Protokoll der Sitzung vom 06.12.2002

Es spricht nun Herr Staatsminister Gernot Mittler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir heute Morgen von dem Kollegen Dr. Weiland gehört haben, passt genau in die Regie, wie sie zurzeit in der Bundes-CDU geführt wird:

(Billen, CDU: So ein Quark!)

Bloß nichts Konkretes, sich mit keinem konkreten Anliegen ertappen lassen, Krawall machen, herunterreden und schlechtreden und im Übrigen die Wahrheitsparole ausgeben.

(Kramer, CDU: Ja, Herr Stiegler! – Keller, CDU: Sagen Sie doch einmal die Wahrheit!)

Meine Damen und Herren, das ist die Krawallpolitik der Union, wie sie seit einigen Wochen abläuft, mit einem klaren Ziel nach einem sorgfältig aufgelegten Drehbuch, und vorneweg marschiert der Staatskommissar für Wahrheit, Roland Koch, abgekürzt StaKoWa!

(Beifall der SPD und der FDP)

Das ist die Regie, die abläuft. Das mag noch ein paar Wochen gutgehen, aber sie wird nicht mehr lange tragen, da bin ich ganz sicher.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Der Stimmungsumschwung deutet sich bereits an. Warten Sie nur ab!

Wir haben Probleme. Ich will zu einigen kommen.

(Zuruf von der CDU: So? Das ist etwas ganz Neues!)

Sie werden dieses Land nicht ohne Strafe für sich selbst und auch nicht ohne Strafe für die politische Klasse und für das gesamte Volk herunterreden.

(Beifall der SPD – Lelle, CDU: Wer hat denn damit begonnen? – Zuruf des Abg. Anheuser, CDU)

Deutschland ist nach wie vor die zweitgrößte Außenhandelsnation der Welt mit wachsender Tendenz. Die Direktinvestitionen in Deutschland steigen. Sie sind in den vergangenen drei Jahren gegenüber dem gleichen vorausgegangenen Zeitraum um das Zwölffache angestiegen.

Die Patentanmeldungen in Deutschland sind in den vergangenen drei Jahren gegenüber dem gleichen vorangegangenen Zeitraum um 24 % gestiegen.

(Bracht, CDU: Und die Schulden sind gestiegen! – Dr. Weiland, CDU: Fakten, Fakten, Fakten!)

Aber Sie tun nichts anderes – das ist die Unionslinie –, als dieses Land herunterzureden.

(Beifall der SPD und der FDP – Dr. Weiland, CDU: Fakten, Fakten, Fakten!)

Natürlich, wir haben 4,1 Millionen Arbeitslose. Zu Ihrer Regierungsverantwortung waren es in der Spitze 4,9! 4,9 waren es!

(Beifall der SPD und der FDP – Dr. Weiland, CDU: Fakten, Fakten, Fakten! – Weitere Zurufe der Abgeordneten Licht und Jullien, CDU)

Ich sage dies nur, damit wir alles sauber auseinander halten.

Im Übrigen betrug das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in Deutschland in den vergangenen drei Jahren 1,8 %. In den vorangegangenen drei Jahren betrug es 1,3 %.

(Licht, CDU: Das muss man doch ständig und täglich korrigieren!)

Wer wollte denn bestreiten, dass wir Probleme haben? – Dies rechtfertigt aber nicht, dass wir Zerrbilder malen und nach draußen verkünden.

(Beifall der SPD und der FDP – Dr. Weiland, CDU: Fakten, Fakten, Fakten! – Licht, CDU: Reden Sie doch einmal darüber, woher die Probleme kommen!)

Wir haben auch Probleme mit dem, was heute aktuell auf der Tagesordnung steht und wozu wir vom Antragsteller noch kein Wort gehört haben.

(Licht, CDU: Wo kommen denn die Probleme her?)

Wir haben noch kein Wort über das gehört, was mit der Steuerpolitik zu tun hat.

