus agen, Sie würden sich verweigern. Sie verweigern sich nicht. Sie geben sich alle Mühe. Von Herrn Creutzmann ist darauf hingewiesen worden. Sie wissen, dass Ausbildung Zukunft ist.

(Jullien, CDU: Sagen Sie das dem Ministerpräs identen!)

Der Ministerpräsident weiß das auch. Der Ministerpräsident gibt sich sehr viel Mühe am ovalen Tisch, um das auch zu machen. Nur, wissen Sie, es mögen nur Ihre Parteifreunde sein, die so argumentieren, wenn man zu ihnen kommt, Herr Jullien. Die große Mehrheit argumentiert nicht so. Aber ich ärgere mich über solche Argumente. Das kann man vielleicht denken, aber das muss man öffentlich auch nicht begründen.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Knut Wiechmann. – Nils heißt er.

(Mertes, SPD: Aber Knut würde auch zu ihm passen!)

Das ist auch ein schöner Name.

Herr Präsident Grimm, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Lelle, CDU: Er weiß den Namen!)

Weil sich die Diskussion schon so entwickelt, dass wir in der letzten Runde jetzt auch verschiedene Argumente und verschiedene Möglichkeiten ausgetauscht haben, finde ich das gut und würde gern auch noch einmal auf einiges, was wir schon im Haushalt vorgeschlagen haben, gleich eingehen.

Meine Damen und Herren, im März dieses Jahres haben wir in Auswertung der Antwort des Wirtschaftsministers auf meine Anfrage feststellen müssen, dass erstmals seit 1993 die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wieder gesunken ist.

Meine Damen und Herren, wenn das nicht allein schon für sich dramatisch wäre, dann ist es noch dramatischer, wenn man sich anschaut, dass dies vor dem Hintergrund der noch bis mindestens 2007 steigenden Schulabgängerzahlen geschehen ist.

Meine Damen und Herren, im Juli – also sechs Wochen vor Beginn der beruflichen Ausbildung für das Ausbildungsjahr 2002/2003 – war dann auch überdeutlich, was sich eigentlich schon seit Monaten aus den Zahlen der Geschäftsstatistik des Landesarbeitsamts RheinlandPfalz/Saarland vorhersehen ließ. Die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage hat sich immer stärker erhöht. Gab es im April noch 1.562 Bewerberinnen mehr als unbesetzte Ausbildungsstellen, dann sind es jetzt im August 2.447 gewesen. Das Angebot an Ausbildungsplätzen reicht also bei weitem nicht aus, um für alle Bewerberinnen und Bewerber einen Ausbildungsplatz gewährleisten zu können.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal betonen, das liegt nun wirklich nicht daran, dass die jungen Menschen zu wählerisch seien, sondern es fehlen schlicht und ergreifend so viele Ausbildungsplatzangebote in Rheinland-Pfalz wie schon seit Jahren nicht mehr.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch die wirtschaftsfördernden und betriebsunterstützenden Programme und Maßnahmen der Landesregierung haben jetzt bereits erkennbar nicht ausgereicht, um in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu schaffen.

Herr Wirtschaftsminister, bereits im vergangenen Jahr ist es so gewesen, dass die berufsbildenden Schulen mehr als 7.500 Ausbildungsplatzsuchende aufgenommen haben, die im Endeffekt, weil sie keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, wieder zurück in die Schulen gegangen sind. Das heißt, nach Handel, Industrie und dem Handwerk, weit vor den öffentlichen Verwaltungen und den freien Berufen übernehmen damit das Bildungssystem und hier natürlich insbesondere auch die berufsbildenden Schulen einen immer stärker wachsenden Anteil an der beruflichen Ausbildung.

Meine Damen und Herren, unsere Haushaltsanträge zum aktuellen Doppelhaushalt gehen genau in diese Richtung. Wenn die Wirtschaft nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt, dann muss es eben so sein, dass die öffentliche Hand in die Bresche springt. Herr Kollege Creutzmann, ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich, über die Kostenverteilung in diesem dualen System muss dann auch wieder neu geredet werden. Aus dieser Verantwortung sollten wir die Wirtschaft auch nicht entlassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ganz kurz: Wir haben bei den Haushaltsberatungen zu Beginn dieses Jahres folgerichtig insgesamt 8 Millionen Euro für die Stärkung der berufsbildenden Schulen und insbesondere für ein Programm, das wir „Vollständige Anerkennung beruflicher Ausbildung an berufsbildenden Schulen“ genannt haben, gefordert. Damit – davon bin ich fest überzeugt – wären die berufsbildenden Schulen jetzt in der Lage, dort, wo das betriebliche Ausbildungsplatzangebot erkennbar nicht ausreicht, selbst und natürlich auch mit anderen Trägern, mit den Kammern zusammen, vollständige und anerkannte Berufsausbildungen zu organisieren und durchzuführen. Wir können die jungen Menschen, die jetzt immer noch einen Ausbildungsplatz suchen, nicht allein lassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Wirtschaft ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, muss das Land in Zusammenarbeit mit dem Bund, mit den Arbeitsverwaltungen, mit den Kammern den jungen Menschen eine Perspektive bieten.

(Glocke des Präsidenten)

Dafür treten wir ein.

Meine Damen und Herren, vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Creutzmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wiechmann, wir halten es für den

völlig falschen Weg – das kann ich Ihnen sagen –, dass Sie immer nach dem Staat rufen.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr Weg ist auch nicht erfolgreich!)

Dann sind Sie konsequent oder drohen mit der Ausbildungsplatzabgabe den Unternehmen, die nicht genügend ausbilden. Wir halten dies für den völlig falschen Weg. Sie haben eine Frage gestellt. Warum beantworten Sie sie nicht? Sie haben nämlich die Frage gestellt: Warum sind die Ausbildungsplatzangebote gesunken? – Sie sind zwar nicht so dramatisch gesunken – das zeigt die Statistik; ich habe sie hier –, wie Sie es dargestellt haben, aber dass sie gesunken sind, bestreitet niemand, meine Damen und Herren.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber die Zahl der Bewerber ist gestiegen, Herr Creutzmann! Es sind immer zwei Zahlen, die man gegeneinander rechnen muss!)

Ja, Frau Kollegin Thomas. Die Frage ist doch relativ einfach zu beantworten. In einer sich verschlechternden Wirtschaftslage überlegt natürlich jedes Unternehmen, wo es Kosten sparen kann. Dann ist natürlich der Ausbildungsbereich auch ein Faktor. Das ist doch ganz klar.