Protokoll der Sitzung vom 16.01.2003

Meine Damen und Herren, weshalb beschreibe ich diese Entwicklung etwas genauer? Ganz einfach deshalb, weil das Beispiel zeigt, dass die multimedialen Veränderungen einen absoluten und direkten Einfluss auf die Arbeit der Parlamente haben. Gesetze, Staatsverträge und Richtlinien, die gestern noch notwendig und richtig waren, sind heute durch die Dynamik in der Entwicklung längst überholungsbedürftig.

Meine Damen und Herren, genau an einer solchen Schnittstelle stehen wir heute bei diesem Gesetz. Wir brauchen das neue Landesgesetz zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, weil die zwar noch nicht alten, aber bereits überholten Regelungen im Teledienstegesetz und im Mediendienstestaatsvertrag keine eindeutigen Zuordnungen mehr ermöglichen.

Während im Teledienstegesetz der Fokus auf der Individualkommunikation liegt, liegt im Mediendienstestaatsvertrag der Fokus mehr auf der Massenkommunikation.

Meine Damen und Herren, erschwerend kommt hinzu, dass die Zuständigkeit im Sinn des Teledienstegesetzes beim Bund liegt. Die Zuständigkeit beim Mediendienstestaatsvertrag liegt aber bei den Ländern.

In der Vergangenheit waren Individualkommunikation und Massenkommunikation in der Regel schon aufgrund der verwendeten Medien unterscheidbar. Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten kennen keine unterschiedlichen Trägermedien mehr. Damit wird die herkömmliche Abgrenzung zwischen Individualkommunikation auf der einen Seite und Massenkommunikation auf

der anderen Seite von Jahr zu Jahr undeutlicher. Diesen Satz hat bereits 1997 der leider viel zu früh verstorbene Direktor der Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter, Herr Dr. Rainer Hochstein, formuliert.

Um Ihnen ein Beispiel für die Abgrenzungsschwierigkeiten zu geben, müssen Sie sich Folgendes vor Augen führen: In der heutigen Handhabung sind Homepages in erster Linie rechtlich als Teledienstangebote anzusehen. Internettexte dagegen sind in erster Linie als Mediendienstangebote zu werten. Wie wollen Sie Homepages und Internettexte unterscheiden, meine Damen und Herren? Das ist in der heutigen Zeit ein hoffnungsloses Unterfangen.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass eine neue Abgrenzungsvereinbarung im Rahmen eines neuen Gesetzes längst überfällig ist.

Meine Damen und Herren, was hat diese Erkenntnis mit dem Jugendschutz zu tun? Im Teledienstegesetz und im Mediendienstestaatsvertrag ist jeweils festgehalten, was unter jugendschutzgefährdenden Inhalten zu verstehen ist. Sinngemäß wird formuliert, es soll verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung und Erziehung weder beeinträchtigt noch gefährdet werden und dass darüber hinaus die Menschenwürde gewährleistet bleibt.

Meine Damen und Herren, nur die Konsequenzen sind im Mediendienstebereich gänzlich anders, als dies im Teledienstegesetz geregelt ist. Zum Beispiel ist die Verbreitung offensichtlich schwer jugendgefährdender Angebote als Teledienst eine Straftat, als Mediendienst jedoch nur eine Ordnungswidrigkeit.

Mit dem vorliegenden Landesgesetz zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wird der Versuch unternommen, die Kompetenz zwischen Bund auf der einen Seite und Land auf der anderen Seite neu zu sortieren. Eine Neuregelung im Sinn eines klassisch strukturierten föderalen Systems ist dennoch nicht vorgesehen. Die Länder erhalten zwar die Zuständigkeit für den Jugendschutz in der Abwicklung, aber dennoch gibt es eine neue Kommission für Jugendmedienschutz, die im Bereich des Bundes anzusiedeln ist. Sie setzt sich jedoch zum größten Teil aus den Vertretern der Direktoren der Landesmedienanstalten zusammen.