Ich will und kann mich aus Zeitgründen nicht allzu tief damit beschäftigen.

(Zurufe von der CDU)

Ich räume ein, dass ich mir bei der Formulierung der steuerpolitischen Rahmenbedingungen, mit denen die Koalition in die neue Legislaturperiode hineingeht, weniger Hektik und eine gründlichere Vorarbeit gewünscht hätte.

(Keller, CDU: Sagen Sie einmal etwas zur Steuerschätzung!)

Manches von dem, was auf den Weg gebracht worden ist, ist notwendig.

(Licht, CDU: Warum?)

Einiges ist sinnvoll, einiges ist weniger sinnvoll, und einiges ist änderungsbedürftig.

(Licht, CDU: Warum?)

Es ist übrigens auch nicht alles neu. Manches von dem, was darin steht, steht haargenau in gleicher Weise in den ehemaligen Petersberger Beschlüssen und war auch schon einmal Inhalt der Beschlussfassung durch die frühere Mehrheit des Deutschen Bundestags. Ich will nur darauf hinweisen, es ist nicht alles neu.

(Zurufe der Abgeordneten Kramer, Jullien und Dr. Weiland, CDU – Licht, CDU: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

Ich möchte nur drei konkrete Hinweise geben: Das, was die Regierungsvorlage im Hinblick auf die Eigenheimzulage vorsieht, halte ich nicht für vernünftig.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung hat dazu ihre Meinung noch nicht festgelegt. Das Kabinett wird dies am Dienstag in einer Woche in unmittelbarer Vorbereitung der Bundesratsitzung in zwei Wochen tun, wie dies alle Kabinette bundesweit tun.

(Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Vor allen Dingen halte ich es nicht für angemessen, dass wir eine Fallbeilregelung machen. Ich denke, die jetzige Regelung sollte zumindest im Jahr 2003 bestehen bleiben, damit nicht in private Investitionsentscheidungen und Lebensplanungen eingegriffen wird. Darüber wird man sprechen müssen.

Ich habe viel Verständnis für eine Stärkung der Kinderkomponente und für eine stärkere Angleichung der Förderpräferenzen für den Neubau und den Bestand. Übrigens, die Abschaffung der degressiven Abschreibung auch im Mietwohnungsbau war, am Rande bemerkt, Originaltext der Petersberger Beschlüsse.

Was die Beschränkung der Verlustvorträge in die Zukunft angeht, die unter dem unglücklichen Stichwort „Mindestbesteuerung“ in die Diskussion eingeführt wurde, kann ich sagen, dass nachdem nun die Regierung selbst definiert hat, dass die ursprünglich vorgesehene zeitliche Begrenzung von sieben Jahren in Wegfall kommen soll, dies im Interesse der Verstetigung von Steuereinnahmen durchaus sinnvoll ist.

Ich habe gestern in der Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates gemeinsam mit Schleswig-Holstein einen Antrag eingebracht, eine Mittelstandskomponente vorzusehen. Vorgesehen ist ein Sockelbetrag, der in unbegrenzter Höhe im Interesse der mittelständischen Unternehmen stets für Zwecke der Verlustverrechnung genutzt werden kann. Er sollte nicht allzu niedrig angesetzt werden.

Was die ursprüngliche Planung hinsichtlich des Wegfalls der gewerbesteuerlichen Organschaft anbelangt, berichtet die Presse heute einiges. Der Ministerpräsident

hatte sich in dieser Frage schon zu einem frühen Zeitpunkt an die Bundesregierung gewandt, da wir in Ludwigshafen ein spezielles Problem haben. An dieser Maßnahme hängt das Herz der Bundesregierung nicht; denn sie kostet den Bund Geld.

Sie ist damit nur einem jahrelang dringend vorgetragenen Anliegen der kommunalen Spitzenverbände gefolgt.

(Beifall bei SPD und FDP)