Meine Damen und Herren, somit ist die Klammer zu den Ländern wieder geschlossen. Somit ist die Konstruktion zielführend. Sie bietet die Möglichkeit bzw. die Chance, Jugendschutz effektiver zu gestalten. Auch hier werden ein mehrjähriger Praxistest und ein Evaluationsprozess notwendig sein.

Meine Damen und Herren, natürlich ist eine totale Kontrolle im Jugendmedienschutz nicht möglich. Ich denke, hier sind wir uns einig. Dennoch wird die Bedeutung des Jugendmedienschutzes angesichts einer zunehmend von Medien beeinflußten Gesellschaft immer weiter wachsen. Ich darf die Feststellung des „jugendschutz.net“ – Staatssekretär Rüter hat darauf hingewiesen – aus dem Internet zitieren. Darin steht: „Jugendschutz besteht nicht darin, junge Menschen vor der Welt zu schützen, weil sie Gefahren birgt, sondern sie vor

Gefahren ihrer Erziehung und Entwicklung zu schützen. Der beste Schutz ist, sie zu lehren, mit Gefahren richtig umzugehen.“

Weiter ist interessanterweise aufgeführt: „Das Internet ist eine virtuelle Welt, in der es wie in der realen Welt manches gibt, was es eben nicht geben sollte. Es darf nicht Unrecht getan werden, wenn jungen Menschen das Tor zu dieser Welt geöffnet wird. Unrecht ist nur, sie an Plätze zu führen, die sie gefährden, die aber vermieden werden könnten.“

Meine Damen und Herren, das vorliegende Landesgesetz zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag leistet genau hierzu einen entscheidenden Beitrag.

(Beifall der CDU, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Gewerkschaftsseniorinnen und Gewerkschaftssenioren aus Bendorf. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Pepper.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was unerträglich ist, muss man verbieten können. Dieser Satz von Susanne Gaschke in einem Artikel aus „Die Zeit“ vom 23. Mai 2002 könnte fast ein Leitmotiv des uns vorliegenden Jugendmedienschutz-Staatsvertrags sein. Die Idee, Jugendliche vor dem schädlichen Einfluss von Medien zu schützen, darf trotz der rasanten technologischen Entwicklung nicht aufgegeben werden.

Allerdings muss man sich dabei von der Idee verabschieden, dass dies mit herkömmlichen Mitteln, wie Verboten und Zensur, allein möglich ist. Das ging nur in einer Zeit, in der die Herausgabe von Massenmedien auf wenige beschränkt und damit ein Verbot der Quellen einfach war.

Meine Damen und Herren, das uns heute zur Einbringung vorliegende Landesgesetz zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist ein Gesetz, wie ich es mir als Parlamentarierin eigentlich vorstelle, weil es sich wirklich um etwas Neues handelt. Hier geht es darum, vorhandene Strukturen aufzubrechen. Es wird der Versuch unternommen, vor dieser vorab genannten Aufgabe nicht zu kapitulieren, sondern die Kompetenzen des Bundes und der Länder neu zu ordnen, nach Inhalten zu bündeln und neue Instrumentarien zu entwickeln.

Ich danke dabei ausdrücklich der Staatskanzlei, uns erem Ministerpräsidenten Kurt Beck und Staatssekretär Klaus Rüter, die bei der Konzipierung des Gesetzes

große Arbeit geleistet haben und in vielen Gesprächen und Absprachen diese Verantwortungsumstrukturierung des Bundes und der Länder mit ermöglicht haben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Betrachtet man das Anwendungsgebiet des Staatsvertrags, so liegt zum ersten Mal eine Gesamtregelung für den einheitlichen Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien vor, das heißt, für Rundfunk sowie für die Telemedien als Oberbegriff von Medien und Telediensten. Das schnell wachsende Internet gehört dazu. Der Bund behält die Verantwortung für den Jugendschutz bei den so genannten Trägermedienfilmen, CD-Roms und Videokassetten. Das Pornografieverbot für den Rundfunk wird in diesem Gesetz ohne Verweis auf das Strafgesetzbuch formuliert.

Die Medienaufsicht im Rahmen des Staatsvertrags obliegt den Landesmedienanstalten. Die Länder ordnen die eigenen Kompetenzen. Statt ein föderales Nebeneinander diverser Anstalten, Stellen und Gremien gibt man nun länderübergreifenden Medienangeboten eine einheitliche Struktur, an deren Spitze die bereits genannte zwölfköpfige Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) steht. Die Selbstkontrolle bekommt einen neuen Stellenwert. Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle müssen sich in einem Zertifizierungsverfahren bei der KJM um Anerkennung bemühen, damit sie im Rahmen dieses Gesetzes tätig werden können.

Meine Damen und Herren, deswegen kann man sich diesem Gesetz auf mindestens zwei Wegen nähern, und zwar als Bedenkenträger mit der Frage, ob die neuen Medien staatsvertraglich in den Griff zu bekommen sind. Es gibt viele Zweifler, die von der Unkontrollierbarkeit des Netzes überzeugt sind. Dieses Gesetz resigniert jedoch nicht vor neuen Strukturen, sondern engagiert sich damit sehr intensiv.

Deswegen freue ich mich sehr, dass „jugendschutz.net“ als Beobachtungsstelle der Länder eine besondere Aufwertung erfährt. Diese Einrichtung, die insbesondere durch das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend bzw. den entsprechenden Ministerien in den letzten Legislaturperioden entstanden ist, wuchs in den letzten Jahren unter schwierigen Bedingungen sowohl im Umfang als auch in der Kompetenz des Unternehmens.

Meine Damen und Herren, jeder, der dieses Haus in Mainz einmal besucht hat, kommt sehr beeindruckt nach Hause. Hier werden mit Erfolg das Internet durchforstet und bei Missbrauch entsprechende Verfahren eingeleitet. § 18 sagt: „Bei Verstößen gegen Bestimmungen dieses Staatsvertrages weist jugendschutz.net den Anbieter hierauf hin und informiert die anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle und die KJM hierüber“. „jugendschutz.net“ – das hat Herr Rüter angedeutet – wird aller Voraussicht nach organisatorisch an die Landesmedienanstalt in Rheinland-Pfalz angebunden werden.

Meine Damen und Herren, dies bestätigt das Know-how der Anstalt und unterstützt die LPR vor Ort bei ihren Anstrengungen, den Bereich Jugendschutz, aber auch

Medienkompetenz zu untermauern. Mein Dank gilt an dieser Stelle auch Herrn Direktor Helmes, der sich im Vorfeld der Verhandlungen mit großem Engagement für die Einbindung der Landesmedienanstalten eingesetzt hat.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die dort seit Jahrzehnten vorhandene Kompetenz in Sachen Jugendschutz soll im Rahmen der Neuordnung nicht verloren gehen.

Neu ist das Instrumentarium der Kommission für Jugendmedienschutz, die organisatorisch auch an die Landesmedienanstalten angebunden werden soll. Sie besteht aus sechs Direktoren der Landesmedienanstalten und sechs Sachverständigen aus dem Bereich des Jugendschutzes von Bund und Ländern. In welchem Bundesland der Sitz der Kommission sein soll, steht meines Wissens bis heute noch nicht fest.

(Ministerpräsident Beck: Das ist leider wahr!)

Über die Mitwirkung der Gremien der Landesmedienanstalten gab es im Vorfeld eine heftige Diskussion. Das wird in § 15 geregelt. Sie besteht hauptsächlich aus Informationsrechten. Die KJM hat die Gremienvorsitzenden fortlaufend über ihre Tätigkeiten zu unterrichten und alle zwei Jahre einen Bericht über die Durchführung der Bestimmungen des Staatsvertrags zu erstatten.

Die Gremienvorsitzenden sind in grundsätzlichen Angelegenheiten, insbesondere bei der Erstellung von Satzungs- und Richtlinienentwürfen, einzubeziehen. Ich verhehle nicht, dass diese Fragestellung eine bundesweit heftige Diskussion ausgelöst hat.

Meine Damen und Herren, wer gibt in einer solchen Diskussion schon freiwillig Kompetenzen ab, wenn diese in der Vergangenheit mit Erfolg zugunsten des Jugendschutzes umgesetzt worden sind? Das macht die besondere Qualität dieses Gesetzes aus, dass man sich trotzdem bereit erklärt und sehr intensiv damit auseinander gesetzt hat.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, im Bereich des Jugendschutzes gibt es noch die Programmanbieter, die im Vorfeld manchmal sehr vollmundig gesagt haben, dass sie den Bereich der Selbstkontrolle auch allein ausüben könnten.

Dieses neue Gesetz gibt den Programmanbietern die Chance, im Rahmen eines bestimmten Verfahrens, eines kontrollierten Zertifikationsverfahrens zu beweisen, dass sie diese verantwortungsvolle Aufgabe des Jugendschutzes tatsächlich auch umsetzen werden. Das ist ein großer Vertrauensvorsprung, der sicher genau beobachtet werden wird. Die Selbtkontrolleure müssen sich durch die KJM anerkennen lassen. Ihre Befugnis ist allerdings dann recht groß. In § 20 des neuen Gesetzes sind sämtliche Sanktionen ausgeschlossen, wenn der Veranstalter nachweist, dass er die Sendung bzw. das

Telemedienangebot der Freiwilligen Selbstkontrolle unbeanstandet vorgelegt hat.

Gültigkeit besitzen Institutionen der Freiwilligen Selbs tkontrolle jedoch nur – ich habe es schon erwähnt –, wenn die Einrichtung im Sinn dieses Staatsvertrags anerkannt wird. Sie wird unter anderem nur dann anerkannt, wenn sie auch Vertreter aus gesellschaftlich relevanten Gruppen berücksichtigt. Das ist sicherlich insbesondere den Kirchen zu verdanken, die sich mit großem Engagement an dieser Diskussion beteiligt haben und ihren sehr großen Erfahrungsschatz dort einbringen werden. Ich bin sehr froh, dass dies so geregelt werden kann.

Mit dieser Regelung kann das Engagement und die Kompetenz der Kirchen in Jugendschutzfragen gewürdigt und zwingend eingebunden werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, der JugendmedienschutzStaatsvertrag, der uns heute vorliegt, entspricht der Reformbedürftigkeit des Jugendschutzes und nimmt die Konvergenz der Medien – Herr Mittrücker hat das sehr ausdrücklich und ausführlich dargestellt – auf. An vielen Stellen – auch das wurde bereits gesagt – wurden Evaluierungs-, Erprobungs- und Sonderkündigungsbestimmungen eingebaut, die vorab belegen, dass dieser Staatsvertrag sich sozusagen auf Erprobung bewähren muss. Der Versuch ist es wert, und nicht nur die Medienpolitiker in dem Parlament werden zukünftig die Praktikabilität des Gesetzes im Auge behalten. Sollte es an der einen oder anderen Schnittstelle Änderungsbedarf geben, so empfinde ich dies persönlich als akzeptabel, würde es doch beweisen, dass Gesetze dynamische Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft sind und nicht aus Angst vor Strukturwandel verkrustete unbewegliche Paragraphen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

In diesem Sinn wünsche ich dem Gesetz und vor allen Dingen den Landesmedienanstalten und den neuen Institutionen eine gelungene Umsetzung des Jugendmedienschutzes im harmonisierten Gewand.